Mystische, spirituelle und religiöse Erfahrungen mit dem »schamanischen Tod« im Traum
Durch die Analyse seiner Träume hat Bartosz Werner einen Weg zu seinem Inneren und zuvor verborgenen Ich gefunden und ist mit seiner spirituellen Seite in Verbindung gekommen. Wichtiger Bestandteil davon ist die Methode des ›Pendelns‹, eine initiierbare Bewegung im Kopf, die man mit freiem Willen anstößt und aufrechterhält. Damit fällt es leichter, im Schlaf in die tiefsten Bereiche des Seins fallen zu können.
»Es ist absolut möglich,
dass jenseits der Wahrnehmung unserer Sinne
ungeahnte Welten verborgen sind.«
Albert Einstein
»Aura-Heilung«
In meinem Traum sehe ich an meinem Bett einen Mann, den Kopfschmerzen plagen. Eine rötliche Aura schimmert um seinen Kopf. Die gleiche Farbe der Aura sehe ich um meine rechte Hand schimmern. In einer Kreisbewegung lege ich daraufhin meine Hand auf seinen Kopf und kann ihn so von seinen Schmerzen befreien. Plötzlich geheilt will er wissen, wie dieser Trick funktioniert, weil er die Aura selbst nicht sehen konnte. Durch seine Begeisterung bringt er so viel Unruhe in den Traum, dass ich ihn nicht wieder beruhigen kann. Ich wache dabei selber angespannt auf.
Auren tauchen öfter in meinen Träumen auf. Ich habe mich nie zuvor mit diesem Phänomen beschäftigt, dennoch schlichen sie sich ein. Auch hier gilt, dass ich diese Kräfte im transzendenten Traum nicht mit meinem Willen kontrollieren darf. Wenn ich von diesen Phänomenen fasziniert bin oder sie beherrschen möchte, verschwinden sie.
»Lagerfeuer«
In einem Traum wird mir in den Hals gedrückt, danach werden mein Kiefer und meine Schädeldecke entfernt. Zum Aufwärmen werde ich wie ein kleines Baby an ein Lagerfeuer gelegt.
In den spirituellen Texten heißt es, dass das Kohlenfeuer das Feuer der Erleuchtung, die Wärme des Geistes und das Gefühl der Sicherheit ist.
»Das heilige Land«
In der Dunkelheit eines Traumes konzentriere ich mich auf das dritte Auge. Ich vernehme eine weibliche Stimme, die freundlich und einladend zu mir sagt: »Willkommen im heiligen Land.«
Diese kleine Auswahl meiner Träume deutet den spirituellen, mystischen und religiösen Kern unserer Träume an. In der letzten Ausgabe von Tattva Viveka habe ich meine transzendente Traumarbeit vorgestellt, in der mein initiatorischer Tod im Vordergrund steht. Diesen habe ich als Regisseur und Dramaturg aus der populären Heldenreise-Dramaturgie entlehnt und nenne dieses transzendentale Prinzip liebevoll den »schamanischen Tod« im Traum.
»Das Traum-Ich hat bereits die Verbindung zu dem tief in uns liegenden heiligen Funken, der mit allem verbunden ist.«
Bei dieser Traumarbeit ist es mir mit dem aktiven Sterben meines Traum-Ichs möglich, hinter den Vorhang des eigenen Ich-Konstrukts zu schauen. Indem ich erkenne, dass mein Traum-Ich unsterblich ist, eröffnen sich mir mit dem schamanischen Tod im Traum mystische, spirituelle und heilige Dimensionen im Schlaf, jenseits meiner Vorstellung von Vernunft und Logik. Wie ich im letzten Beitrag schon beschrieben habe, erlebte ich in meinen transzendenten Träumen nicht nur eine mystische Wiedergeburt, sondern begegnete auch regenerierenden und heilsamen Kräften. Denn indem ich mich mit dem Ich-Tod im Traum immer mehr von der Kontrollfunktion meines »Egos« befreie, lasse ich mich auf die Welt meines Unbewussten ein und somit in die Hände einer tieferen Macht in mir fallen.
Dabei gewinne ich Erkenntnisse auf geistigen Gebieten, die den Naturvölkern und alten, mystischen Meistern längst vertraut waren, und die sie uns in ihren spirituellen Weisheitslehren und Techniken bereits überliefert haben. Durch weitere Beobachtungen stelle ich für mich fest, dass das eigene Traum-Ich in seiner körperlosen und transzendenten Beschaffenheit selber ein »Geistwesen« ist, das durch mich hindurch in der Realität nachwirken kann.
Meiner Schlussfolgerung nach über 300-mal Sterben im Traum ist das vergeistigte Traum-Ich, das sich mit seinem Tod von allen irdischen Anhaftungen, der eigenen Vergangenheit und seiner materiellen Ängste und Wünsche losgelöst hat. Es hat bereits die Verbindung zu dem tief in uns liegenden heiligen Funken, der mit allem verbunden ist. In den geistigen Dimensionen, in die ich vorgestoßen bin, sind mir eine Menge traditionelles, spirituelles Wissen der alten Kulturen bestätigt worden. Auf diese persönlichen Erfahrungen möchte ich in diesem zweiten Teil genauer eingehen.
Hier möchte ich noch mal betonen, dass ich bis dahin mit Spiritualität, Mystik und Religion im Alltag nichts am »Hut« hatte, dennoch hat sich eine ganze Bandbreite an mystischen Phänomenen und Kräften, die aus dem Schamanismus, Hinduismus und Buddhismus bekannt sind, mit meinem Tod im Traum erfahrbar gemacht. Hier zwei weitere Traumbeispiele:
»Buddha-Sitz«
In einer Buddha-Sitz-Haltung schwebe ich lange durch die Wohnung meiner Großeltern. Je entspannter ich bin, desto leichter kann ich eine stabile Höhe halten. Ich schwebe so fast fünf Minuten, bis ich das Zuhause meiner Großeltern durchquert habe.
Die Buddha-Sitz-Haltung (Lotussitz) und ihre phänomenalen Auswirkungen für den Traum werden mir eröffnet. Zuvor wusste ich kaum etwas über diese meditative Sitzhaltung, außer dass sie mir zu mühsam war. Ein anderes Mal wurden mir in einem Traum die Beine meines feinstofflichen Körpers in die Buddha-Stellung ineinandergelegt. Nach diesem Traum werde ich heute fast automatisch in den gekreuzten Buddha-Sitz, wenn ich mich irgendwo hinsetze, »gesetzt«. In einem anderen Traum sagt mir eine Stimme »Der Buddha-Sitz erlaubt einem, die größte Spannweite an Erfahrung zu sammeln.«
»Wo wir im Traum aktiv sind, werden wir passiv und wo wir passiv sind, werden wir aktiv.«
»Beten«
Im Traum fragt mich meine Schwester, was ein Gebet ist, und ich entgegne: »Es ist eine Form von Meditation, eine der mächtigsten Meditationstechniken.«
Ich hätte nie von mir gedacht, dass ich diese für mich verblüffende Aussage einmal treffen könnte. Eigentlich bete ich gar nicht, kenne kein einziges Gebet. Ich bin oft überrascht, dass ich in meinen Träumen viel weiser und religiöser geworden bin als im realen Leben. Religiöse Quellen sagen, dass das Gebet das Lied der Seele ist. Nach solchen Träumen (siehe auch weitere unten) setzte ich mich mit spirituellen und religiösen Quellen der verschiedenen Religionen näher auseinander.
Zur Erinnerung: Der eigene Tod im Traum ist auch eine radikale Umkehrung der Bewegungsrichtung, der den inneren Zensor (Logik & Vernunft) auszuschalten vermag. Dies ist möglich, wenn man im Traum seine Reise durch die Träume nach der Aktiv-Passiv-Regel ausrichtet: Wo wir im Traum aktiv sind, werden wir passiv und wo wir passiv sind, werden wir aktiv. Beispiel: Wenn ich vor etwas weglaufe (»Passivität«), z. B. einem Drachen, ändere ich meine Bewegungsrichtung um 180 Grad und laufe auf den Drachen zu, um mich meinem Tod hinzugeben. Und wenn ich mir etwas im Traum sehnsüchtig wünsche (»Aktivität«), z. B. von dem Drachen nicht aufgefressen zu werden, mache ich eine Kehrtwende um 180 Grad und lasse es zu. Weil das Traum-Ich unsterblich ist, gibt es keinen Tod. Das Überraschende ist, dass es in diesem aktiven Prozess der Überwindung der eigenen Urängste keine Schmerzen gibt. Man wird sogar für seinen Mut mehr als nur belohnt. Doch erst nach diesem radikalen Prinzip wird durch den schamanischen Tod der anerzogene, innere Zensor vorübergehend ausgeschaltet, der vor uns die mystischen und spirituellen Phänomene und geistigen Demissionen unseres Seins verbirgt.
Um diesen »logischen« Zensor weiter zu entschärfen und zu entspannen, suchte ich im Alltag parallel nach einer geeigneten Meditationsform, um die abenteuerliche Heldenreise zum Ursprung meines Seins zu forcieren. Ich probierte viele Meditationsarten aus, war aber für die meisten zu ungeduldig oder zu faul. So stieß ich in meinen Träumen auf die für mich einfachste Form des Meditierens – ich nenne sie:
Pendeln im Kopf
Das Pendel im Kopf ist nichts Imaginäres, nichts was ich mir vorstellen muss. Es ist eine ganz konkrete, initiierbare Bewegung im Kopf, die man mit freiem Willen anstößt und aufrechterhält. Es bildet den Sog, damit ich mich im Schlaf in die tiefsten Bereiche meines Seins fallen lassen kann. Deshalb gilt es, das Pendel im Kopf zum Schwingen zu bringen.
Anleitung: Die einfachste Methode, das Pendel im Kopf zu finden, ist folgende: Konzentrieren Sie sich zuerst auf den rechten Nasenflügel, um die Konzentration dann auf den anderen Nasenflügel zu verlagern und wieder zurück. Versuchen Sie es einmal: Die Konzentration von einem Nasenflügel auf den anderen verlagern und zurück. Genau um diese spürbare innere Bewegung zwischen den Nasenflügeln handelt es sich. Nun versuchen wir, unser Pendel von einer Gehirnhälfte auf die andere zu verlagern, so als ob wir von einem Ohr zum anderen wechseln / pendeln / gleiten würden, also mit unserer Aufmerksamkeit von einem Ohr zum anderen wechseln. Dabei wählen Sie für sich das Tempo, was Ihnen am angenehmsten erscheint: das Tempo, was Ihnen liegt – nichts erzwingen. Das ist alles.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts leiteten Hypnotiseure die Fremdhypnose mit einem schwingenden Pendel vor den Augen des Teilnehmers ein, der mit seinem fokussierten Blick dem Pendel folgen sollte. Wir verwenden dasselbe Prinzip, nur dass wir den Impuls bewusst initiieren. Streng genommen ist jede Fremdhypnose an sich auch nur eine Selbsthypnose.
Haben Sie das Pendel schon gefunden? Es ist wirklich einfach. Genau um diesen simplen Positionswechsel handelt es sich, den wir stets aufs Neue initiieren und aufrechterhalten. So wird im Alltag die Reise nach innen fokussiert.
Manche finden die (fokussierte) Bewegung im Kopf sofort, andere brauchen etwas länger. Das liegt daran, dass dieses Phänomen zu simpel wirkt und wir es vorher nicht beachtet haben. Genauso selten nehmen wir wahr, dass wir zwinkern oder atmen. Früher oder später aber wird das Pendel in den tieferen Träumen an uns herangetragen.
Für den Anfang meiner Reise ins Reich der transzendenten Träume ist das Pendeln nicht zwingend notwendig. Der Trick mit dem schamanischen »Sterben« lässt mich die geistigen Ebenen meiner Träume von alleine betreten. Allerdings wird das Pendeln immer wichtiger. Es ist der Motor, der über den Alltag hinweg meine Heldenreise nicht nur am Laufen hält, sondern mir später im Schlaf ermöglicht, in die tiefsten Bereiche meines »wahren« Selbst vorzudringen. Es hilft mir, das emotionale Gleichgewicht, die innere spirituelle Mitte im Schlaf und somit eine tiefere Verbindung mit der geistigen Natur in mir zu finden. So möchte ich den entscheidenden Traum darlegen, wo mir die Traumfigur Albert Einstein diese Meditationstechnik für den Alltag offenbart hat:
»Das Pendel im Kopf«
Ich beobachte den Dreh einer Reportage über elektrische Impulse. Ein Reporter erklärt ein wissenschaftliches Experiment, in dem sich ein Pluspol und ein Negativpol gegenüberstehen. Wenn man den Strom jetzt einschaltet, entsteht ein elektrischer Fluss zwischen den Polen, die leuchtend schimmern. Der Reporter betont noch einmal, wie wichtig es ist, dass man die Pole stets ein- und ausschaltet, also unter Wechselspannung lässt, damit ein elektrischer Fluss entsteht.
Ich finde die Idee gut, verstehe aber nicht, wofür das alles gut sein soll. Erstens habe ich Angst, dass ich mit diesem Hin- und Herschalten im Kopf Gehirnschäden davontrage. Zum zweiten ist die Idee einfach viel zu simpel und somit bin ich skeptisch. Mir wird dann der Erfinder dieser Idee vorgestellt. Er sieht etwas verrückt aus, hat weißes Haar, wirkt aber weise und gütig: Es ist Albert Einstein. Ich bin überrascht, ihn hier zu treffen. Er möchte mir zeigen, wozu diese einfache Idee gut ist. Ich lasse mich darauf ein.
Ortswechsel: Eine regnerische Nacht. Wir sind in einer Stadt, deren Bürgersteige mit Pflastersteinen ausgelegt sind. Die Steine sind sorgfältig angeordnet und leuchten abwechselnd auf, was das Regenwasser besser abfließen lässt. Im Traum sagt Albert Einstein, dass das Regenwasser leichter und ungehindert in die Rinnen fließen kann, wenn die leuchtenden Pflastersteine rhythmisch umgeschaltet werden. Ich beobachte, dass das Wasser wirklich gut abfließen kann, ohne Staus oder Pfützen. Dabei fühle ich, dass das Wasser auf dieser Ebene für Emotionen, Ängste, Wünsche und Stimmungen steht.
Die Kamera schwenkt wieder auf den Erfinder, den verrückt-genialen Einstein. Sein Assistent betont, dass das magnetische Feld, erzeugt durch das Hin- und Herschalten, das Wasser richtig abfließen lässt. Dabei weist der Assistent auf das Prinzip des Pendels hin und demonstriert es noch einmal. Dabei fasst er mit seinen Händen Albert Einsteins Kopf und bewegt ihn nach links und rechts. Ich merke, wie meine inneren Augen, also mein Pendel im Kopf, dem schwingenden Kopf von Einstein folgen. Seine Haare schwingen dabei elektrisierend und leuchtend in seinem natürlichen Weiß gegen den Himmel, so als ob sie sich aufladen würden. Albert Einstein lacht mir dabei freudig und zuversichtlich zu.
Ich wache auf und bin von der einfachen Wirkungsweise beeindruckt.
»›Träume kommen von Gott‹, hat Friedrich Schiller in ›Die Räuber‹ bereits geschrieben.«
Der Traum bewog mich, im Alltag zu pendeln. Erst danach wurde ich in die noch tieferen Ebenen der transzendenten Träume eingeladen, wo mir die eigene Geistigkeit offenbart wurde. Hier ein weiteres Beispiel dafür, wie in den Träumen auf das Pendeln im Kopf hingewiesen wird:
»Zeitungsartikel«
In einem Zeitungsartikel lese ich, dass ich im Kopf so pendeln soll, als ob ich mich in einem Raum zwischen einer linken und einer rechten Tür entscheiden muss.
Das Pendel als Taktgeber
Das Pendel steht in Wechselwirkung mit der Psyche, dem Körper und der Wellenstruktur des Gehirns. Denn das Pendeln im Kopf ist wie ein elektrischer Impuls zwischen den Gehirnhälften: Weil unser Pendel eine konkrete Bewegung im Gehirn ist, ist es automatisch ein elektrischer, magnetischer Vorgang.
Das Pendel im Kopf bringt die elektrischen Vorgänge des Gehirns, die eine Wellenstruktur aufweisen, in einen gleichmäßigen Takt. Je nach gerade vorherrschender Wellenlänge eines Denkzustandes spricht man vom Alpha-, Beta- und Gamma-Zustand. Wissenschaftler entdeckten in den letzten Jahren verstärkt, welche Bedeutung der richtige Rhythmus im Gehirn hat. Erinnern, Merken, Denken – all das ist erst möglich, wenn die Nervenzellen im Gleichtakt arbeiten.
Der indirekte Wunsch des Gehirns, im Gleichtakt zu arbeiten, eröffnet uns die Möglichkeit, mithilfe des Pendels im Kopf die Gehirnwellen in einem rhythmischen Takt zu synchronisieren. Die aktive Synchronisierung der Wellenfunktionen beider Gehirnhälften und aller anderen Gehirnbereiche ist somit im Alltag möglich. Wie sich der Synchronisierungsprozess auf die geistigen Kräfte im Traum auswirkt, können wir aus dieser kleinen Auswahl an Träumen entnehmen:
»Motor im Kopf«
Als ich beim Einschlafen meine ganzen Gedanken sperre und in eine leichte Trance falle, fängt in meinem Kopf plötzlich alles an zu rotieren – bei vollem Bewusstsein. Ich habe das Gefühl, in meinem Kopf springt ein gewaltiger Motor an. Ich gerate in starke Panik und wache lieber auf. Doch alles ist in Ordnung.
Weil ich im Kopf kreisle oder pendle, wird mir in der Trance oft ein Motor, der im Kopf anspringen möchte, inszeniert. Es scheint, als wäre das Pendel dafür verantwortlich, einen mächtigen Kreisel oder Wirbel in Gang zu setzen und sich als drehender Motor im Kopf zu verselbstständigen.
»Phantom-Körper«
Ich werde mir des Pendelns im Kopf gewahr und lasse es von alleine weiterpendeln, greife nicht ein. Nach einer Weile im Bett liegend merke ich, wie sich meine durchsichtigen (Phantom-)Beine bewegen und schließlich senkrecht zur Decke stehen. Ich entspanne mich weiter und sie bewegen sich auf meinen Kopf zu. Meine Füße berühren meinen Kopf, als wäre ich gefaltet. Ich wache auf. Alles ist gut, obwohl ich im realen Leben ungelenkig bin.
Das selbstständige Pendeln im Kopf hat Auswirkungen auf den Phantom-Körper (oder einen anderen feinstofflichen Körper im Traum, den ich nicht kenne).
»Der Körper pendelt«
Als ich ruhig im leeren Unterrichtsraum sitze, beginnt mein Oberkörper wie ein Pendel nach vorne und nach hinten zu wippen. Ich bin überrascht, dass der ganze Körper im Traum dem Pendel folgt, und wache auf.
Dieses Phänomen passiert mir nun im Realen, wenn ich entspannt sitze. Dann beginnt der Oberkörper manchmal ganz von alleine, leicht zu pendeln oder zu schwingen – von hinten nach vorne oder seitlich. Das fühlt sich beruhigend an. Das Schaukeln des Körpers ist im jüdischen Glauben weit verbreitet, wird als »Schockeln« bezeichnet. Man kann dieses Phänomen auch im Alltag beobachten: Eine Mutter fängt mit ihrem Körper automatisch an zu wippen, wenn sie ihr schreiendes Kind in den Armen beruhigen will.
Synchronisation der Gehirnströme
Mit dem Pendeln werden sich die Gehirnhälften in ihren Ausrichtungen annähern. Sie kämpfen nicht mehr gegeneinander, sondern musizieren wie ein perfekt aufeinander abgestimmtes Orchester zusammen. Das Yin & Yang nähern sich ihrem Gleichgewicht an: Die eigene spirituelle Mitte kann im Schlaf gefunden werden, denn indirekt greift das Pendel auch auf die feinstofflichen Energieebenen zu.
Daher ist das Pendel der kleinste gemeinsame Nenner für all unsere rhythmischen Bewegungen. Vorerst vernachlässigen wir die anderen Himmelsrichtungen, weil die Links-Rechtsbewegung die Grundlage für alle anderen Harmonisierungsprozesse ist.
Egal was wir mit unseren beiden Körperhälften rhythmisch verrichten, wir pendeln horizontal im Kopf mit: Beim Gehen, beim Sport, beim Autofahren, beim Musikhören oder beim Warten – auch hier sind meistens beide Körperhälften in einem (stillen) Gleichgewicht. Das Gleiche gilt fürs Lesen: Pendeln Sie mit, auch während Sie das hier lesen.
Sie werden nach kurzer Zeit, wenn nicht schon nach ein paar Sekunden, merken, dass das Pendel nicht so unabhängig vom Körper ist, wie es vorgibt.
Unbewusst ist es auch an unsere inneren Organe, das Nervensystem, den Kreislauf, die Wirbelsäule geknüpft, also an das Innenleben des Körpers, auf das wir eigentlich keinen Zugriff haben. Das Innere unseres Körpers nimmt das Pendeln wahr und entspannt sich dabei. Am Anfang ist es ungewohnt, weil der Bauch beispielsweise direkt darauf reagiert oder eine Anspannung im Kopf oder um das Innenohr spürbar ist. Das ist ganz normal. Keine Angst. Der Synchronisationsprozess beginnt immer so.
Das Pendel im Kopf spielt indirekt schon bei verschiedenen modernen therapeutischen Ansätzen eine Rolle, z. B. bei der NLP-Methode (Neuro-Linguistisches Programmieren) oder bei der EMDR-Therapie, was für Eye Movement Desensitization and Reprocessing steht, also Desensibilisierung und Wiederverarbeitung durch Augenbewegungen.
Aus der Sicht der Wissenschaft ist bis heute noch nicht erforscht, warum diese einfache Therapie (EMDR) zu solch positiven Ergebnissen führt, denn an sich winkt man ja nur mit der Hand vor den Augen des Patienten, der dieser Bewegung mit den Augen folgt. Meiner Meinung nach ist das Pendel für diesen Erfolg verantwortlich. Unbewusst ist das Pendel an unseren fokussierten Willen gekoppelt. Durch den vorgegebenen Rhythmus des Therapeuten, dessen winkender Hand man mit fokussierten Augenbewegungen folgt, wechselt auch das Pendel zeitgleich die Gehirnseiten und so kann das vergangene Trauma verarbeitet werden. Indirekt erlaubt mir das aktive Pendel im Kopf, mich schrittweise von meinen vergangenen, unliebsamen Erfahrungen zu befreien.
Bei Yoga, Pilates, Qigong, Tai-Chi oder anderen sanften Sportarten kommt unbewusst das Pendel im Kopf auch zum Einsatz, wo das Gewahrsein der Bewegung und des Atmens im Vordergrund steht. Das Pendel folgt der Konzentration, also der Aufmerksamkeit: Es folgt den langsamen, achtsamen und fließenden Bewegungen des Körpers und surft wie auf einer Welle im Kopf mit. Das Pendel surft auf den fließenden Bewegungswellen mit, lässt viele Bereiche im Kopf und Körper entspannen und bringt die Energien zwischen Yin und Yang ins Gleichgewicht. Mit den achtsamen Bewegungen zwischen oben und unten, hinten und vorne, links und rechts rücken nach und nach alle Energieebenen der Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft (auf die wir gleich noch zu sprechen kommen) ins Zentrum der Achtsamkeit und werden ins harmonische Gleichgewicht gebracht: Und bei jeder Bewegung und Atemübung ist das Pendel wie ein achtsamer Beobachter zugegen.
Ohne dass ich es geahnt habe, fing das Pendel an, sich mit meiner Atmung zu synchronisieren. Wenn das Pendel sich bei mir einschaltet, schaltet sich bei mir parallel die Bauchatmung, die Zwerchfellatmung genannt wird, ein und hat eine positive, sammelnde Wirkung auf mich. Wissenschaftlich ist bewiesen, dass die Zwerchfellatmung einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen hat. So ermöglicht mir das Pendel im Kopf die zunehmend konstante Bewusstwerdung meiner Atmung, ohne dass ich Atemtechniken jemals geübt habe: Das Pendel lässt mich im heutigen Alltag mein Atmen stets vergegenwärtigen.
»Daher wird aus der Heldenreise nach und nach eine spirituelle Reise.«
Ein Begleiter für den Alltag
Weil wir im Alltag so oft wie möglich pendeln dürfen, wird sich das Pendel immer häufiger automatisch von selbst einschalten. Das Pendel im Kopf wird wie die eigene Atmung zu einem Selbstläufer. Wenn wir entspannt sind, Auto fahren, warten oder jemandem zuhören, wird sich das Pendel von alleine im Kopf hin- und herbewegen, ohne dass wir das Pendel mit unserem Willen überhaupt initiiert haben. Das Pendel wird nach und nach zu unserem ständigen Begleiter.
Weil das Pendel irgendwann anfängt, von selbst im Kopf zu schwingen, stellen sich die beiden folgenden Fragen: Wer pendelt hier wen? Pendeln wir mit unserem Willen das Pendel oder pendelt das Pendel uns? Das Pendel möchte von selbst weiterpendeln. So, als ob es unseren Impuls aufgenommen hat und weiterschwingen möchte.
Wenn wir mit unserem Willen den Impuls zum Pendeln geben, pendelt der Impuls des Unbewussten zurück. Jede Bewegung unseres Willens erzeugt eine Gegenbewegung im Unbewussten. Ein dynamischer Prozess, der Aufbau eines Dialogs beginnt. Unser Anklopfen wird im Schlaf durch die transzendenten Träume erwidert.
Im Schlaf wird das Pendel von selbst anfangen, sich zu bewegen, und sich somit automatisch in unsere Träume der REM-Schlafphase einschalten und uns direkt ins Reich der transzendenten Träume führen. Die Synchronisierung der Gehirnströme mit dem Pendel im Kopf ermöglicht uns, eine spirituelle Entwicklung im Schlaf zu erfahren.
Und das Besondere an dieser Technik ist, dass sie an keine Sinne und den physischen Körper gekoppelt ist. Das heißt: Ein Tauber, ein Blinder, ein Stummer, ein Querschnittsgelähmter (vom Hals ab), ein Ungebildeter, ein Eingesperrter, ein »Ungläubiger« (wie ich z. B.) etc. kann dennoch meditieren, wenn er oder sie sinnlich oder physisch auf keine anderen Meditationstechniken und »heiliges« Wissen zugreifen kann. Darin liegt, meiner Meinung nach, die eigentliche Kraft des Pendels im Kopf. Gleichzeitig spiegelt sich darin die liebevolle Güte unseres »Schöpfers« wider. Denn er hat jedem von uns dieses Meditationswerkzeug in die Wiege gelegt, um über den Weg der Nachtträume mit ihm in eine (Rück-)Verbindung zu treten. »Träume kommen von Gott«, hat Friedrich Schiller in »Die Räuber« bereits geschrieben.
Die spirituelle Entwicklung
Ich war immer skeptisch gegenüber Spiritualität. Obwohl ich dafür wenig Interesse zeigte, traten die Symbole der fünf Elemente in den Vordergrund. Diese sind: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Mit Äther ist Strahlung, also Licht, gemeint. Die auf sich aufbauenden Energien zeigen auf, dass die Vereinigung mit dem Licht im Kontext eines Entwicklungs- und Reifungsprozesses zu sehen ist. Daher wird aus der Heldenreise nach und nach eine spirituelle Reise. Wenn der Held die Traum-Ebenen der Elemente Erde und Wasser überwindet, wird die Reise in spirituelle und mystische Dimensionen über die Elemente Feuer und Luft in Richtung Licht und Liebe fortgeführt.
Das Wissen über die fünf Elemente ist groß, an dieser Stelle möchte ich auf eine Charakteristik aufmerksam machen. Das Besondere dabei ist, dass die Energieebenen jeweils an die Perspektive von Subjekt und Objekt gekoppelt sind. Dabei ist mit dem Subjekt unser Traum-Ich und mit dem Objekt das gegenüberliegende Symbol oder die Figur gemeint. So hat jedes Element eine charakteristische Beziehung zu diesen beiden Positionen.
Ändert man mit der Aktiv-Passiv-Regel die Bewegungsrichtung in allen Traumzuständen und Ebenen um 180 Grad, werden das Subjekt (Traum-Ich) und das Objekt (das Gegenüber) in sich vertauscht. Spätestens indem man beide durch »Versöhnung« gleichsetzt, sind beide Gegensätze aufgehoben, und die Energieebenen der Elemente der Erde und des Wassers kommen ins Gleichgewicht und werden im weiteren Verlauf vertauscht. Das zeigt sich in meinen fortgeschrittenen Träumen, wo alles überflutet wird und die Inseln und Länder unter Wasser stehen. Es zeigt sich auch dort, wo in das eigene (fiktive) Zimmer Wasser eindringt und es nach und nach geflutet wird. Viele der Träume spielen sich dann im Element des Wassers – der Welt meiner Gefühle – ab. Hier werden meine Heilungskräfte mobilisiert. Nicht umsonst ist vielen Religionen das Wasser heilig. Ein kleiner Tipp: Das eigene Traum-Ich kann unter Wasser wunderbar atmen.
»Mein eigenes Traum-Ich ist nicht nur intuitiver, empfindsamer, spiritueller, sondern auch religiöser, als ich es je in der Wirklichkeit war.«
Die Ebenen Feuer und Luft gehören zum objektiven Beobachter, zu dem ich auf dieser Reise werde. In deren Verlauf bewegen sich die Elemente Feuer und Luft aufeinander zu und kommen ins Gleichgewicht.
Alle vier Elemente bewegen sich aufeinander zu, weil nach meiner Erkenntnis das Pendel im Kopf dem Element der Luft angehört. Mit dem Pendel im Kopf ist es mir möglich, alle unteren Energieebenen Feuer, Wasser und Erde (und somit auch die Hauptchakren) von Blockaden zu befreien und miteinander zu synchronisieren. Durch das Betreten der Beobachterebenen im Schlaf werde ich im Alltag aufmerksamer. Meine Konzentrationsfähigkeit verstärkt sich. Das Pendel erhöht im Alltag meine Konzentration und lässt mich auch achtsamer für meine Psyche, meinen Körper und meinen Alltag werden.
Und in letzter Konsequenz ist das Erscheinen des inneren Lichts, des fünften Elements, mit der Synchronisierung der vier Ebenen gegeben. Weil ich durch die Veränderung der Bewegungsrichtung zwangsläufig Subjekt und Objekt gleichsetze, setzt von innen heraus eine spirituelle und transformierende Reise ein. Indem ich alle Gegensätze durch meine Beobachtung immer wieder eins werden lasse, führt dies zu transzendenten Erfahrungen.
Die kleine Auswahl der nachfolgenden Träume bebildern meine Beobachtungen zu dem Auftauchen der vier Elemente und ihrem Wunsch nach Annäherung:
»Feuer & Wasser«
Feuer und Wasser kämpfen als Elemente gegeneinander. Beide wirken wie große Strudel oder Tornados, der eine ist rot wie Feuer und der andere blau wie Wasser. Sie verwüsten dabei eine halbe Stadt, so als ob zwei Götter gegeneinander kämpfen würden. Am Ende beruhigen sich beide Elemente und stehen friedlich vor mir. Es sind jetzt zwei große Männer, einer besteht aus Feuer, der andere aus Wasser. Das Feuer steht rechts, das Wasser links von mir, als würden sie zwei Seiten von mir darstellen. Weil ich nicht weiß, wem ich vertrauen kann, und daran zweifle, dass eine Versöhnung zwischen den beiden Männern stattfinden kann, blendet sich der Traum aus.
Die Elemente Feuer und Wasser sind nun gleichberechtigt nebeneinander, und zwar jeweils auf der entsprechenden Körperseite. Aus der Versöhnung von Feuer und Wasser entsteht Dampf, also das Element der Luft. Diesen Verdampfungsprozess gilt es für mich zuzulassen: Ich darf beiden vertrauen, ohne ein Element zu bevorzugen.
»Wind«
Eine Frau gibt mir ihre Hand. Ich entspanne mich und übergebe ihr die Kontrolle. Ich fange an, über dem Bett zu rotieren, gleichzeitig pendle ich im Kopf aktiv mit und die Rotation verstärkt sich. Ich entspanne mich und pendle weiter. Es wird dunkel und ich lande wieder in meinem Bett, wo ein starker Wind weht. Er ist so stark, dass ich mich nicht vom Bett erheben kann. Ich versuche es, aber ich habe keine Chance. Der Wind ist eher ein Sturm. Ich wache auf.
Die Elemente der Luft tauchen zunehmend auf. Dabei symbolisiert auf der spirituellen Ebene der Wind im Traum die Macht des Geistes und die Bewegung des Lebens.
»Lichtstrahl«
Ein starker goldener Laserstrahl, der aus dem Himmel kommt, verbrennt alles Materielle samt allen Gebäuden eines verschlafenen Dorfes. Alles wird zerstört. Ich wache überrascht auf.
Die Strahlung vom Himmel fängt an, alles aufzulösen. In religiösen Schriften wird sie als »die Strahlung der Zornigen und Friedlichen«, »das strahlende Licht des (r)einen Geistes« oder als der »Lichtstrahl der Transformation« beschrieben. Das Element Licht dringt somit stark in meine Träume ein. Auf der anderen Seite werde ich von innen her von mystischen Kräften durchdrungen, wie in diesem Beispiel:
»Kundalini-Schlange«
Ich lasse mich von meiner Bettkante ins Wasser fallen, dort sehe ich eine Frau schwimmen. Ich entspanne mich und bleibe bei ihr. Plötzlich wird mir die Innenansicht meines Körpers visualisiert, wo eine Schlange in meinem Körper entlang der Wirbelsäule emporkriecht. Ich freue mich, weil ich glaube, dass es die mystische Kundalini-Schlange ist. Die Frau unter Wasser sagt, es sei eine andere, kleinere Art, dabei ist sie gewaltig. Ich werde im Innern von unten nach oben von ihr entspannt. Bevor sie mein Herz erreicht und dort vielleicht zubeißt, lasse ich mich lieber aufwachen.
So begegnet mir indirekt auch die »Kundalini«, die mystische Schlangenkraft, die es ermöglicht, dass sich Shiva und Shakti, der männliche und der weibliche Pol vereinigen: Man erlebt außergewöhnliche Wahrnehmungen und Empfindungen. In der Sprache der modernen Wissenschaft ist der Aufstieg der Kundalini die Aktivierung weiterer schlafender Zonen des Gehirns. Ein weiterer Tipp: Es lohnt, sich von Schlangen jeglicher Art im Traum beißen zu lassen: Die Bisse sind stets heilsam.
Weiterhin heißt es im Buddhismus, dass die Geburt eines wirklich menschlichen Wesens mit dem Beobachter beginnt. Der objektive Beobachter ist schon der »vollkommene« Geist. Das bedeutet, dass das eigene Traum-Ich zum beobachtenden Geist wird. Umgekehrt heißt das, dass das Traum-Ich in seinem Ursprung der vollkommene, »heilige« Geist bereits ist. Wie sich die »heilige« Entwicklung in meinem Traum-Ich widerspiegelt, sieht man an diesen Traumbeispielen:
»An Gott glauben«
Mein Begleiter sagt zu mir, dass er nicht an Gott glaubt. Ich entgegne: »Ich schon und du kannst mich nicht vom Gegenteil überzeugen.«
Über die Aussage meines Traum-Ichs bin ich überrascht, weil ich dachte, dass ich gar nicht an Gott glaube, ihn höchstens eher als einen Kumpel ansehe. An sich empfinde ich wie mein Begleiter: Ich glaube nicht an Gott. Mein Traum-Ich ist konsequent anderer Meinung.
»Bibel«
Ich debattiere mit einem mir unbekannten Mann über die Bibel und ihren Inhalt. Ich finde, dass alles darin Metaphern sind, aber mein Gegenüber lacht und sagt dann sehr ernst: »Die Bibel ist wahrhaftig und keine Metapher für psychologische Zustände.« Ich bin überrascht, dass er so bestimmend in seiner Haltung ist.
Ich habe noch nie die Bibel gelesen, mich nie für sie interessiert, aber auf der anderen Seite ist es wichtig, dass ich die Bibel und andere religiöse Schriften (aus anderen Kulturkreisen) nicht rigoros ablehne.
»Die Kreuzigung«
Ich bin ein Gefangener im alten Rom und werde auf meine Kreuzigung vorbereitet. Ich lasse sie zu. Ich trage einen Bart und weiße Kleidung, so wie Jesus bei seiner Kreuzigung. Am Ende werde ich nicht gekreuzigt, aber weil ich es zulasse, gekreuzigt zu werden, entspannt sich mein ganzer Unterleib. Alle Spannungen lösen sich auf, und ich wusste vorher nicht, dass ich dort welche hatte.
Das war der erste und für mich ein beeindruckender Traum im Zusammenhang mit der Jesus-Symbolik. Doch dieser Traum wurde noch gesteigert:
»Der Jesus-Jünger«
Ich gehe neben jemandem her und wir reden über Jesus. Ich sage, dass ich Jesus ohne jedes Bedenken folgen würde, egal wohin. Ich fühle mich wie einer seiner Jünger, während der andere an Jesus zweifelt. Ich kann ihn auch nicht vom Gegenteil überzeugen.
Ich bin überrascht, dass mein Traum-Ich Jesus als Jünger folgen würde. Im realen Leben käme ich nicht auf diese Idee, wäre das Gegenüber, das im Traum zweifelt. Mein Traum-Ich ist inzwischen gläubiger, als ich es mir selbst zutraue. In der Wirklichkeit habe ich gegenüber Jesus noch Vorbehalte, aber mein Traum-Ich hat schon längst die Seiten gewechselt.
Mein eigenes Traum-Ich ist nicht nur intuitiver, empfindsamer, spiritueller, sondern auch religiöser, als ich es je in der Wirklichkeit war. Es speichert all diese religiösen Erfahrungen für sich ab. Und weil ich einen eher katholisch geprägten Hintergrund habe, ist Jesus für mein Traum-Ich zum Vorbild geworden.
Wenn Sigmund Freud schreibt, dass man alle Figuren im Traum selbst ist, stellt sich die Frage, zu wem mein Traum-Ich auf dieser Reise – mit dem schamanischen Tod – geworden ist. Wozu ist es gut, dass das eigene Traum-Ich ein Jesus-Jünger wird? Es zeigt mir aber auch, dass die eigene individuelle Religiosität tiefer in mir verwurzelt ist, als es mir als naturwissenschaftlich denkender Mensch lieb ist.
Jesus sagt: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.« Und er fügt hinzu: »Niemand kommt zum Vater außer durch mich.« So öffnet er als Erscheinung im Traum oder als der religiöse Anteil des eigenen Traum-Ichs eine mögliche neue Dimension für die menschliche Seele in ihrer Beziehung zu Gott. ¶
Zum Autor
Bartosz Werner arbeitet als Regisseur, Autor, Dramaturg und Dozent für Regie, Konzeption und Filmdramaturgie an verschiedenen Fachhochschulen und Medienakademien. 2019 erschien sein Sachbuch »Transzendentes Träumen«, wo er den schamanischen Ich-Tod in den Vordergrund seiner Traumarbeit rückt. Dieser Schritt erlaubte es ihm, die Dramaturgie der Träume in ihrer Tiefe zu erforschen, und führte ihn zu spirituellen und mystischen Dimensionen seines Seins, die hinter dem Vorhang seines Ichs verborgen sind.
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