Warum die Charakterbildung in der Nago-Tradition die Grundlage für Spiritualität darstellt
Spirituelles Wachstum und religiöses Erwachen sind im Trend. Viele Menschen streben durch Spiritualität nach einer schnellen Transformation, um besser im Leben zu bestehen, während sie ein heilloses Leben führen und unmenschliche Werte vertreten. Für den Autor und Heilkundigen Akambi Oluwatoyin vom Volk der Nago, das seit Jahrtausenden die Natur und die Ahnen als heilig verehrt, gibt es keine spirituelle Entwicklung ohne Charakterbildung. Das ganze spirituelle Erwachen nützt nichts, wenn es nicht von einem menschlichen und ethischen Charakter getragen ist. Deshalb möchte der Autor die Bedeutung einer menschlichen Charakterbildung als zentrales Element von Spiritualität aufzeigen.
»Das ganze spirituelle Erwachen nützt nichts, wenn es nicht von einem menschlichen und ethischen Charakter getragen ist.«
»Ohne menschenwürdigen Charakter gibt es keine Spiritualität.« Diese Grundlage der Spiritualität in der kulturellen Tradition meines Volkes zu übermitteln, teilten mir meine Vorfahren mit, bevor ich mit dem Schreiben dieses Beitrags begann. Alles, was Sie hier lesen, sind die Stimmen meiner Vorfahren und die Worte, die sie mir in die Ohren eingeflüstert haben. Als Nachfahre einer langen Reihe von Hüter*innen der Nago-Weisheitstraditionen und des Nago-Heilwissens und nach einer jahrelangen Begleitung von Menschen stelle ich immer wieder fest, wie vielen Menschen hier die spirituellen Traditionen Afrikas weitestgehend unbekannt sind oder wie oft sie missverstanden werden.
Ich möchte mir hier jedoch nicht anmaßen, Spiritualität zu definieren. Wenn ich mit einer Definition festlege, was Spiritualität ist, setze ich eine Grenze. Somit versuche ich sie lediglich von meinem kulturellen Hintergrund her zu beschreiben. Damit können Leser und Leserinnen eine Vorstellung davon bekommen, was die Nago unter Spiritualität verstehen. Spiritualität ist die Essenz allen Seins. Damit sind alle Menschen geboren. Spiritualität setzt nichts voraus und bedarf keiner Initiation, sondern braucht einen Auslöser. Der Zünder für Spiritualität ist das Erwachen des Bewusstseins dafür, dass das Leben nicht nur auf die physische Dimension beschränkt ist. In der physischen Dimension ist das Metaphysische enthalten. Das Leben ist eine Einheit, in der die materielle und spirituelle Ebene ineinanderfließen. Eine eindimensionale Erfassung des Lebens bleibt unvollständig.
»Gedanken aus einer fremden Kultur kann man nur begreifen, wenn man die Denkweise in dieser Kultur versteht.«
Wenn wir erkennen, dass wir mehr sind als unser Körper, und die Leere zwischen Körper und Geist schließen, können wir uns als Einheit erfahren. Indem ein Mensch sich als Einheit von Körper und Geist erfährt, kann er die Einheit mit dem Leben erfahren. Wir Nago gehen davon aus, dass ein Mensch diese Einheit nur spüren und wahrnehmen kann, wenn er sich als Geist in menschlicher Gestalt versteht. Gedanken aus einer fremden Kultur kann man nur begreifen, wenn man die Denkweise in dieser Kultur versteht. Die Bedeutung des Wortes Spiritualität bei den Nago in der deutschen Sprache auszudrücken, ist eine besonders schwierige Aufgabe, da die Begriffe und Wörter in beiden Sprachen keine gleiche Bedeutung haben. Der Nago-Begriff, der als Spiritualität bezeichnet wird, ist esin und bedeutet »mit Hingabe zu dienen, um zu sein«. Dabei hat jeder Mensch die Freiheit, selbst zu bestimmen, welchem Leben er mit Hingabe dienen möchte, um zu sein.
Das alltägliche Leben in der Nago-Tradition ist voller Spiritualität, überall und in allem enthalten. Dennoch: Der erste Schritt zur Spiritualität besteht darin, einen menschenwürdigen Charakter zu entwickeln, um eine harmonische Beziehung zum Leben der Gemeinschaft und zu allen sichtbaren und unsichtbaren Mitgeschöpfen zu pflegen. Dabei ist Charakter die Frucht gelebter Werte und Verhaltensweisen. Durch Charakter wird die Persönlichkeit eines Menschen gebildet.
Ohne ein tugendhaftes Leben gibt es keine Spiritualität.
Das seit Jahrtausenden spirituelle Leben der Nago führte zu einer grundlegenden Erkenntnis, die unsere Vorfahren als Kern der Spiritualität so zum Ausdruck brachten: »Charakter ist Spiritualität.« Menschenwürdige Charakterbildung ist bei den Nago wichtiger als alle spirituellen Bewusstseinslehren und religiösen Glaubenslehren. Der Zweck der spirituellen oder religiösen Lehre besteht darin, einen menschenwürdigen Charakter zu bilden. Die Lehre beginnt mit der Frage: Als wer bin ich geboren, zu sein, um zu werden, wer ich geboren bin, zu sein?
Die Entwicklung von Charaktereigenschaften, nach denen ein Mensch strebt, hängt primär von der Vorstellung ab, die er vom Mensch-Sein hat. Die Grundbedingung für ein glückliches und erfülltes Leben besteht darin, sich zu verwirklichen. Selbstverwirklichung, wie wir sie verstehen, wird nicht nur an materiellem Reichtum gemessen, sondern an Tugenden und Charaktereigenschaften, die der Mensch lebt und wodurch er seinen Charakter zum Ausdruck bringt. Die Bedeutung von Charakter geht über den Tod hinaus. Charakter ist das Zeugnis, das ein Mensch hinterlässt, wenn er das physische Leben auf der Erde verlässt. In der Nago-Tradition ist es üblich, die Charaktereigenschaften, die Menschen vorgelebt haben, vor ihrem Tod in einem Lied zu verfassen. Während der Trauerzeremonien wird dieses Lied für die Verstorbenen gesungen, um ihr Leben zu würdigen.
Charakter sind Werte und Tugenden, die unser Sein charakterisieren.
Ein Mensch muss zuerst lernen, menschlichen Charakter zu entwickeln, und bereit sein, die Heiligkeit des Lebens zu ehren. Ansonsten ist es nach Auffassung der Nago sinnlos, ihm Weisheitslehre zu vermitteln. Diese Haltung der Vorfahren gilt noch heute. Ohne Charakterbildung gibt es in der Nago-Tradition keine spirituelle Entwicklung. Eine spirituell oder religiös bestimmte Lebensführung ist für uns unbedeutend, wenn die Charakterentwicklung dabei fehlt. Wenn wir nicht nach menschenwürdigen Charaktereigenschaften streben, werden wir zerstörerisch gegenüber uns selbst und ebenso gegenüber der Gemeinschaft. Deshalb ist menschliche Charakterentwicklung in der Nago-Kultur das zentrale Element der Spiritualität.
Charakterentwicklung steht über aller Glaubenslehre und spirituellen Praxis. Jegliches spirituelles Wachstum führt ohne menschliche Charakterentwicklung früher oder später zum Werteverrat und Wissensmissbrauch. Charakterbildung erfolgt durch eine Umsetzung von Weisheitslehre in die Praxis, durch achtsame Worte und Handlungen, die Harmonie mit anderen stiften und erhalten. Der Wert und die Bedeutung eines Menschen bestehen in seiner Fähigkeit, eine faire und friedvolle Beziehung zum Leben und zu den Mitgliedern der Gemeinschaft zu kultivieren.
Die Nago gehen davon aus, dass jeder von uns mit dem Samen geboren wird, menschenwürdigen Charakter zu entwickeln, und dass die Potenziale für ein tugendhaftes Leben in uns angelegt sind. Eine harmonische Beziehung zum Leben und zur Gemeinschaft verlangt, dass wir diesen uns innewohnenden Samen zum Keimen bringen, wachsen lassen, lebenslang pflegen und nähren. Es geht nicht darum, Menschen einen festgelegten Wertekatalog vorzuschreiben, sondern die Potenziale für ein tugendhaftes Leben, mit denen sie geboren sind, zu fördern. Die Erziehung zu einem tugendhaften Leben mit ethischen und menschenwürdigen Verhaltensweisen in der Gemeinschaft war und ist bei den Nago noch immer ein selbstverständlicher Teil der Lehre, Mensch zu sein, und damit der Weg zur Spiritualität. Mit dem folgenden Beispiel möchte ich zeigen, wie jahrtausende alte spirituelle Traditionen zur Charakterbildung bei der Übernahme einer Führungsposition auf das moderne Leben von heute übertragen werden können.
Jeder Mensch, der bei den Nago eine spirituelle Führungsaufgabe übernimmt, wird bei seinem Amtsantritt aufgefordert, in einer rituellen Zeremonie seinem Führungsteam und seiner Gemeinschaft bekannt zu geben, nach welchen Werten er sich verpflichtet, sein Amt zu führen, und wie er die Macht, die ihm übertragen wird, ausüben will.
Vor Kurzem wurde einer meiner Cousins dazu berufen, eine spirituelle Führungsposition in Benin zu übernehmen. Die rituelle Zeremonie zu seinem Amtsantritt schloss er mit folgenden Sätzen ab:
Wenn ich mich ungerecht verhalte und mich charakterlich schlecht benehme, bitte ich euch, mich darauf aufmerksam zu machen. Wenn ich euch ungerechte Befehle erteile, bitte ich euch, dass ihr euch weigert, meinen Befehl auszuführen.
Wenn ich meine Führungsposition und Macht nutze – trotz Warnung –, um Ungerechtigkeit durchzusetzen, bitte ich euch, meinen Rücktritt zu fordern und mir die mir übertragene Macht zu entziehen.
»Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit zu erkennen, braucht niemand zu lernen.
Bei einer Buchlesung wurde ich gefragt: Wie kann man Empathie lernen? Obwohl ich mit westlicher Denkweise vertraut bin und die Frage verstanden habe, klang sie fremd und seltsam in meinen Nago-Ohren. So wie diese Frage formuliert wurde, kann ich sie den Menschen in der Nago-Kultur nicht stellen. Sie würden mich lächerlich finden. Nach dem Verständnis der Nago brauchen Menschen das, was sie in sich tragen, nicht zu lernen. Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit zu erkennen, braucht niemand zu lernen. Mit dem Sinn für Gerechtigkeit und Empathie sind alle Menschen geboren, auch wenn das Umfeld und die Umstände einen Menschen dazu bringen können, Empathielosigkeit und Ungerechtigkeit zu entwickeln. Der Mensch wird nicht empathielos und ungerecht geboren.
Jede Maßnahme, die dazu beiträgt, unser Bewusstsein für menschenwürdigen Charakter zu wecken und zu fördern, ist richtig und lobenswert. Ich mache hier darauf aufmerksam, dass eine Schulung, bei der man bestimmte Fähigkeiten lernt, nicht zu verwechseln ist mit der Förderung von intrinsischen menschlichen Fähigkeiten und Potenzialen. Ein Mensch kann durch Schulung lernen, zu reden. Das Sprechen selbst wird niemandem beigebracht. Ein Baby fängt an zu sprechen, ohne jemals das Sprechen bewusst gelernt zu haben.
Menschenwürdige Charaktereigenschaften, darunter Empathie, bedürfen keiner Schulung, sondern werden zum Keimen gebracht, um zu wachsen. Abhängig von äußeren Widrigkeiten und davon, wie nährstoffreich der Boden ist, können Menschen menschenwürdige Charaktereigenschaften mit mehr oder weniger Energieaufwand entfalten oder entwickeln. Es kann auch bedeuten, dass wir dafür die gesellschaftlichen Umstände des Umfeldes, in dem wir uns befinden, überwinden müssen.
Die Frage, die sich immer stellt: Welche menschlichen Tugenden nähren wir? Ganz egal, welche Tugenden du auch immer in deinem Leben entwickelst: Bei den Nago ist es das oberste Gebot, niemandem zu schaden, die Würde anderer zu beachten und das Gleichgewicht der Gemeinschaft zu bewahren. Wenn wir kollektiv einen menschenwürdigen Umgang miteinander pflegen, schaffen wir einen Raum, der das Bewusstsein für menschenwürdigen Charakter in jedem Individuum weckt und fördert.
Was passiert, wenn Menschen den Weg des menschenwürdigen Charakters verlassen?
Das Zusammenleben der Gemeinschaft in Frieden oder Unfrieden hängt vom Charakter ab. Sklaverei, Kolonialismus, Kriege und die Ausbeutung von Menschen, der Erde und der Natur sind einige der schlimmsten Konsequenzen, wenn wir den Weg des menschenwürdigen Charakters verlassen. Angesichts dessen, wie wir als Menschheit heute noch miteinander umgehen in der Welt, die wir geschaffen haben, fühle ich mich verpflichtet, an die Vergangenheit zu erinnern. Vielleicht kann es einige Menschen zum Nachdenken anregen, um aufzuhören, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
»Das Zusammenleben der Gemeinschaft in Frieden oder Unfrieden hängt vom Charakter ab.«
500 Jahre lang lebten die Menschen in Afrika ständig mit der Angst und dem Risiko, eines Tages gefangen zu werden und von Europäern als Sklaven nach Übersee verschleppt zu werden. So wie mit meinem Buch »Nicht jede Intelligenz ist weise« ist es ein Anliegen in diesem Beitrag, auf die Vergangenheit aufmerksam zu machen. Jedoch nicht um uns voneinander zu trennen, sondern um jeden von uns daran zu erinnern, nach Versöhnung zu streben. Ich möchte damit zu einem heilsamen und friedlichen Zusammenleben beitragen.
Die Geschichte von Sklaverei und Kolonialismus erinnert sowohl Afrikaner als auch Europäer an die Vergangenheit der eigenen Vorfahren. Ich mache immer noch die Erfahrung, dass viele Menschen in Europa nicht begreifen, dass die Nachfahren von Opfern der Sklaverei und Kolonialisierung weiterhin betroffen sind von den Schmerzen ihrer Vorfahren. Die Verletzung der Würde unserer Vorfahren ist die Verletzung unserer Würde. Selbst wenn die Wunden geheilt sind, tragen wir die Narben. Als Nachfahren einer gemeinsamen Geschichte tragen wir als Schwarze und Weiße die Last der Vergangenheit unserer Vorfahren. Ich bleibe zuversichtlich und gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir eines Tages auf beiden Seiten den Weg der Versöhnung gehen werden.
Versöhnung ist der Abschluss eines Prozesses
Ich möchte zum Nachdenken darüber anregen, wie wir bei den Nago Versöhnung verstehen und welche Schritte zur Versöhnung führen. Im afrikanischen Versöhnungsverfahren der Nago geht es um Heilung und Wiedergutmachen, um ein friedvolles Miteinander innerhalb der Gemeinschaft zu schaffen. Versöhnung heißt, einen Konflikt nach einer Aufarbeitung und einem Vergebungsprozess dauerhaft zu beenden. Die beste Möglichkeit, einen Konflikt zu lösen, sehen wir Nago in der Versöhnung.
Jedes Versöhnungsverfahren wird je nach Schwere des Konfliktes mit entsprechenden Versöhnungsriten abgeschlossen. Den Umständen entsprechend kann ein Versöhnungsritus individuell, familiär oder gemeinschaftlich durchgeführt werden. Der Versöhnungsprozess beginnt damit, dass Täter und die Vertreter der Gemeinschaft, in deren Namen sie gehandelt haben, zuerst die Opfer um Vergebung oder Verzeihung bitten, um die Chance zu erhalten, dass die Opfer ihnen vergeben.
Die Bitte um Vergebung eines Täters für das, was er jemand anderem angetan hat, kann vom Opfer angenommen oder abgelehnt werden. Erst wenn das Opfer die Bitte um Vergebung angenommen hat und dem Täter verzeiht, wird er von der Last seiner Tat befreit. Es gibt Ereignisse, die man noch nicht so weit verarbeitet hat, um zu verzeihen, während der Täter um Vergebung bittet. Ebenso kann es sein, dass ein Opfer seinem Täter niemals verzeiht. Wer das, was ihm angetan wurde, nicht verzeiht, ist nicht unbedingt verbittert oder hasserfüllt. Dieser Vergebungsprozess nimmt keinem Opfer die Möglichkeit und die Entscheidung, großmütig seinem Täter zu verzeihen, selbst wenn der Täter nicht bereit ist, Reue zu zeigen und um Verzeihung zu bitten.
Was sagt das Bitten um Vergebung über einen Täter aus?
Wer um Verzeihung oder Vergebung bittet, erkennt die Tat an. Darüber hinaus wird dieses als Zeichen von Reue, Demut und Empathie für das Opfer gesehen. Was ist jedoch die Anerkennung einer Tat wert, während man sich weigert, um Vergebung zu bitten? Ohne diese entscheidenden Schritte zur Vergebung sprechen wir bei den Nago nicht von Versöhnung.
Erst wenn du von der Erblast der Vergangenheit geheilt bist, kannst du dich vom Trauma deiner Vorfahren lösen. Wie viele Jahrhunderte sind vergangen, bis einige Nachfahren, die vom Erbe der Sklaverei und Kolonialisierung der Schwarzen durch ihre Vorfahren profitieren, die Gräueltaten ihrer Vorfahren als Verbrechen und Teile der eigenen Geschichte erkennen!
Das Versöhnungsverfahren, das unsere Ahnen uns in der Nago-Tradition hinterlassen haben, zeigt, dass Versöhnung möglich ist. Die Voraussetzung dafür ist, dass Opfer und Täter beziehungsweise die Konfliktparteien sich für die Versöhnung bereitstellen und den Weg dafür öffnen.
Frieden mit der eigenen Geschichte, mit unserer Vergangenheit und der Erblast unserer Vorfahren können wir allein mit uns selbst schließen. Doch Frieden mit sich selbst zu schließen, bedeutet noch keine Versöhnung. Allein mit sich selbst kann man sich nicht versöhnen. Für Versöhnung braucht es ein Gegenüber. Viele Nachfahren der ehemaligen Sklavenhändler und Kolonisatoren begreifen nicht, dass es zur Heilung der eigenen Seele beiträgt, wenn sie für die Vergangenheit ihrer Vorfahren um Verzeihung bitten und nach Versöhnung streben.
Die Heilung von der Last der Vergangenheit hat eine individuelle und eine gesellschaftliche Dimension. Damit du heilsame Kraft und Stärkung aus der Verbindung mit deinen Vorfahren schöpfen kannst, ist es sehr zu empfehlen, dass du dich von der Last der Energie, die sie hinterlassen haben, erlöst. Erst wenn wir von der Erblast der Vergangenheit geheilt sind, einen achtsamen und menschenwürdigen Umgang in der Gegenwart pflegen, können wir unsere Vergangenheit und die Verbindung mit unseren Vorfahren als Kraftquelle nutzen.
Welche Verstrickungen in Sklaverei und Kolonialismus gibt es in deiner Ahnenlinie? Die schädliche Energie, die diese Menschenverbrechen herbeigerufen haben, ist Unheil für die Nachfahren. Jeder von uns kann für seine eigene Heilung hinsichtlich der belasteten Geschichte seiner Vorfahren auf individueller Ebene einen Versöhnungsprozess einleiten. Spirituelle oder energetische Rituale zur Heilung der Ahnenlinie sind ohne Versöhnungsarbeit wirkungslos. Der Weg zur Versöhnung setzt voraus, dass wir in der Gegenwart menschliche Umgangsformen miteinander pflegen und Schritte einleiten, die zur Heilung unserer Beziehungen führen. Sklaverei und Kolonialismus erzeugten viele rassistische Menschenbilder, die bis heute nachwirken und die Beziehung zwischen den Nachfahren einer gemeinsamen Geschichte belasten.
Wenn wir die Geschichte der Vergangenheit nicht aufarbeiten und hinter uns lassen, werden wir nicht miteinander spielen können und Freundschaft schließen. Nago-Weisheit.
Das Leben in der menschlichen Gemeinschaft ist eine ständige Reiberei aneinander, die zwischen den Mitgliedern innerhalb der Gemeinschaft zu wohltuender Wärme oder Konflikten führen kann. Mit Versöhnung können wir eine Perspektive schaffen für eine weniger belastete Zukunft für die nächsten Generationen.
Zum Autor
Akambi Oluwatoyin ist ein afrikanischer Heilkundiger, Buchautor und Weisheitsträger eines Volkes, das die Natur und Ahnen als heilig verehrt. Von klein auf wurde er in die traditionelle Heilkunde eingeführt. Bevor er nach Deutschland kam, arbeitete er jahrelang als Assistenzheiler an der Seite seines Vaters. Auf Basis überlieferten Erfahrungswissens und der Spiritualität seiner Ahnen begleitet er seit mehr als 30 Jahren Menschen auf dem Weg der Selbstfindung und Heilung.
Akambi Oluwatoyin
Nicht jede Intelligenz ist weise
Eine afrikanische Weisheitstradition für ein menschliches Miteinander
Um die wachsenden Herausforderungen und Krisen der Welt zu meistern, braucht es mehr als die Intelligenz des Kopfes. Ist es nicht dringend notwendig, aus der Begrenzung der Intelligenz auszubrechen, um die Weisheit des Geistes zu entdecken? Wir müssen lernen, unsere Intelligenz durch Weisheit zu filtern, sonst wird sie unmenschlich. Dieses Buch öffnet die Tür zu afrikanischer Weisheit und Spiritualität und regt zum Nachdenken über Mensch-Sein und zu einer heilsamen Beziehung zum Leben an.
248 Seiten, Hardcover, € 24,00 ISBN 978-3-00-071950-9
2022 im Verlag: AKOJI Edition akoji.de
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