Astrid Gutowski – Widerstandskraft in herausfordernden Zeiten

Symposium »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität« am Benediktushof, Holzkirchen (Würzburg)

In einer Gesellschaft, in der jedem einzelnen viel abverlangt wird, ist die Fähigkeit zur schnellen Regeneration unerlässlich. Doch wie bleiben oder werden wir resilient? Astrid Gutowski berichtet vom Symposium »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität« am Benediktushof in Holzkirchen, das unterschiedliche Perspektiven auf das Thema beleuchtete.

Wir leben in herausfordernden Zeiten, täglich ereilen uns neue Schlagzeilen, in einer Welt, die zunehmend von Unvorhersehbarkeit, Unsicherheit und Geschwindigkeit geprägt ist. Viele Menschen fühlen sich zunehmend bedroht und entwickeln stressbedingte Beschwerden und Angststörungen. So ist es nicht verwunderlich, dass das Bedürfnis oder die Suche nach mehr Resilienz, nach einem »Mehr« an seelischer Widerstandskraft, uns allgegenwärtig erscheint. Doch was verstehen wir eigentlich genau unter dem Begriff der Resilienz? Und wie kann Resilienz erlernt und vertieft werden, in einer Zeit, in der althergebrachte Strukturen zunehmend schwinden und stetig neue Ungewissheiten entstehen?

Dies war (auch) die zentrale Fragestellung des diesjährigen Symposiums am Benediktushof in Holzkirchen (bei Würzburg), mit dem Titel: »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität. Zwischen Ich-Stärkung und Selbst-Aufgabe«. Referenten und Referentinnen aus Psychologie, Theologie, Yoga und Meditation untersuchten in Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden, wie Psychotherapie und spirituelle Praktiken hilfreich sein können, einen besseren Umgang mit einer immer komplexeren Welt zu finden/zu gestalten.

»Resilire«, der lateinische Begriff entstammt ursprünglich aus der Physik und beschreibt die Fähigkeit eines Materials, nach Belastung oder Verformung durch äußere Einwirkung in seine ursprüngliche Form zurückzuspringen. Übertragen auf Psychologie und Therapie bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Menschen, Krisen mithilfe persönlicher und sozialer Kompetenzen erfolgreich zu bewältigen und aus ihnen gegebenenfalls sogar gestärkt hervorzugehen. Laut dem Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz unterstützen eine Reihe evidenzbasierter »Resilienzfaktoren« wie beispielsweise eine optimistische Denkweise, ein hohes Selbstvertrauen oder ein gutes soziales Umfeld, entsprechende positive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Eine solide psychische Widerstandskraft sei daher, aus Perspektive des Leibniz-Instituts, häufig auch das Ergebnis gelungener Adaptationsprozesse an äußere und innere Stressoren.

Resilienz in spirituellen Zusammenhängen wiederum wird häufig eher als eine Fähigkeit zur Hingabe oder als Überwindung des eigenen Ichs beschrieben, um so in eine tiefere und letztendlich stärkende Einheit mit einem großen Ganzen zu gelangen. »Hier ist also die finale Deutungshoheit alles andere als geklärt«, erläuterte Alexander Poraj, Mitglied des spirituellen Leitungsteams des Symposiums, »alle Referenten und Teilnehmer waren somit herzlich eingeladen, sich in einen multidisziplinären und lebhaften Austausch über das vielschichtige Thema Resilienz zu begeben.«

Astrid Gutowski
Gedenktafel an den Begründer des Benediktushofs Willigis Jäger

Selbstwert und Selbstwertschätzung

Den Auftakt der gut besuchten, dreitägigen Veranstaltungsreihe gestaltete Daniela Blickhan, Diplom-Psychologin aus Rosenheim, mit ihrem Vortrag: »Selbstwert und Selbstwertschätzung«.

»Wenn wir einmal die Metapher des Autofahrens nehmen, ist der beste Selbstwert der, welcher recht unbemerkt im Hinterkopf/Hintergrund mit uns mitfährt. Wir sind unterdessen mit unserer Aufmerksamkeit auf die vor uns liegende Straße ausgerichtet, auf unsere nächsten Ziele und Vorhaben, in den Rückspiegel schauen wir nur bei Bedarf.« Der fragile Selbstwert wiederum, sei mit uns weit mehr im Vordergrund unterwegs. Er schaut häufig in den Rückspiegel und fragt sich: »War das jetzt gut genug? Habe ich alles richtig gemacht? Was denken die anderen über mich?« Letzterer Selbstwert sei häufig instabil und brauche viel Zuspruch und Bestätigung von außen. Blickhan betonte, wir alle würden zumindest Phasen in unserem Leben kennen, mit einem eher fragilen Selbstwertempfinden, gerade auch in Krisen oder herausfordernden Zeiten. Die zentrale Frage sei also: Was kann ich einerseits für mich selbst tun und was können wir in der Arbeit mit unseren Klienten tun, um in Zeiten eines fragilen Selbstwertempfindens, diesen positiv zu beeinflussen und zu stärken?

»Eine solide psychische Widerstandskraft sei daher, aus Perspektive des Leibniz-Instituts, häufig auch das Ergebnis gelungener Adaptationsprozesse an äußere und innere Stressoren.«

Die Forschung zum Thema Selbstwert ist in der Hinsicht lange Zeit von einem lediglich kompetenzbasierten Ansatz ausgegangen, frei nach dem Motto: »Ich kann was, ich leiste etwas, (ergo)/also bin ich erfolgreich und erlebe mich als wertvoll.« Dieser Ansatz hatte Gültigkeit, bis erkannt wurde, allein dieser leistungsorientierte Fokus schafft keinen wirklich stabilen Selbstwert. Erst wenn eine zweite Dimension der Selbst-Wertschätzung, also die eines Bewusstseins für den eigenen Wert hinzukommt, unabhängig von äußerer Anerkennung oder eigener Leistung, stärkt das nachhaltig und spürbar den Selbstwert.

Dieses beschreibt auch der amerikanische Psychologe Christopher Mruk in seinem (vierdimensionalen) »Model of Self Esteem«. Mruk betrachtet Selbstwert als ein komplexes Zusammenspiel von erlebter Kompetenz und individuellem Selbstwertempfinden. Sind beide Komponenten ausgeprägt, erleben wir ein Gefühl von Selbstwert und Selbstwirksamkeit. Ein gesunder Selbstwert entsteht, wenn wir uns sowohl unserer Fähigkeiten als auch unseres eigenen Wertes bewusst sind.

Vier-Felder-Modell / Self-Esteem-Modell (C. Mruk)

Vier-Felder-Modell / Self-Esteem-Modell (C. Mruk)

Hohe Kompetenz & hoher Selbstwert: Dies führt zu einem stabilen und gesunden Selbstwertgefühl, da wir uns sowohl fähig als auch wertvoll fühlen. Wir erkennen unseren eigenen Wert in allen Lebenslagen, auch schwierigen, an und wissen, dass wir Herausforderungen selbstwirksam und lösungsorientiert meistern können.

Hohe Kompetenz & niedriger Selbstwert: Hier kann eine sehr leistungsorientierte Selbstwertkonditionierung entstehen, die eigene Anerkennung und Akzeptanz basiert häufig auf Erfolg und Leistung. Das führt oft dazu, dass wir uns nur dann als wertvoll erleben, wenn wir richtig viel leisten, also viel erreichen wollen im Leben. (Burnout-Gefahr!)

Niedrige Kompetenz & »hoher« Selbstwert: Hier gibt es wenig erlebte Kompetenz, Menschen mit diesem Empfinden suchen viel Aufmerksamkeit und Bestätigung im Außen und kompensieren häufig Gefühle von Unsicherheit durch eine Überbetonung des eigenen Wertes.

Niedrige Kompetenz, niedriger Selbstwert: Dieser Zustand führt zu einem geringen Selbstwert, Antriebslosigkeit und negativen Selbstkonzepten. Menschen in dieser Lage empfinden oft Resignation und betrachten sich häufig als unfähig und nicht liebenswert.

»Ein gesunder Selbstwert entsteht, wenn wir uns sowohl unserer Fähigkeiten als auch unseres eigenen Wertes bewusst sind.«

Mit dem Selbstwert-Modell von Mruk lasse sich das Selbstwertgefühl auch als etwas verstehen, so Blickhan weiter, was wir nicht einfach nur »haben« oder »nicht haben«, sondern als etwas, was wir bewusst stärken und entwickeln können. »Wir alle kennen alle vier Felder und haben dort schon einmal unsere persönlichen Erfahrungen gemacht. Interessant ist, diese einmal für sich zu reflektieren und auszuwerten.«

Herausforderungen und Schicksalsschläge berühren selbstverständlich auch unseren Selbstwert, da wir uns darin häufiger als weniger wirksam und weniger wertvoll erleben. Resilientes Verhalten wäre dann beispielsweise der handlungsorientiere Ansatz. Blickhan: »In dem Sinne von: Ich probiere mal was, auch wenn ich nicht weiß, wie’s ausgeht.« Oder wir versuchen es alternativ über ein Bewusstmachen unserer Selbst, dass wir unseren Wert nicht an äußerlichen Erfolgen messen, sondern an unserer Persönlichkeit. Blickhan: »Ich kann mich beispielsweise daran erinnern, wann ich mich selbst schon einmal als wertvoll erlebt habe oder wo andere mir gespiegelt haben: Ja, du bist gut und genau richtig, so wie du bist.«

​​»Christliche Texte, Rituale, die Bilderwelt, die Kirchenräume und vor allem auch das gemeinsame Singen von Kirchenliedern geben vielen Menschen Trost, Halt und Hoffnung.«

Eine Möglichkeit, mit dem eigenen Selbstwertempfinden in dieser Ausrichtung stabilisierend und stärkend zu arbeiten, wurde mithilfe eines Selbstmitgefühl-Mantras im anschließenden Workshop praktisch erprobt. Das Mantra aus dem Mindful Self-Compassion (MSC)-Kontext enthält folgende, selbststärkende Formeln:

»Dies ist jetzt gerade schwierig für mich.«
»Das geht allen mal so, das ist menschlich.«
»Und ich darf freundlich und verständnisvoll zu mir sein/zu mir bleiben.«

Blickhans Empfehlung dazu: »Nimm dir genügend Zeit für diese Praxis der Selbstzuwendung. Finde deine persönliche Formulierung, die dich spürbar entlastet.« Es gehe dabei um das Gewahrwerden von Verbundenheit, mit anderen und mit deinem eigenen Menschsein. Zur Unterstützung der Praxis könnten beide Hände im Bereich das Herz-Chakras abgelegt werden. Ein Teilnehmer gab in der anschließenden Diskussionsrunde die Rückmeldung, tatsächlich habe er eine deutliche Erleichterung gespürt, gerade in der Verbindung von Selbstzuwendung und Selbstberührung im eigenem Herzraum.

Astrid Gutowski
Teilnehmer am Symposium »Resilienz in Psychotherapie und Spiritualität« am Benediktushof, Holzkirchen (Würzburg)

Resilienz, Religion und Spiritualität

»Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.« (Jesaja, 42,3). Mit diesem Bibelzitat eröffnete Frau Prof. Cornelia Richter ihren Vortrag: »Die performative Wirklichkeit des Fiktiven. Neueste Forschungen zu Resilienz, Religion und Spiritualität«. Seit 2014 leitet die promovierte Theologin das Forschungsprojekt »Resilience and Humanities« an der Bonner Universität, was sich vorrangig mit Resilienz in schweren, existentiellen Krisen befasst. Zentraler Gegenstand des interdisziplinären Teams aus Theologie, Psychologie, Philosophie, Palliativmedizin und Spiritual Care ist dabei das Erforschen des »performativ Fiktiven«. »Das bedeutet, wir erkunden, wie erzählerische Ausdrucksformen so stark wirken können, dass ein Wort, ein Lied, ein Bild, einen Menschen buchstäblich so im Innern ›trifft‹, dass die Welt auf einmal in einem anderen, (helleren) Licht erscheint.« Poetische, aber eben auch viele christliche Traditionstexte, besäßen das Vermögen, diese Art persönlicher Erfahrungsräume zu öffnen und die darin innewohnenden Kräfte freisetzen. So sei beispielsweise der eingangs zitierte Jesaja-Bibelvers, zu ihrem ganz persönlichen und stärkenden Lebenssatz und Leitmotiv geworden.

In aktuellen Resilienz-Diskursen, so die Theologin weiter, werde Religion und Spiritualität häufig per se als etwas Hilfreiches beschrieben. »Doch man muss dann schon genauer hinschauen: Welche Art von Religion oder Spiritualität und welche Texte, Vorstellungswelten und Rituale sind damit genau gemeint?«

Richter benannte in diesem Zusammenhang als wirkmächtiges Narrativ die weltberühmte Ansprache von Martin Luther King: »I Have a Dream«. Die Rede war 1963 Teil des »March on Washington for Jobs and Freedom« gewesen, einer friedlichen Demonstration von über 250.000 Menschen für mehr Gleichberechtigung und die Beendigung der Rassentrennung in den USA. Sie inspirierte damals Millionen von Menschen, gab der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung neue Kraft und gilt noch heute als Symbol für die Hoffnung auf eine bessere und gerechtere Welt.

I have a dream that one day this nation will rise up
and live out the true meaning of its creed:
»We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal.«

Astrid Gutowski

Richter betonte im Folgenden nochmals den spezifischen Resilienz-Ansatz ihrer Forschungsgruppe. »Wir arbeiten in unseren Kliniken für Psychosomatik, in der Palliativmedizin und in der Seelsorge mit Menschen, die sehr schwere Krisen durchleben. Für diese Art existentieller Krisenerfahrungen braucht es einen Resilienzbegriff, der sich regelrecht und stärkend in das tatsächliche Leben einschreibt.« Richter betrachtet schwere Krisenerfahrungen auch nicht als etwas, was es »nur« zu handhaben oder zu überwinden gelte, sondern als etwas, was manchmal einfach größer und stärker sei als alle bekannten Resilienzfaktoren zusammengenommen.

​​»Darüber hinaus können wir Resilienz als Schwingung, als ein Mitschwingen betrachten und verstehen.«

In Ihrer Arbeit mache sie aber gerade in solchen existentiellen Lebensmomenten auch immer wieder die Erfahrung, dass christliche Texte, Rituale, die Bilderwelt, die Kirchenräume und vor allem auch das gemeinsame Singen von Kirchenliedern vielen Menschen Trost, Halt und Hoffnung gebe. Als bekannte Beispiele nannte sie die Lieder »Von guten Mächten wunderbar geborgen« und »Bewahre uns Gott, behüte uns Gott«.

»Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.«

Ersterer Text geht zurück auf Dietrich Bonhoeffer und basiert auf einem Gedicht, dass der Theologe und Widerstandskämpfer im Dezember 1944 aus der NS-Haft in einem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer schrieb. Zudem widmete er die Zeilen seiner Familie, denen er in der schwierigen Zeit des Nationalsozialismus Trost und Hoffnung zusprechen wollte. Das Gedicht wurde nach seinem Tod, besonders durch die Vertonung von Siegfried Fietz, zu einem bekannten Kirchenlied. Heute gilt es als Symbol für Trost und Glauben in schweren Zeiten.

Resilienz und Klang

Klang, Text und Musik waren ebenfalls integrale Bestandteile des Resilienz-Vortrags von Dr. Matthias Lauterbach (Hannover). »Unsere gesamte Lebenswelt ist geprägt und bestimmt von Rhythmus, Klang und Resonanz. Auch in diesen Erfahrungsräumen können resiliente Kräfte geweckt und erfahrbar werden«. Der Arzt und Gesundheitscoach versteht Gesundheit grundsätzlich als Bestandteil eines ganzheitlichen Lebensprozesses, zu dem auch immer Krankheit und Sterben gehören. Resilienz beschreibt er als einen dynamischen Lernprozess, in dem mithilfe bestimmter Strategien, Konzepte und Kompetenzen seelische Widerstandskraft entwickelt und gestärkt werden kann. Zu den bekannteren, auch von ihm beschriebenen Resilienzfaktoren gehören:

  •  Akzeptanz und eine optimistische Denkweise erproben
  •  die Fähigkeit zur Selbstregulation trainieren und verbessern
  •  Individuelle Handlungsmöglichkeiten erkennen und gestalten
  •  ein unterstützendes soziales Umfeld aufbauen und pflegen
  •  lösungs- und zukunftsorientiert denken
  • im Leben Verantwortung übernehme

Lauterbach unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Sinnhaftigkeit und »Stimmigkeit« im Leben, also das Gefühl, in Übereinstimmung mit sich selbst, den eigenen Werten sowie mit den äußeren Rahmenbedingungen zu leben und zu handeln. Diese Kohärenz fördere eine innere Stabilität und Balance, die es ermögliche, auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu bleiben und sich nicht ausschließlich von äußeren Bedingungen beeinflussen zu lassen. Für Lauterbach gehört zur Gestaltung einer Resilienz stärkenden Lebensweise auch ein praxisorientiertes Wissen über Bewegung, Ernährung, Entspannung und Schlaf.

»Darüber hinaus können wir Resilienz als Schwingung, als ein Mitschwingen betrachten und verstehen. Wir erzeugen eigene Resonanzen und geben diese in die Welt und diese Welt reagiert mit einer Resonanz und wir reagieren wiederrum auf die Resonanz der Welt.« Als akustisches Beispiel stellte Lauterbach die bekannte Schumann-Frequenz vor. Sie beschreibt eine natürliche elektromagnetische Schwingung in der Atmosphäre der Erde, deren Grundfrequenz bei etwa 7,83 Hertz liegt und häufig als »Herzschlag der Erde« bezeichnet wird. Diese Schwingung soll, laut einigen Forschern, harmonisierende Effekte auf biologische Systeme haben und wird häufig in der Entspannungs- und Meditationspraxis genutzt, um eine Verbindung zur natürlichen Erdenergie zu fördern.

Auch der lateinische Ausdruck »per sonare«, so Lauterbach weiter, bedeute »durch etwas hindurch tönen«. »Daraus ist das Wort Person oder Persönlichkeit hervorgegangen, was beschreibt, wie das Wesen oder die Essenz von einer Person ›hindurchklingt‹«.

Lauterbach präsentierte im Folgenden die beeindruckenden Arbeiten des Japaners Masaru Emoto. Der Wissenschaftler entdeckte vor rund 30 Jahren, wie unterschiedliche Emotionen, Worte oder Musik die Struktur von Wasserkristallen sichtbar beeinflussen und verändern. In seinen Experimenten setzte er Wasser verschiedenen musikalischen Klängen aus und fotografierte anschließend die gefrorenen Wasserkristalle. Das Ergebnis: Sanfte, harmonische Kompositionen von Mozart oder Beethoven brachten wunderschöne, symmetrische Kristallformen hervor, im Gegensatz dazu führten disharmonische oder aggressive ACDC-Klänge zu unvollständigen und chaotischen Strukturen.

Lauterbach führte weiter aus, welche spannenden Perspektiven die Ergebnisse von Emotos Arbeit für die Bedeutung von Schwingung und Resonanz in der Welt eröffneten. Sie verdeutlichten, dass alles – von Gedanken und Worten bis hin zu Klängen und Musik – Schwingungen erzeugen, die sich auf die Umwelt übertragen. Auch wir Menschen bestünden bis zu 80 Prozent aus Wasser. »Also ist die Frage: Was brauchen wir an Frequenzen und Schwingungen, die für uns bekömmlich sind, die stärkend und heilend für uns wirksam werden können?«

Lauterbach stellte dazu experimentell in seinem Workshop die Klangqualität und Wirkungsweise verschiedener Kristall-Klangschalen sowie unterschiedlicher Mantra-Gesängen vor. Mantren sind kraftvolle, rhythmische Wortfolgen oder Klänge, die seit Jahrtausenden in spirituellen Traditionen eingesetzt werden, um Heilung und Harmonie zu fördern. Ihre Wirkung beruht auf einer Kombination von Klangschwingungen, bewusster Atmung und mentaler Fokussierung. Der gleichmäßige Rhythmus und die bewusste Atmung schaffen inneren Frieden und können die Verbindung zu höheren Bewusstseinsebenen stärken. Sie unterstützen Körper und Geist zur Ruhe zu kommen und wieder mehr Balance zu finden.

Die Teilnehmer des Klang-Workshops von Dr. Lauterbach gingen besonders stark in Resonanz mit dem Kanon »Schweige und Höre« von Helge Burggrabe. Als spürbar wohltuend und verbindend wurde die Wirkungsweise des Liedes von mehreren Teilnehmern beschrieben und daraufhin, gleich nochmals am Abend, in großer Runde, mit allen rund 100 TeilnehmerInnen angestimmt:

»Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.«

Der Komponist Helge Burggrabe entwickelte in den vergangenen Jahren, inspiriert durch das altgriechische Wort »HAGIOS« (altgriechisch: das Heilige/das Nicht-Benennbare, auf alle Religionen ausgerichtet) einen Liederfundus, der alte Gesangstradition aus Klöstern und Gemeinschaften, wie beispielsweise aus Taizé, aufgreift und mit eigenen Kompositionen ergänzt. Entstanden sind so bislang zwei Lied-Zyklen, die »das Heilige« in Form »gesungener Gebete« thematisch umkreisen.

Burggrabes Liedersammlungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit: Viele Chöre, Singgruppen und Kirchengemeinden greifen die HAGIOS Gesänge mittlerweile auf und es entstehen regelmäßige Gruppen und Veranstaltungen. Helge Burggrabe selbst veranstaltet HAIGOS-Seminare und Friedenskonzerte, manchmal ergänzt von den meditativen Tänzen der niederländischen Choreographin Nanni Kloke. Die Tanzpädagogin und Burggrabe verstehen ihr künstlerisches Zusammenwirken als Friedensarbeit, da die HAGIOS Gesänge – gesungen und getanzt – inneren Frieden stärken und unterstützen, ohne den bekanntlich kein äußerer Friede möglich wird.

Astrid Gutowski

Resilienz im Buddhismus

Im abschließenden Vortrag des Symposiums betrachtete Dr. Alexander Poraj, Zen-Meister und Meditationslehrer, den Resilienzbegriff aus der Perspektive des Zen-Buddhismus. Dazu griff der Theologe zentrale Fragestellungen aus dem Zen auf: »Wer ist dieses ICH, was da leidet? Wer ist die Trägersubstanz? Und woher kommt die Annahme eines dauerhaft existenten ICHs?« Poraj reflektierte im Folgenden die Möglichkeiten einer Identitätsstiftung qua Identifikation mit etwas im Außen: »Was du glaubst, das bist du, solange du es glaubst, dass du es bist.« Diese Form der Identifikation bedeute im Zen-Kontext jedoch letztendlich Anhaftung und Unfreiheit. Eine Möglichkeit der Loslösung daraus sei das »Erwachen« im Sinne des Zen: die in der Zazen-Meditationspraxis tatsächlich erfahrbare »Einsicht in die Substanzlosigkeit der eigenen Perspektive«. So diene die Zazen-Praxis auch nicht einem zur Ruhe kommen, sondern sei eine andauernde Übung der Nicht-Identifizierung mit dem Außen. Das Sitzen in der Stille, das Zazen, sei eine Einladung, zur Präsenz inmitten all dessen, was gerade geschieht. Das erlaube uns schließlich, die unergründliche Komplexität allen Lebens anzuerkennen: »Alles geschieht jetzt, unmittelbar und in unendlicher Wechselwirkung«. Letztendlich gehe es um die Frage, wie wir mit diesem Leben in seiner Komplexität sein können, ohne es steuern zu können.

»Nach drei intensiven Tagen mit viel Input, Inspiration, Gesang und Gespräch waren viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen zwar ein wenig erschöpft, aber auch regelrecht »beseelt«.

Nach drei intensiven Tagen mit viel Input, Inspiration, Gesang und Gespräch waren viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen zwar ein wenig erschöpft, aber auch regelrecht »beseelt«, wie es der Psychotherapeut Winfried Krayer aus Freiberg beschreibt. »Für mich hat es sich auf jeden Fall sehr gelohnt, hergekommen zu sein. Ich habe das Gefühl, als hätten all die vielschichtigen Betrachtungsweisen von Resilienz auch mich und mein berufliches Tun nochmals neu gerahmt und ausgerichtet.«

Astrid Gutowski

Zur Autorin

Astrid Gutowski (Studium Dt. Literaturwissenschaft & Erwachsenenbildung) arbeitet als Resilienztrainerin mit Führungskräften und Teams. Als freie Journalistin und Autorin schreibt sie für Printmedien und Radio, thematische Schwerpunkte: Gesundheit, Gesellschaft, Spiritualität, Achtsamkeit. Sie ist Moderatorin und ausgebildete Sprecherin.

Der Benediktushof – Zentrum für Meditation und Achtsamkeit

Der Benediktushof wurde 2005 von dem Benediktiner und Zen-Meister Willigis Jäger (1925-2020) gegründet und ist heute eines der größten Zentren für christliche Kontemplation, Achtsamkeit und Zen-Meditation in Europa. Das überkonfessionelle Zentrum bietet neben den großen westlichen und östlichen Meditationswegen, eine Vielzahl weiterer Kurse an wie MBSR, Yoga, Führungsthemen, Kreativität, Gesundheit und Selbsterfahrung.
Der Benediktushof ist ein ehemaliges Benediktinerkloster aus dem 8. Jahrhundert und wurde bis ins 18. Jahrhundert, mit wenigen Unterbrechungen, auch als klösterlicher Betrieb geführt. Nach einer Nutzung als Hotel in den 60er Jahren, stand der Gebäudekomplex seit Mitte der 90er Jahre leer. 2002 erwarb die Unternehmerin Gertraud Gruber das Areal mit der Absicht, es Willigis Jäger und seiner spirituellen Arbeit zur Verfügung zu stellen.
In diesem Jahr feiert der Benediktushof sein zwanzigjähriges Bestehen mit dem Symposium: »100 Jahre Willigis – Zwischen Transformation und Revolution. Was gibt Orientierung?« (14.-16. November 2025)
Das nächste »Symposium Psychotherapie« widmet sich dem Thema: »Transgenerationale Traumata: Bedeutung und Umgang in Psychotherapie und Spiritualität« (19.-21. September 2025)
benediktushof-holzkirchen.de

Bildnachweis: © Astrid Gutowski

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