Lennart Trenkelbach

Lennart Trenkelbach – Esoterische Astrologie als Karte zur Seele

Eine Einordung

Astrologische Strömungen gibt es viele. Lennart Trenkelbach identifiziert zwei Hauptursachen für die Zersplitterung der astrologischen Disziplin in verschiedene Schulen und geht der Frage nach, ob es so etwas wie die »wahre Astrologie« gibt. Dabei plädiert der Autor für Offenheit gegenüber den unterschiedlichen astrologischen Strömungen und räumt mit Vorurteilen gegenüber der Esoterik auf.

Im folgenden Beitrag werde ich den Versuch wagen, mich einer wichtigen Frage der Astrologie zu nähern, der Frage des »Warum?«. Warum beschäftigen wir uns oder überhaupt irgendjemand sich mit der Astrologie? Wieso kann die Astrologie ein hilfreiches Werkzeug für jede Form des individuellen »Warums« sein?

Meine Liebe zur Astrologie entfaltete sich in meinem Leben, als sich eine tiefe Aspiration zur spirituellen Suche herauskristallisierte. Diese Suche führte mich anfangs zum Pfad des Yoga und Tantra. Beim vertieften Studium dieser Philosophien offenbarte sich für mich die Astrologie als ein wertvolles Werkzeug, um auf diesem Pfad voranzuschreiten und mir sowie meinen Klienten Orientierung entlang des Weges zu geben. Ich nehme hier mein persönliches »Warum« vorweg, denn es ist äquivalent zu dem Ziel des Yoga: spirituelle Transformation und spirituelle Befreiung. Die Realisierung des Wahren Selbst (Sanskrit: »Atman«). Diese Form der Astrologie nennt man unter anderem Esoterische Astrologie.

Was genau Esoterische Astrologie bedeutet und was der Unterschied zu anderen Arten der Astrologie oder auch der »herkömmlichen« Astrologie ist, werde ich in den folgenden Zeilen versuchen zu erläutern. Was unterscheidet das »Warum« der Esoterischen Astrologie von den anderen Beweggründen, sich mit Astrologie zu beschäftigen?

Als Astrologie-Enthusiast in unserer heutigen Zeit kann man auf eine Bandbreite von Widerständen beim Verfolgen seines Enthusiasmus treffen. Sei es der Ruf dieser Disziplin, der sich von den typischen Zweizeilern einer Morgenzeitung mit tiefgründigen zwölfteiligen Tagesweisheiten für jedes Sonnensternzeichen herleitet. Oder vielleicht doch ein akademischer Titelträger des postmodernen Materialismus, der mit emotionaler Gewissheit jegliche Verbindung zwischen Psyche und Kosmos kategorisch negiert – aufgrund wissenschaftlicher Tatsachen versteht sich.

 

Die »wahre« Astrologie

Aber selbst wenn wir angenommenerweise während unserer intellektuellen Reise an einem Punkt angelangt wären, an dem wir vorsichtig einen Zeh in die unbekannten Wasser der Astrologie tauchen und unsere ersten Erfahrungen gemacht haben, die unvermeidliche Indizien für einen Funken Wahrheit in der Lehre der Astrologie vor unsere Füße legen, so dauert es dennoch nicht lange, bis wir wieder auf einen der ohmschen Widerstände der Astrologie treffen, die augenscheinlich die Ankunft bei einer endgültigen Gewissheit erschweren sollen.

Denn auch unter Studierenden der Astrologie findet man fundamentale Streitpunkte über essenzielle Fragen bezüglich der Grundbausteine dieser Disziplin. 

»Es entstehen verschiedene »Strömungen« der Astrologie, welche jeweils die Wahrheit für sich beanspruchen.«

Das hat eine Art »Sektenbildung« innerhalb der Astrologie zufolge. Es entstehen verschiedene »Strömungen« der Astrologie, welche jeweils die Wahrheit für sich beanspruchen. Auf astrologischen Kongressen führt man sich halbherzig die Thesen der anderen Strömungen zu Gemüte, aber im Herzen existiert doch kein wahrer Konsens.

Jetzt stellt sich folgende Frage: Ist es überhaupt ein Problem, wenn es unterschiedliche Annahmen über Grundbausteine der Astrologie gibt? Ist es nicht möglich, dass zwei Gegensätze gleichzeitig wahr sind? Und ist es nicht sogar wünschenswert und weist auf eine gewisse Reife im astrologischen Diskurs hin, wenn verschiedene Positionen das derzeitige Verständnis durch ihre Gegensätzlichkeiten expandieren? Meine Antwort darauf ist ein klares und eindeutiges »Jein«.

Hierfür müssen wir uns der Materie etwas differenzierter annähern. Für mich gibt es zwei Hauptursachen für die Aufteilung innerhalb der Astrologie. Um mein Verständnis davon zu erläutern, möchte ich Sie bitten, sich einen Berg vorzustellen. Dieser Berg symbolisiert den gesamten Wissenskörper der Astrologie. Wenn wir alles, was es über die Astrologie zu wissen gibt, wüssten, würden wir jeden Teil des Berges kennen und erkundet haben. Man kann die verschiedenen Abschnitte des Berges entlang der horizontalen Achse und entlang der vertikalen Achse aufteilen.

»Jeder, der sich etwas tiefer mit Astrologie befasst, stellt unweigerlich fest, dass mehrere Wege zum Ziel führen.«

Einige vermeintliche Konflikte innerhalb der Astrologie zeigen sich entlang der horizontalen Achse, die auch den Charakter eines Paradoxons aufweisen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist die unterschiedliche Berechnung des Zodiaks mit dem tropischen oder dem siderischen Tierkreis. Oder die unterschiedliche Berechnung der Häusersysteme. Jeder, der sich etwas tiefer mit Astrologie befasst, stellt unweigerlich fest, dass mehrere Wege zum Ziel führen. Eine Konsultation bei einem vedischen Astrologen kann für jemanden, der sich bisher nur mit der westlichen Astrologie beschäftigte, vorerst befremdlich wirken. Auf einmal sind grundlegende Aspekte wie die Position der Sonne und der anderen Planeten drastisch verschoben. Dennoch wird man sehen, dass, wenn ein kompetenter Astrologe aufgesucht wurde, die Konsultation Wahrheit vermitteln wird und praktische Relevanz für das Leben mitgibt.

An dieser Stelle macht das Zitat von einem der Vorreiter der modernen Astrologie, Robert Hand, Sinn: »Was ist wahrer? Deutsch oder Französisch?« Denn obwohl hier dieselben Textbausteine der Astrologie genutzt werden, sind es zwei komplett unterschiedliche Sprachen. Durch jede kann Wahrheit vermittelt werden, aber für ein ungeübtes Ohr wird es wie eine zufällige Aneinanderreihung von Worten und Lauten klingen.

Lennart Trenkelbach

Bisher galt in meinem Studium der Astrologie der Hauptfokus der westlichen Astrologie mit dem tropischen Zodiak; die Sprache der vedischen Astrologie ist mir fern und trotzdem stelle ich unweigerlich ihren Wahrheitsgehalt fest. Ich bin zudem ein Verfechter für das wirklich tiefe Lernen und Verstehen von einer Sprache, ohne voreilig den Fokus auszudehnen, sodass man eine gewisse Meisterschaft in seinem Kompetenzbereich erlangt. Für welche Sprache man sich nun entscheidet, hängt mit einer Reihe von subjektiven Affinitäten zusammen, oft kultureller oder topografischer Natur, oder von der Affinität zu unterschiedlichen Lehrern der Astrologie.

Offenheit kultivieren

Die Fähigkeit innerlich offenzubleiben für jegliche Erkenntnispfade ein und desselben Wissenskörpers auf der Seite des Berges, die man von seinem jetzigen Standpunkt aus noch nicht in seiner Gänze wahrnehmen kann, stellt eine wichtige Eigenschaft für jeden Wahrheitssucher dar. Und das gilt ebenso Astrologie übergreifend wie für jeden anderen Wissensberg, den man besteigen kann. Man trifft sich doch immer an der Spitze des Berges, dem Ideal, der Wahrheit, dem Herzen des Wissens, aber der Pfad kann sich in Teilen oder im Ganzen unterscheiden.

Der Grund, wieso die Offenheit eine so wichtige Eigenschaft ist, sollte selbsterklärend sein. In der Geschichte der Menschheit sieht man leider unzählige Beispiele dafür, was geschieht, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden ist. Nehme man das Feld der Religion und Gottesvorstellungen. Ist es nicht im Namen aller Heiligen und Propheten der Weltgeschichte die Mission gewesen, zur Einheit, zur Liebe und zu Gott zu führen? An die Spitze des Berges? Nur durch unterschiedliche Wege? Haben nicht das Unverständnis dieser Lehren zu Trennung, zu zahlreichen Konflikten und Kriegen geführt? Einzig und allein aus einer inneren Unreife heraus, einen anderen Pfad, der sich in Methodik und Art von dem eigenen unterscheidet, als Unwahrheit zu betiteln.

»Es ist ein natürlicher Mechanismus des Egos (Sanskrit: »Ahamkara«), das zu verfechten, was innerhalb der Mauen des Bekannten liegt.«

Es ist ein natürlicher Mechanismus des Egos (Sanskrit: »Ahamkara«), das zu verfechten, was innerhalb der Mauen des Bekannten liegt. Denn alles darüber hinaus beschreibt einen vorläufigen Tod des Egos. In anderen Worten, wenn man sich für ein tieferes Verständnis öffnet, muss man zunächst die Mauern weicher werden lassen und die eigenen Glaubenssätze in Frage stellen. In der Sprache der Astrologie wird diese innere Kapazität durch die Zwillinge-Energie repräsentiert.

Unser Beispiel des Berges wird in diesem Fall besonders gut durch die Dynamik der beiden entgegengesetzten und sich gleichzeitig ergänzenden Energien von Schütze und Zwilling beschrieben. Das Zodiak-Zeichen Zwilling beschreibt unsere Fähigkeit der horizontalen Offenheit: die innere Offenheit und Neugierde für die Vielfalt der Manifestation. Wenn man eine gewisse Affinität mit dieser Energie hat, oder durch innere Arbeit diese Qualität angefangen hat, zu assimilieren, beginnt man eine Flexibilität gegenüber alternativen Wissenspfaden in der eigenen inneren Haltung zu erlangen. Es entsteht eine Offenheit für den Diskurs, eine Offenheit Fragen zu stellen und ein generelles Annehmen der Tatsache, dass es Dinge gibt, die man einfach noch nicht weiß.

Im Gegensatz dazu beschreibt die Qualität, die man erlangt, wenn man die Schütze-Energie assimiliert, die Fähigkeit, sich auf den Wesenskern auszurichten, auf die Wahrheit, das Ideal, das hinter jeglichen Unterschieden das verbindende und unveränderliche Prinzip darstellt. In unserem Beispiel ist das die Spitze des Berges, zu der all die verschiedenen Pfade führen.

Vertikale Ausrichtung

Wir kommen nun zur zweiten Ursache für die Aufteilung innerhalb der Astrologie: die Unterteilung der astrologischen Strömungen entlang der vertikalen Achse. Wir gehen von der Annahme aus, dass, wenn man irgendeiner Strömung der Astrologie folgt, man auf ein und denselben Kern stoßen wird, ein Ideal der Astrologie, eine unveränderliche Wahrheit. Ich kann schon förmlich das Zähneknirschen einiger Astrologie-Kollegen hören, denn bei dem Thema von unveränderlichen Wahrheiten kann es hitzig werden, passend zum feurigen Element des Zodiak-Zeichens Schütze. Das liegt zum Teil daran, dass wir in unserer heutigen Gesellschaft einem allgemeinen blinden Fleck unterliegen, was das Verständnis von universellen Prinzipien angeht.

Der altgriechische Philosoph Platon bezeichnet das Prinzip der unveränderlichen Wahrheiten als die »Idee des Guten«. Er beschreibt es als eine intrinsische Gewissheit, dass etwas wahrhaftig oder moralisch ist. Etwas, was wir wissen, ohne dass wir empirische Erfahrung brauchen, um dorthin zu gelangen. In seinem berühmten Höhlengleichnis dient dort der Schatten als Indikator für die Quelle des Lichtes. Für die Gewissheit, dass es eine andere Realität außerhalb der Höhle geben muss. Die Gewissheit der Existenz Sonne als Quelle des Lichtes. Diese innere Gewissheit ist der ursprüngliche Antrieb jeder inneren Wahrheitssuche.

Astronomical chart vintage

Genau diese innere Aspiration zur Quelle zu gelangen, wird in der Astrologie durch die Schütze-Energie dargestellt. Allein in der Symbolik des Schützen kann man dieses Prinzip erkennen. Die mythologische Figur des Zentauren, der mit Pfeil und Bogen in den Himmel zielt, beschreibt die Symbolik der Multidimensionalität der menschlichen Erfahrung. Halb Pferd, als Symbol unserer animalischen Triebe und Tendenzen wie Selbsterhaltungstrieb, Fortpflanzungstriebs oder Dominanzverhalten. Halb-Mensch als Symbol von erhabenen Qualitäten des Menschseins, wie die Fähigkeit zu lieben, künstlerischer Ausdruck, Vergebung, Demut sowie all die weiteren Eigenschaften, die den Menschen aus der tierischen Ebene emporheben und das schöpferische Potenzial auf einer feineren, subtileren Ebene zum Ausdruck bringen. Und als dritte Instanz: Pfeil und Bogen gen Himmel gerichtet, als Symbol des Strebens hin zur Universalität, zum Göttlichen, zu spirituellen Idealen, welches das Potenzial des Menschen widerspiegelt, das Streben und Erreichen der Transzendenz. Die Vervollkommnung des menschlichen Potenzials durch die Realisierung des innersten Wesens, die Realisierung von der Einheit mit dem schöpferischen Prinzip.

Übertragen wir dies nun auf die Strömungen der Astrologie entlang der vertikalen Achse des Berges, so können wir eine Einteilung entsprechend der Form des Berges vornehmen. Und zwar in der Hinsicht, ob sich die Art der Astrologie, mit der wir uns befassen, entweder in Richtung des Fußes des Berges orientiert ist, dort, wo der Bergrücken breiter wird und allgemein zugänglicher, oder in der Mitte des Berges mit wenig bis keiner Bewegung nach unten oder oben, oder eine Astrologie, deren Hauptfokus die Bewegung zur Spitze des Berges ist.

Esoterische vs. exoterische Astrologie

Die Form der Astrologie, die der Bewegung zur Bergspitze entspricht, kann als Esoterische Astrologie bezeichnet werden. Die Bewegung zum Fuße des Berges als exoterische Astrologie. Die Form der Astrologie, welche sich in der Mitte befindet, ohne eine spezielle dominante Richtung nach oben oder unten, definiere ich, mit der Inkaufnahme einer etwas ungerechten Verallgemeinerung zahlreicher Strömungen, als Psychologische Astrologie. An dieser Stelle ist mir wichtig hervorzuheben, dass ich durch diese Einteilung keinerlei Wertung anbringe, welche Form oder welcher Fokus in der Astrologie besser sei. Im Gegenteil, ich sehe eine Notwendigkeit für jede dieser Richtungen im Spiel der göttlichen Manifestation. Diese Art der vertikalen Einteilung definiert unser »Warum«. Was ist unser Beweggrund, wozu soll uns die Astrologie als Werkzeug dienen?

»›Esoterik‹ ist ein Begriff, der in der heutigen Zeit mit einigen negativen Konnotationen behaftet ist.«

»Esoterik« ist ein Begriff, der in der heutigen Zeit mit einigen negativen Konnotationen behaftet ist. Dies ist meiner Meinung nach nicht gänzlich unbegründet, denn vieles hat sich mit dem Titel der Esoterik geschmückt, obwohl es nicht der ursprünglichen Bedeutung entspricht. Esoterik stammt von dem altgriechischen Wort »esoterikos« ab, das »nach innen gerichtet« bedeutet. Esoterik beschreibt eine Lehre, die nur den Eingeweihten bekannt ist, denn es ist ein Wissen, das sich erst offenbart, je näher und weiter man zum Kern vorstößt, zum Inneren.

Betrachten wir nun unser Beispiel des Berges von einer neuen Perspektive, von oben. Wir sehen einen Kreis mit einem Punkt in der Mitte. Der Punkt ist die Spitze des Berges, wo all die Pfade hinführen. Es ist der innere Kern des Wissens, das Zentrum. Exoterik im Gegenzug stammt von dem altgriechischen Wort »exoterikos« ab, das wiederum »nach außen gerichtet« bedeutet. Exoterische Lehren sind Lehren, die allgemein zugänglich sind und sich mit den Phänomenen im Außen beschäftigen. Diese Form von Wissen verbleibt an der Oberfläche und zeigt keinerlei Motivation, zu tieferen Erkenntnissen vorzudringen.

Wenn wir über exoterische Astrologie sprechen, gilt die Hauptmotivation, oder das »Warum«, nicht einem Selbsterkenntnisprozess, sondern einzig der Beschreibung der Phänomene. Es kann wie eine Kartografie der materiellen Welt und teils der Psyche auf einer archetypischen Ebene aufgefasst werden. Oft besteht hier eine Trennung zwischen dem Subjekt und dem Objekt, dem Innen und dem Außen. Es gibt wenig Selbstbestimmtheit, und die Eigenverantwortung wird an die Sterne abgegeben.

Lennart Trenkelbach

Während eines gewissen Entwicklungsstadiums in der Evolution des Bewusstseins sind wir zwar offen für die archetypische Ebene der Astrologie, doch es besteht keine aktive Motivation für wahre Selbstreflexion. Hier wird die Astrologie tendenziell für äußere Ziele genutzt. Eine Vielzahl von Menschen lesen ihr Tageshoroskop, um eine vorgefertigte Beschreibung ihres Schicksals zu erhalten, oder suchen Astrologen auf, um ihr Unternehmen zum finanziellen Erfolg zu führen. Das ist auch im Rahmen der Möglichkeiten der Astrologie. Meine persönliche Meinung jedoch ist, dass es schade wäre, auf dieser Ebene zu verweilen, da die wahren Schätze der Astrologie in tieferen Ebenen versteckt blieben.

Leider ist auch diese Übergruppierung der Astrologie zum großen Teil für den schlechten Ruf der kosmischen Wissenschaft verantwortlich, da hier viel Missbrauch seitens der Astrologen betrieben wird. Auf dieser Ebene kann der Klient leicht in ein Abhängigkeitsverhältnis mit dem Astrologen geraten. Eine ähnliche Tendenz kann ebenfalls in der modernen Schulmedizin auftreten, und zwar in Form der Abhängigkeit des Patienten vom Arzt. Das Abgeben der Verantwortung für die eigene Gesundheit in die Hände des Experten. Oder das Abgeben von eigenverantwortlichen Entscheidungen des Bürgers an den Staat. Die Liste ist einfach fortzuführen. Unsere heutige Gesellschaft ist zum Großteil exoterisch motiviert. Es scheint, als sei die Bewegung Richtung Fuß des Berges, salopp gesagt der einfache Weg. Es kann verlockend sein, am Fuße des Berges zu verweilen und sich die womöglich aufkommenden Strapazen des Bergsteigens zu ersparen. Für die mutigen Wanderer jedoch, die sich nach der weiten Aussicht sehnen, schreiten wir eine Ebene weiter.

Der Großteil der heutigen Astrologie fällt in den Bereich der Psychologischen Astrologie, die in meinen Augen etwas seriöser zu betrachten ist. Hier besteht der Impuls darin, die astrologischen Werkzeuge für die psychologische Transformation zu nutzen und für das bessere Verstehen der eigenen Persönlichkeitsstruktur anzuwenden. Hier wird im besten Fall eine Eigenverantwortung vom Klienten oder Studierenden im Prozess seiner inneren Transformation verlangt. Dieser Bereich der Astrologie ist zunächst für viele Menschen zugänglich, sofern sie einen gewissen Willen in sich tragen, sich inneren Herausforderungen zu stellen. Der Hauptfokus liegt auf dem Bereich der Psyche und hat somit den Vorteil, dass es Themen wie die Seele oder vergangene Leben nicht als zwingenden Bestandteil voraussetzt, um tiefer in diese einzutauchen, und somit eine breitere Masse von Menschen in unserer heutigen Zeit erreichen kann. Das heißt nicht, dass sie ohne diese Aspekte funktioniert, aber für die praktische Nutzung ist es nicht notwendig, einen »Glauben« an tiefere spirituelle Ebenen mitzubringen.

Während eines gewissen Entwicklungsstadiums in der Evolution des Bewusstseins sind wir zwar offen für die archetypische Ebene der Astrologie, doch es besteht keine aktive Motivation für wahre Selbstreflexion. Hier wird die Astrologie tendenziell für äußere Ziele genutzt. Eine Vielzahl von Menschen lesen ihr Tageshoroskop, um eine vorgefertigte Beschreibung ihres Schicksals zu erhalten, oder suchen Astrologen auf, um ihr Unternehmen zum finanziellen Erfolg zu führen. Das ist auch im Rahmen der Möglichkeiten der Astrologie. Meine persönliche Meinung jedoch ist, dass es schade wäre, auf dieser Ebene zu verweilen, da die wahren Schätze der Astrologie in tieferen Ebenen versteckt blieben.

Leider ist auch diese Übergruppierung der Astrologie zum großen Teil für den schlechten Ruf der kosmischen Wissenschaft verantwortlich, da hier viel Missbrauch seitens der Astrologen betrieben wird. Auf dieser Ebene kann der Klient leicht in ein Abhängigkeitsverhältnis mit dem Astrologen geraten. Eine ähnliche Tendenz kann ebenfalls in der modernen Schulmedizin auftreten, und zwar in Form der Abhängigkeit des Patienten vom Arzt. Das Abgeben der Verantwortung für die eigene Gesundheit in die Hände des Experten. Oder das Abgeben von eigenverantwortlichen Entscheidungen des Bürgers an den Staat. Die Liste ist einfach fortzuführen. Unsere heutige Gesellschaft ist zum Großteil exoterisch motiviert. Es scheint, als sei die Bewegung Richtung Fuß des Berges, salopp gesagt der einfache Weg. Es kann verlockend sein, am Fuße des Berges zu verweilen und sich die womöglich aufkommenden Strapazen des Bergsteigens zu ersparen. Für die mutigen Wanderer jedoch, die sich nach der weiten Aussicht sehnen, schreiten wir eine Ebene weiter.

Der Großteil der heutigen Astrologie fällt in den Bereich der Psychologischen Astrologie, die in meinen Augen etwas seriöser zu betrachten ist. Hier besteht der Impuls darin, die astrologischen Werkzeuge für die psychologische Transformation zu nutzen und für das bessere Verstehen der eigenen Persönlichkeitsstruktur anzuwenden. Hier wird im besten Fall eine Eigenverantwortung vom Klienten oder Studierenden im Prozess seiner inneren Transformation verlangt. Dieser Bereich der Astrologie ist zunächst für viele Menschen zugänglich, sofern sie einen gewissen Willen in sich tragen, sich inneren Herausforderungen zu stellen. Der Hauptfokus liegt auf dem Bereich der Psyche und hat somit den Vorteil, dass es Themen wie die Seele oder vergangene Leben nicht als zwingenden Bestandteil voraussetzt, um tiefer in diese einzutauchen, und somit eine breitere Masse von Menschen in unserer heutigen Zeit erreichen kann. Das heißt nicht, dass sie ohne diese Aspekte funktioniert, aber für die praktische Nutzung ist es nicht notwendig, einen »Glauben« an tiefere spirituelle Ebenen mitzubringen.

Lennart Trenkelbach

Diese Art von Astrologie kann für jeden eine Bereicherung sein und viel Klarheit in das eigene Leben bringen. Allerdings ist die Psychologische Astrologie ein modernes Phänomen, und dies geht mit einer materiellen Tendenz bezüglich der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins einher. Hier findet ein fundamentales Auslassen der Wurzel der Astrologie statt, und somit können Fragen, wie der Ursprung der Astrologie und wie sie wahrhaftig funktioniert, auf dieser Ebene nicht endgültig erklärt werden. Das »Warum« auf dieser Ebene beschreibt eine klare Motivation für ein tieferes psychologisches Verständnis des Selbst und der Umwelt, setzt aber keine tiefere spirituelle Investigation voraus.

Allerdings betrachten wir aus der Sicht der yogischen Philosophie die Psyche, demnach die mental-emotionale Ebene, nicht als letzte Instanz der Realität. Die Esoterische Astrologie geht also mit der Prämisse der Existenz einer tieferen Ebene einher und geht noch einen Schritt weiter, denn sie sagt, dass die Astrologie in ihrer ursprünglichen Intention alleinig die Aufgabe hat, hinter die Persönlichkeitsstruktur zu gelangen.

Zugang zum wahren Wesenskern

Um den Unterschied zwischen den Motivationsebenen von herkömmlicher oder psychologischer Astrologie und esoterischer Astrologie, worunter zum Beispiel die karmische, spirituelle oder auch evolutionäre Astrologie fallen, genauer zu erläutern, werden wir von unserem Gedankenbeispiel des Berges voranschreiten und ein Konzept aus der yogischen Philosophie betrachten: das Konzept der fünf Koshas (Sanskrit: »Körper, Schichten«). Die Koshas beschreiben ein Modell der Manifestation, ähnlich wie das einer russischen Matrjoschka-Figur, die in sich verschachtelt ist. Je tiefer man zum Kern vorstößt, desto subtiler wird die Existenz dieser Ebene.

Die erste Ebene ist die physische Ebene, welche eng mit der zweiten Ebene, der energetischen, verbunden ist. Als dritte Instanz wird die mentale oder astrale Ebene beschrieben. Diese Ebene ist für die Astrologie besonders relevant, denn auf dieser Manifestationsschicht befinden sich unsere Persönlichkeitsstrukturen und -muster. Diese Ebene kann mit der Sprache der Astrologie definiert und verstanden werden. Als vierte Ebene folgt die supramentale Ebene und beschreibt die Instanz unseres höheren Verstandes. Hier findet das Phänomen der Intuition statt, das Verständnis von Archetypen. Auf dieser Ebene geschieht der Prozess des Wissens auf eine direkte Art, denn hier fängt die Trennung zwischen Subjekt und Objekt an sich aufzulösen.

Wir können alle Momente erfahren, in denen wir Zugang zu dieser Ebene erlangen, allerdings ist jemand, der sein Bewusstsein dauerhaft auf diese Ebene angehoben hat, vom Bewusstseinsgrad auf einer komplett neuen Wahrnehmungsebene und Intensität des Lebens angekommen. Denn auf dieser Ebene erfolgt die Erweckung der Seele und des spirituellen Herzens. Man transzendiert die individuellen Persönlichkeitsstrukturen und tritt mit einer Instanz des Selbst in Kontakt, die aus astrologischer Sicht alle zwölf fundamentalen Energien des Zodiak in sich trägt.

Sobald man zur supramentalen Ebene Zugang gefunden hat, kann man durch ein weiteres Expandieren des Bewusstseins die fünfte Ebene erreichen. Durch das Loslassen der letzten archetypischen Strukturen und Konzepte des Seins erreicht man die Ebene der Glückseligkeit. Dies beschreibt die Erweckung des vollen menschlichen Potenzials. Die Einheit mit dem schöpferischen Prinzip. Auf dieser Bewusstseinsebene existiert alleinig eine Wahrnehmung des reinen Seins und der daraus resultierenden Glückseligkeit. In anderen Worten, welche nie komplett dieser subtilen Ebene der Realität gerecht werden können, beschreiben unterschiedliche spirituelle Traditionen und Religionen dies als wahren Wesenskern.

In der Esoterischen Astrologie betrachten wir die Astrologie selbst nur als ein weiteres Werkzeug von vielen, um zu den finalen Schichten vorzudringen. Eines der Haupthindernisse, um mit den subtileren Ebenen seines Selbst in Kontakt zu treten, ist allerdings die Solidität der aktuellen Identifikation mit den unteren Ebenen. Zum Beispiel die starke Identifikation mit dem physischen Körper, jedoch genauso die starke Identifikation mit der astral-mentalen Ebene, auf welcher sich unsere Persönlichkeitsstruktur befindet. Daher wird es als eine Problematik begriffen, wenn man sich zwar mit Astrologie befasst, das Erreichen der tieferen Ebenen jedoch keine Hauptmotivation darstellt, da dies das spirituelle Wachstum beeinträchtigen könnte. Denn auf diese Weise kann sich die Identifikation mit der eigenen Persönlichkeitsstruktur noch weiter verstärken.

In vielen spirituellen Traditionen wird Astrologie genau aus diesem Grund als problematisch angesehen. Nicht, weil an dem Wahrheitsgehalt gezweifelt wird, sondern weil die Missbrauchsgefahr so groß ist, alleinig durch die Tatsache, dass man davon ausgeht, dass das Geburtshoroskop in irgendeiner Form den wahren Wesenskern beschreibe. Was durch das Geburtshoroskop ausgedrückt wird, ist ein karmischer Fußabdruck. Eine Ansammlung von abgeschlossenen und noch nicht oder nur teils abgeschlossen und verstandenen Lektionen des Lebens als Mensch auf der Erde. Dieser karmische Fußabdruck befindet sich allerdings auf der mentalen Ebene und geht nicht darüber hinaus.

»Wir sind nicht dieser Körper, sondern die unsterbliche Seele, welche ihn bewohnt.«

Aus der yogischen Perspektive gibt es zwei grundsätzliche Arten, zu den tieferen Ebenen des Selbst vorzudringen: Der erste Pfad ist der direktere. Ein direkter Sprung zur Essenz durch das Verständnis, dass alle gröberen Schichten einen illusionären Charakter in sich tragen und nicht oder nur zu Teilen die Realität widerspiegeln. Durch den alleinigen Fokus auf das Zentrum des Seins, auf die göttliche Essenz im Inneren kann eine Auflösung der Identifikation mit den unteren Schichten geschehen, denn diese kann man mit dem temporären Tragen von Kleidungsstücken vergleichen. Wir sind nicht dieser Körper, sondern die unsterbliche Seele, welche ihn bewohnt. Genauso wenig sind wir unser Verstand und die Persönlichkeit, sie sind alleinig Werkzeug und Vehikel unseres unvergänglichen Selbst. Daher wird für diesen ersten, direkten Pfad keine Esoterische Astrologie benötigt. Dieser Weg ist allerdings für den Großteil der Menschheit in unserem heutigen Entwicklungsgrad fast bis gar nicht zugänglich, da hierfür der Impetus und die Aspiration, zum Zentrum des Seins zu gelangen, im Wesen lauter sein muss als jeder andere Wunsch und jedes andere Verlangen.

Der zweite Pfad ist dagegen für jeden Entwicklungsgrad zugänglich. Auch auf diesem Pfad ist es das Ziel, zum tiefsten Wesenskern vorzudringen, allerdings wird hier keine Ebene übersprungen, sondern es wird jede Ebene Schritt für Schritt gemeistert. Durch das vollständige Absolvieren jeder einzelnen Stufe vollzieht sich eine natürliche Transzendierung auf die nächsthöhere, subtilere Ebene.

Wenn wir unseren Körper und dessen energetisches System in Einklang bringen und harmonisieren, ist der Zugang zum Mental gewährt und erleichtert. Genauso erhalten wir Zugang zur noch subtileren supramentalen Ebene, wenn wir die mentale Struktur in Einklang bringen. Einklang bedeutet in diesem Fall, die mentalen Fluktuationen zur Stille zu bringen. Einer der Wege, dies zu erreichen, ist die Erweckung des kosmischen Menschen in uns. Eine perfekte Balance und Erweckung aller zwölf Zodiak-Energien auf jedem Abschnitt unserer Persönlichkeit. Diese Abschnitte sind durch die Planeten und Häuser in der Astrologie definiert.

Die Aufgabe der Esoterischen Astrologie

Aufgabe der Esoterischen Astrologie ist es, an unserem aktuellen Blickwinkel, unserem aktuellen Verständnis der Realität anzusetzen, das durch unser Karma gefiltert wird. Dies kann durch unser Geburtshoroskop tiefer verstanden werden. Durch das Feuer der Selbstreflexion kann nun ein Wechsel des Zentrums der Wahrnehmung passieren, von seiner individuellen Wahrnehmung, basierend auf dem Komplex der Zodiak-Energien, welche man bisher manifestiert, hin zum objektiven Zentrum, von welchem aus man die Kraft des freien Willens manifestieren kann, um die Qualitäten aller zwölf Zodiak-Zeichen in allen Bereichen der Persönlichkeit anzugehen. Diese Bewegung ins Zentrum ist genau der Schlüssel und der Übergang zur supramentalen Ebene und damit der Zugang zur Seele.

Lennart Trenkelbach
Barbara Elisabeth Meisner: »Vertikale Ebene«, Ölfarbe auf Leinwand, 50 x 70 cm, 2022

In dem berühmten Buch »Autobiografie eines Yogis« werden Paramahamsa Yogananda von seinem selbstverwirklichten Meister Sri Yukteswar einige Weisheiten über die Einordnung der Astrologie auf der spirituellen Reise mit an die Hand gegeben, die nicht besser die Kernmotivation der Esoterischen Astrologie beschreiben könnten:

»Die Botschaft, die zum Zeitpunkt der Geburt kühn am Himmel prangt, soll nicht das Schicksal – das Ergebnis von Gut und Böse in der Vergangenheit – hervorheben, sondern den Willen des Menschen wecken, sich aus seiner universellen Knechtschaft zu befreien. Was er getan hat, kann er wieder rückgängig machen. Kein anderer als er selbst hat die Ursachen für die Wirkungen gesetzt, die jetzt in seinem Leben vorherrschen. Er kann jede Begrenzung überwinden, weil er sie durch seine eigenen Handlungen überhaupt erst geschaffen hat und weil er über geistige Ressourcen verfügt, die nicht dem planetarischen Druck unterliegen. […] Der weise Mensch besiegt seine Planeten, das heißt seine Vergangenheit, indem er seine Loyalität von der Schöpfung auf den Schöpfer überträgt. Je mehr er sich seiner Einheit mit dem Geist bewusst wird, desto weniger kann er von der Materie beherrscht werden. Die Seele ist immer frei; sie ist todlos, weil sie ungeboren ist. Sie kann nicht von Sternen reglementiert werden. Der Mensch ist eine Seele und hat einen Körper. Wenn er seinen Identitätssinn richtig einordnet, lässt er alle zwanghaften Muster hinter sich. Solange er in seinem gewöhnlichen Zustand der geistigen Amnesie verwirrt bleibt, wird er die subtilen Fesseln des Umweltgesetzes kennen.«

Lennart Trenkelbach

Zum Autor
Lennart Trenkelbach entdeckte bereits in jungen Jahren neben seiner Leidenschaft für die Musik sein Interesse für Themen der Philosophie und Bewusstseinserweiterung. Daraufhin entschied er mit 19 Jahren, sein Leben der Praxis des traditionellen Yoga und Tantra zu widmen. Gleichzeitig erwachte seine Liebe für das Studium der Astrologie, insbesondere für die Lehren von Steven Forrest, die er mit den Lehren des Tantra Yoga in Verbindung setzt.

esotericastrology.de

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