Über Heilungsprozesse auf Grundlage der Alchemie
Autor: Dr. Phys. Doru Bodea
Als Tradition der Transformation ist die Alchemie an der Wurzel vieler Heilungsmethoden angesiedelt. Dabei bildet sie längst nicht nur für die westliche, abendländische Kultur die Basis der dort entstandenen Heilweisen. Auch in den östlichen Traditionen lassen sich Formen der Alchemie finden. Auf diesen fußt der Ayurveda.
Der Ayurveda, die traditionelle chinesische Medizin, die traditionelle tibetische Medizin, die Homöopathie, die Spagyrik, die Allopathie und die Pharmakologie … viele Namen, die auf unterschiedliche Denksysteme und unterschiedliche praktische Prinzipien hinweisen. Einige von ihnen sind heute als Wissenschaftsformen zugelassen, andere hingegen werden (zumindest hier im Westen) noch mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. Dennoch sind sie alle auf dasselbe Ziel ausgerichtet: die Gesundheit zu bewahren oder, wenn nötig, wiederherzustellen. Aber können wir neben diesem Ziel noch etwas anderes erkennen, was sie verbindet? Viele Gelehrte und Forscher kamen zu der Schlussfolgerung, dass es eine alte Tradition gibt, die der Vorläufer von jedem dieser Systeme war: die Alchemie.
Eine zeitlose Wissenschaft
Die Alchemie wird auch die »immerwährende Philosophie« genannt, weil sie im Laufe der Menschheitsgeschichte in verschiedenen Teilen der Welt und in sehr unterschiedlichen religiösen, sozialen und kulturellen Umfeldern viele Momente des Erwachens erlebt hat. Es ist in der Tat leicht zu erkennen, dass die Alchemie seit einigen Jahrtausenden eine ständige Präsenz hat, die sich über ein weites geografisches Gebiet erstreckt, von China und Indien bis zur arabischen und hellenistischen Welt, von Babylon und Ägypten bis zur europäischen Kultur des Mittelalters. Noch erstaunlicher ist, dass die Sprache, die Symbole und die operativen Prinzipien der Alchemie weitgehend ähnlich sind, fast unabhängig von ihrem Umfeld. Und doch fühlt sich jeder Versuch, die Alchemie zu definieren, durch ihre »immerwährende« Eigenschaft als dürftig und vor allem restriktiv an. Nichtsdestotrotz betrachte ich die Alchemie als eine Philosophie der Vollkommenheit, eine Form des Wissens, die sowohl theoretisch als auch praktisch darauf abzielt, sich dem Ziel der Vollendung des Wesens, der Rückkehr zu seiner ursprünglichen Einheit, zu nähern.
Die Praxis der Alchemie erfordert die Beteiligung vieler Ebenen der Wirklichkeit (wie der körperlichen, geistigen, seelischen und spirituellen), die in harmonischer Weise zusammenwirken müssen, wobei sie als Erweiterungen voneinander verstanden werden sollten. Franz Hartmann beschreibt die Alchemie mit wenigen Worten: »Die Alchemie ist eine Wissenschaft der Seele, die aus dem Verständnis von Gott, der Natur und dem Menschen resultiert. Ein vollkommenes Wissen über einen von ihnen kann nicht ohne das Wissen der anderen beiden erlangt werden, denn diese drei sind eins und untrennbar miteinander verbunden. Dennoch ist sie auch eine Wissenschaft, die sich mit materiellen Dingen befasst, denn Geist und Materie sind nur zwei gegensätzliche Manifestationen oder Pole des ewigen Einen.« (Franz Hartmann: Alchemy. Holmes Pub Group Llc. 1824)
Die Alchemie ist in ihrer langen Geschichte als eine Suche nach dem »Stein der Weisen« bekannt. Dieser ist, sowohl für Menschen als auch für Metalle, ein mystisches Mittel zur Transformation und wird überdies »die Medizin der Menschen und Metalle« genannt. Seine Schüler waren sich darin einig, dass Metalle und Menschen von der Natur dazu bestimmt sind, sich zu entwickeln, zu reifen und schließlich den Zustand des Goldes zu erreichen: vollkommen und unzerstörbar. Ein Grund, warum Frater Albertus die Alchemie als »bewusst unterstützte Evolution« definierte, während die heutige Esoterik sie als »Erhöhung der Schwingungsfrequenz« beschreiben würde. So scheint es, dass unsere Einstellung zu einer bestimmten Lebenserfahrung darüber entscheidet, ob wir wie Gold glänzen oder korrodieren und korrumpiert werden. Nichtsdestotrotz können wir intuitiv erahnen, warum die beiden »kardinalen« Richtungen der Alchemie, die Transmutation von Metallen und die Erlangung spiritueller Vollkommenheit, in den meisten der alten Abhandlungen als gleichwertig betrachtet werden.
Transformation und Evolution
Die hier im Westen am weitesten verbreitete Ansicht über den Ursprung der Alchemie ist mit dem Namen von Hermes Trismegistos verbunden, einem legendären König und bedeutenden Priester, der manchmal sogar als Gott angesehen wird. Er gilt als Autor der »Smaragdtafel (Tabula Smaragdina)«, dem »heiligen Kodex« der Alchemisten. Dort heißt es: »Und gleich wie alles aus einem durch des einigen Schöpfers Wort entstanden: Also werden auch alle Dinge nunmehr aus diesem einzigen Ding durch Anordnung der Natur geboren.«
»Alles entstammt einer einzigen Quelle.«
Das Grundprinzip der Alchemie lässt sich sehr einfach ausdrücken: »Alles entstammt einer einzigen Quelle.« Gemeinsam mit seiner direkten Konsequenz, [deshalb] »kann alles in alles andere transformiert werden«, beschreiben die Alchemisten zusammenfassend diese tiefgreifende Wissenschaft der Transformation. Diese Quelle wird oft als »Substanz« beschrieben (manchmal ist es wirklich eine Substanz), die gewöhnlich »materia prima« genannt wird, die Urmaterie, das einzigartige, schöpferische und unzerstörbare Substrat der gesamten Schöpfung. Normalerweise ist sie für unsere gewöhnlichen Sinne nicht wahrnehmbar, nur ihre zahllosen, jedoch partiellen Manifestationen sind zugänglich. Transformation ist ein Schlüsselbegriff der Alchemie. Trans-formation, wie das Wort selbst andeutet, steht sowohl für das Wissen, über die aktuelle Form hinauszugehen, hin zu der in ihr verborgenen Quelle (einer Quelle, die irgendwie immer dieselbe ist), als auch für die praktische Fähigkeit, diese Form in eine andere umzuwandeln.
Mithilfe einer Analogie können wir verstehen, warum einige Autoren behaupteten, dass die beiden grundlegenden Formen der Alchemie ein und dieselbe sind. Die Umwandlung von Metallen in Gold bedeutet zunächst einmal, eine bestimmte Art von Substanz in eine andere umzuwandeln. Betrachtet man diesen Prozess in analoger Weise, können wir eine einfache Perspektive erkennen: Gold ist eine Substanz, die dem »Hauch der Zeit« am wenigsten ausgesetzt zu sein scheint. Außer dem berühmten »königlichen Wasser« gibt es kein natürliches chemisches Mittel, das dieses Metall angreifen kann. Dasselbe kann man von den anderen grundlegenden alchemistischen Metallen wie Blei, Eisen, Kupfer, Zinn, Quecksilber oder Silber nicht sagen. Das in diesen Substanzen »versteckte« Gold zu finden, ist gleichbedeutend mit der Suche nach der »einzigartigen und unveränderlichen Quelle«, die allen gemeinsam ist. Die Transformation eines Metalls in Gold kann also so verstanden werden, dass dieses Metall in eine »zeitlose Form« gebracht wird, die bis zu einem gewissen Grad beständig gegenüber jedem äußeren Prozess unverändert bleibt. Eine Form der Vollkommenheit.
Des Weiteren gibt die tibetische Alchemie, die vielmehr als eine innere Form der Alchemie bekannt ist, ein sehr schönes Beispiel. Wenn wir uns das gewöhnliche menschliche Bewusstsein einem Stück Kohle entsprechend vorstellen, dann ist das Bewusstsein desjenigen, der bereits die spirituelle Vollkommenheit erreicht hat, wie ein Diamant. Beide Substanzen bestehen aus dem gleichen Element, dem Kohlenstoff. Aber letzteres hat einen viel höheren Ordnungsgrad und dementsprechend bessere Eigenschaften. Holzkohle ist stumpf, undurchsichtig und relativ weich, während ein Diamant durchsichtig ist und das härteste natürliche Material darstellt, das wir kennen. Da er so robust ist, weist er ein ähnliches Merkmal auf, das wir bereits beim Gold gesehen haben: eine zeitlose Form, die gegenüber allen äußeren Veränderungen Bestand hat.
Die Übereinstimmung zwischen Mensch und Universum
Um zum Grundprinzip der Alchemie und zur Idee der Transformation als dem allgemeinen Prozess, der in jeder Form der Alchemie involviert ist, zurückzukommen, lassen Sie uns noch einmal den Text der Smaragdtafel aufgreifen:
»Wahr ist es ohne Lügen, gewiss und aufs allerwahrhaftigste.
Dasjenige, welches Unten ist, ist gleich demjenigen, welches Oben ist:
Und dasjenige, welches Oben ist, ist gleich demjenigen, welches Unten ist,
um zu vollbringen die Wunderwerke eines einzigen Dinges.«
Hier wird ein weiteres wichtiges Prinzip der Alchemie beschrieben, das manchmal als das Prinzip der Entsprechung beziehungsweise der Analogie bezeichnet wird. Wenn alles eine einzige Quelle hat, folgt daraus, dass eine gewisse Ähnlichkeit auf verschiedenen Manifestationsebenen bestehen bleibt. »Gnothi seauton«, erkenne dich selbst (und du wirst das ganze Universum zusammen mit seinen verborgenen Kräften erkennen) ist ein altgriechisches Sprichwort, das auf dem Pronaos des Apollo-Tempels von Delphi eingraviert war und dasselbe Prinzip der Korrespondenz ausdrückt. Die westliche Esoterik würde es als Ähnlichkeit zwischen dem Mikrokosmos und dem Makrokosmos bezeichnen. Ähnliche Ausdrücke finden sich auch in der östlichen Spiritualität.
Die Existenz einer solchen Ähnlichkeit (die in den meisten authentischen spirituellen Traditionen zu finden ist) wird in der Alchemie als der eigentliche Grund angesehen, warum man eine Transformation, wie die Umwandlung von Metallen in Gold oder die Erhöhung des allgemeinen Bewusstseins in einen »diamantenen« (perfekten) Zustand, durchführen kann und dies auch tut.
Westliche und östliche Alchemie
Hier, im westlichen Teil der Welt, kennt die alchemistische Tradition viele Zeitintervalle, in denen sie unterdrückt, ja sogar geächtet wurde. Dies ist ein Grund, warum sie zur »ars hermetica« wurde, wobei ihr Wissen nur unter einem schweren Schleier der Geheimhaltung und durch eine komplexe und aufwendige Symbolik offenbart wurde. Da die alten Kulturen Chinas und Indiens frei von solch starken Einschränkungen waren, entwickelten sie die Alchemie zur höchsten Kunst. Die Begriffe und Konzepte, die sie verwendeten, mögen zwar anders aussehen als die aus dem Westen, aber die tatsächlich verwendeten spirituellen Prinzipien sind dieselben.
Die taoistische Alchemie entwickelte sich in zwei Zweigen: nei tan, eine innere Abfolge von Prozessen, bei denen der Körper und die physiologischen und subtilen (energetischen) Flüssigkeiten des Körpers des Schülers sowohl das »Labor« als auch die notwendigen Zutaten für die Arbeit darstellen, und wai tan, bei dem es sich um (echte) Laborarbeit handelt. Nichtsdestotrotz liefern beide Formen der Alchemie Materialien, die als »Medizin« verwendet werden und dem Großen Werk (opera magna) helfen sollen, einen unzerstörbaren Körper zu schaffen und eine vollständige und unveränderliche Freiheit des Geistes zu erreichen.
Die tantrische Alchemie entwickelte sich in Indien und brachte zwei medizinische Traditionen hervor, die sich aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse in einer eher formalen Weise voneinander unterscheiden. Im Norden finden wir die unani-Tradition, die persische und griechische Einflüsse mit einschloss, während im Süden die siddha-Tradition, ein eher indigenes Konstrukt, entstand. Zusammen bilden sie Ayurveda (»die Wissenschaft vom Leben«), ein komplexes System interner Verfahren, das mit einem weisen Gebrauch wirksamer Heilmittel verbunden ist und darauf abzielt, demjenigen, der sie anwendet, die entsprechende Unterstützung für die spirituelle Entwicklung zu bieten. Die siddha-Tradition enthüllte eine erstaunlich große Menge alchemistischer Methoden zur »Reinigung der Metalle«, mit dem Ziel, sowohl kraftvolle Heilmittel zur Regeneration und Verjüngung des Körpers als auch zur Transformation von Metallen in Gold herzustellen. Viele dieser Methoden stehen im Zusammenhang mit der Verwendung von metallischem Quecksilber, weshalb diese Tradition als »rasa shastra«, als einer der acht Zweige des Ayurveda, und direkte Offenbarung des Gottes Shiva bekannt ist. Die tantrische Alchemie (und dementsprechend auch Ayurveda) bietet dem Schüler einen ganzheitlichen Ansatz für das Leben des Individuums, der auf die Veränderungen von Körper und Geist hinweist, die zu einem Prozess der spirituellen Erleuchtung führen werden. Alle möglichen Zustände, die von der menschlichen Körper-Geist-Seele-Struktur erfahren werden, stellen nichts anderes als die »Metalle« dar, die durch eine geeignete Form der Praxis in das unbestechliche »spirituelle Gold« verwandelt werden können.
Auch wenn historisch gesehen Ayurveda und rasa shastra als getrennte Disziplinen betrachtet werden, die jeweils ihren eigenen Literaturbestand haben, enthalten die ayurvedischen Werke eine große Vielfalt an Themen – einschließlich philosophischer und religiöser Inhalte –, wobei der Schwerpunkt jedoch auf der Medizin liegt. Die alchemistischen Werke auf der anderen Seite konzentrieren sich auf die Erschaffung und die Wirkungen eines zentralen Produkts: des Elixiers. Gleichzeitig wird dem Erreichen von Langlebigkeit und Gesundheit im Prozess der Erlangung spiritueller Erleuchtung eine extreme Bedeutung beigemessen.
Die drei Tendenzen
Kehren wir für einen kurzen Moment zu einer zuvor gegebenen Definition der Alchemie zurück: der Wissenschaft der Transformation. Das »Objekt«, das den Transformationsprozess durchläuft, wird hier im Westen als »materia prima« bezeichnet. In allen Formen der Alchemie (sei es der westlichen, der tantrischen oder der taoistischen) wird die materia prima als der »Spiegel« gesehen, in dem der Schöpfer sich selbst reflektieren und wahrnehmen kann. Dieser Spiegel ist oft als »Wasser« beschrieben worden (»und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser«, Genesis 1.1, oder die »Urwasser« in der tantrischen Tradition).
»In allen Formen der Alchemie wird die materia prima als der »Spiegel« gesehen, in dem der Schöpfer sich selbst reflektieren und wahrnehmen kann.«
Im westlichen Teil der Welt wurde die Ursubstanz in die Kraftsphäre von Neptun (dem Gott der Ozeane, oft mit einem Dreizack dargestellt) integriert, während sie im östlichen Teil zur Kraftsphäre von Shiva (dem Meister des Ur-Ozeans, ebenfalls oft mit einem Dreizack dargestellt) gehörte. Der Dreizack ist ein Symbol der Meisterschaft über die drei Welten (physische, subtile und spirituelle), aber er steht auch für die drei ursprünglichen Tendenzen, Facetten (oder Phasen) der materia prima: tamas (Trägheit), rajas (Dynamik) und sattva (Erhebung). Diese drei Tendenzen, eingebettet in das Ursubstrat der gesamten Schöpfung, sind allgemein in der westlichen alchemistischen Sprache unter den Namen Schwefel, Quecksilber und Salz bekannt.
Schwefel (der hier nicht als das chemische Element verstanden werden sollte, das normalerweise diesen Namen trägt, obwohl dies in bestimmten Situationen durchaus zutreffend sein kann) repräsentiert das Solare, das Yang-Prinzip, das fixe Element, zentral, männlich, zersetzend, elektrisch, abstoßend und im Allgemeinen jede Tendenz, die ein »+«-Zeichen hat. Diese Tendenz kann manchmal unter anderen Namen gefunden werden, wie König, roter Löwe, Feuer, Hermes, Sonne, innere Sonne oder rotes Quecksilber.
Quecksilber (auch hier sollte es nicht mit dem chemischen Element verwechselt werden) repräsentiert das Lunare, das Yin-Prinzip, das bewegliche Element, flüchtig, weiblich, magnetisch, anziehend, passiv, rezeptiv und im Allgemeinen jede Tendenz, die ein »-«-Zeichen hat. Einige andere Namen geben diese Tendenz an: feuchtes Radikal, himmlisches Wasser, »Menstra«, Königin, weißes Quecksilber, Aquila oder subtile Kraft.
Das Salz (auch hier darf es nicht mit dieser spezifischen Klasse chemischer Verbindungen verwechselt werden) stellt das neutrale Prinzip, den »Null«-Aspekt, den Hiatus, die mittlere Leere, das Element, das die beiden vorhergehenden entgegengesetzten Prinzipien integriert und somit beherrscht, und auch die spezifische »Umgebung« dar, in der sie sich manifestieren.
Jede Existenzform wird eine dieser drei Kategorien, oder spezifische Modulationen davon, annehmen. Wenn sie der materia prima einmal eingeprägt wurden, erzeugen sie danach die grundlegenden Elemente, die in der Manifestation existieren: die »Grundelemente«, oder mit anderen Worten, die tattva-s. Der gesamte alchemistische Prozess beruht darauf, zuerst diese Modulationen zu erkennen, die in den Elementen bereits aktiv sind, und dann durch eine geeignete Methodik auf sie einzuwirken, um sie in einen Zustand universeller Harmonie zu bringen, der dem Zustand der Schöpfung kurz vor ihrer Erschaffung ähnelt. Dieser Zustand ist bekannt als das alchemistische Gold, das letztendliche Ziel eines solchen Transformations- beziehungsweise Transmutationsprozesses.
»Ein Schlüsselkonzept im Ayurveda ist, dass alles, was wir essen, trinken, denken, fühlen oder tun, die Fähigkeit hat, den Einfluss der dosha-s in uns zu verändern (zu erhöhen oder zu verringern).«
Die »Grundelemente« (hier im Westen am besten bekannt als Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther) bilden wiederum die drei wesentlichen Elemente der natürlichen Welt: vata, pitta und kapha. Im Ayurveda sind sie als tridosha (die drei dosha-s) bekannt. Alles in der Schöpfung besteht aus einer spezifischen Mischung und Ausgewogenheit dieser drei. Das Wort dosha bedeutet »Defekt«, weil jede Unausgewogenheit der natürlichen Proportionen einer bestimmten Mischung den Körper zu Fehlfunktionen, später zu Krankheit und vorzeitiger Alterung oder sogar zum Tod führt. Ein Schlüsselkonzept im Ayurveda ist, dass alles, was wir essen, trinken, denken, fühlen oder tun, die Fähigkeit hat, den Einfluss der dosha-s in uns zu verändern (zu erhöhen oder zu verringern). Jede dieser Handlungen kann zu einem Heilmittel oder zu einem Gift werden, je nachdem, ob sie zu einem Gleichgewicht oder einem Ungleichgewicht dieser drei Tendenzen führt.
Reinigung mittels (Verdauungs-)Feuer
Der Alchemie-Schüler beeinflusst die materia prima, das, was umgewandelt werden soll, durch die Wirkung des Feuers. Zum Beispiel ist in der äußeren Alchemie eine bestimmte Substanz, die sorgfältig ausgewählt wurde, Gegenstand mehrerer Auflösungs- und Kristallisationsprozesse (letzterer erfordert den Einsatz einer bestimmten Form von Wärme). Auf diese Weise wird das Verhältnis der drei Grundtendenzen Quecksilber, Schwefel und Salz allmählich angepasst, bis es in einen Zustand des perfekten Gleichgewichts gebracht wird. Gleichgewicht bedeutet hier auch einen Zustand der Reinheit. Das heißt, dass durch die Wirkung des Feuers Verunreinigungen aus dieser Substanz entfernt werden, die auf diese Weise einen Zustand der »Reife« erreicht. Erinnern wir uns daran, dass die Alchemisten jedes Metall als eine »unreife« Form von Gold betrachteten.
Der Ayurveda geht davon aus, dass das Verdauungsfeuer außer Kontrolle gerät und somit ungenügend funktioniert, wenn die drei dosha-s im Körper aus dem Gleichgewicht geraten. Das Ergebnis ist die Produktion von Giftstoffen (Unreinheiten), die den Gesundheitszustand beeinträchtigen – Krankheiten können auftreten. Drei allgemeine Arten von Giftstoffen sind im Ayurveda bekannt: ama, die erste, ist der Abfall eines fehlerhaften Verdauungsprozesses. Wenn solche Abfälle im Körper stagnieren, werden sie giftiger und werden zu amavisha. Neben diesen beiden gibt es auch die Möglichkeit, Giftstoffe aus der Wechselwirkung mit der äußeren Umwelt anzusammeln, wie Pestizide, Nahrungsmittelzusätze und Schwermetalle, die allgemein als garavisha bezeichnet werden. Der Prozess der Wiederherstellung der Gesundheit kann in diesem Fall als eine spezifische Modalität zur Beseitigung eines solchen Giftes angesehen werden. Hierfür können verschiedene Arten von Medizin verwendet werden: Pflanzen, tierische Produkte oder auch Mineralien und Edelsteine (die hauptsächlich als Metallquellen verwendet werden).
Der Heilungsprozess funktioniert in diesem Fall nach einem einfachen Prinzip: Sobald das energetische Ungleichgewicht, das die Ursache einer Krankheit darstellt, mithilfe einer geeigneten Diagnosemethode festgestellt worden ist, wird ein entsprechendes Mittel oder eine Medizin verabreicht, um die fehlende Energie im Körper anzuziehen und infolgedessen das Gleichgewicht wiederherzustellen. Dieses Prinzip findet sich auch in der westlichen Alchemietradition, insbesondere in den Werken des Philippus Aureolus Theophrastus Bombast von Hohenheim (1493–1541), besser bekannt als Paracelsus.
Das Schwellenprinzip
Der menschliche Körper verfügt über ein eigenes komplexes Entgiftungssystem. Alles, was für den Körper nicht geeignet ist und durch Anhäufung zum Gift werden kann, soll ausgeschieden werden. Dabei gilt es, die Effizienz eines solchen Systems zu beachten. Die Wirksamkeit des Reinigungssystems muss dem Niveau der im Körper angesammelten Verunreinigungen entsprechen. Wenn dies der Fall ist, dann hat der Körper (aus dieser Perspektive) die Chance, ein gesundes Leben zu erhalten.
Dieses alchemistische Prinzip kann als »Schwellenprinzip« bezeichnet werden. Um es zu verstehen, können wir uns auf die besondere Situation beziehen, in welcher der Giftpegel höher als die Fähigkeit des Reinigungssystems ist, eine solche Substanz zu eliminieren. Nach diesem Prinzip »erkennt« der Körper die Substanz nicht mehr als Gift, wenn ein bestimmter Schwellenwert eines Giftes überschritten wird. Dementsprechend stoppt der Prozess der Ausscheidung, das heißt die Reinigung. Ab diesem Moment wird die Ansammlung des Giftes gefährlich und kann leicht zur Quelle von Krankheiten werden. Um eine solche Krankheit zu heilen, muss der Körper daran »erinnert« werden, dass die betreffende Substanz ein Gift ist und ausgeschieden werden muss. Um eine solche Wirkung zu erzeugen, wird aus derselben Substanz, welche die Vergiftung hervorgerufen hat, ein Heilmittel hergestellt. Normalerweise beinhaltet die Zubereitung des Heilmittels entweder hohe Verdünnungen dieser Substanz oder ihre Kalzinierung. Das Heilmittel weist nur die spezifischen in der Substanz enthaltenen Informationen auf, nicht aber die Substanz selbst. In vielen Fällen ist es notwendig, den Körper mit diesen Informationen zu versorgen, um den Entgiftungsprozess auszulösen.
Da die Informationen auf einer eher »subtilen« Ebene geliefert werden, weil es sich um ein komplexes Schwingungsmuster und nicht um eine physische Substanz handelt, können sie schnell von den Körperzellen weitergegeben werden und sogar eine »Massenentgiftung« im gesamten Körper auslösen. Ein solches Prinzip findet sich in der Homöopathie, wo oft hohe Verdünnungen bestimmter Toxine verwendet werden, um eine solche Wirkung zu erzielen. Natürlich beruht der Erfolg eines solchen Mittels ganz darauf, dass das ursprüngliche Toxin richtig identifiziert wird. Andernfalls ist ein solches Mittel ineffizient. In der Homöopathie wird dieses Verfahren »similia similibus curentur« genannt, oder »Ähnliches mit Ähnlichem heilen«.
»Man geht davon aus, dass jede Krankheit entweder mit einem Mangel oder einem Überschuss an darin enthaltenen Metallen zusammenhängt.«
Dasselbe Schwellenprinzip lässt sich bei einem völlig entgegengesetzten Phänomen beobachten. Um seinen Gesundheitszustand aufrechtzuerhalten, benötigt der Körper nicht nur eine Entgiftung, sondern muss auch einige Elemente erhalten, die für die Funktionsfähigkeit seiner Organe sehr wichtig sind. Zum Beispiel Übergangsmetalle, wie Eisen, Zink und Selen oder Alkalimetalle wie Natrium, Kalium und Magnesium. Ohne diese Elemente können bestimmte physiologische Prozesse nicht aufrechterhalten werden, was ebenfalls zu verschiedenen Krankheiten führt. Spezifisch sowohl für die Alchemie, den Ayurveda als auch für die traditionelle chinesische Medizin ist die Vorstellung, dass Metalle und insbesondere die sogenannten alchemistischen Metalle (nämlich Pb, Sn, Fe, Cu, Hg, Ag und Au) für die ordnungsgemäße Funktion des menschlichen Körpers äußerst wichtig sind. Man geht davon aus, dass jede Krankheit entweder mit einem Mangel oder einem Überschuss an darin enthaltenen Metallen zusammenhängt.
Wenn die Nahrungsaufnahme sehr arm an solchen Elementen ist oder bestimmte Substanzen (oder schlechte Gewohnheiten) verwendet werden, welche die Assimilation solcher Elemente verhindern, dann erfährt der Körper einen Mangel. Sinkt der Gehalt eines bestimmten Elements unter einen Schwellenwert, »vergisst« der Körper, es aus der Nahrung zu identifizieren, zu extrahieren und zu assimilieren. Dies führt mit der Zeit zu einem schweren Mangel, der dementsprechend verschiedene physiologische Probleme auslöst. Durch die richtige Analyse können wir den Mangel erkennen, da wir heute auf aufwendige Testmöglichkeiten zurückgreifen können. Es ist jedoch oft festgestellt worden, dass es insbesondere dann, wenn einige Elemente unterhalb bestimmter Niveaus liegen, ziemlich schwierig ist, sie zu korrigieren. In diesem Zusammenhang ist der Eisenmangel ein bedeutendes Beispiel. Die meisten der benötigten Basiselemente sind heutzutage als pharmazeutische Verbindungen erhältlich, was aber nicht bedeutet, dass durch ihre Aufnahme ein solches Mangelproblem immer gelöst wird. Manchmal scheinen selbst Langzeitbehandlungen keine befriedigenden Ergebnisse zu liefern. Darüber hinaus erzeugen synthetische Metalle oft alle möglichen unangenehmen, wenn nicht sogar gefährliche Nebenwirkungen (auch hier ist Eisen ein bedeutendes Beispiel).
Die von den Alchemisten gefundene Lösung ähnelt der, die im vorherigen Beispiel angedeutet wurde, bei dem das Problem ein zu hoher Gehalt einer Substanz im Körper war. Ein Heilmittel wird aus dem erforderlichen Element unter Verwendung geeigneter Methoden der Reinigung (viele solcher Methoden finden sich in der ayurvedischen Tradition, siehe beispielsweise »Alchemy and Metallic Medicines in Ayurveda«, Vaidya Bhagwan Dash, Concept Publishing Company, New Delhi 1986), der Herstellung hoher Verdünnungen (oder unter Verwendung eines vorhandenen homöopathischen Mittels) oder der Kalzinierung hergestellt, um nur einige Beispiele zu nennen. Für Metallverbindungen ist eine weitere sehr nützliche Modalität die Herstellung einer kolloidalen Lösung. Für diejenigen, die ein Interesse an vielleicht weniger konventionellen Therapieformen haben, ist das Impedanzgerät (Radial Appliance) ein interessantes Studienobjekt, das nach den Anweisungen des berühmten amerikanischen Mediums und Hellsehers Edgar Cayce gebaut wurde. Heutzutage kann das elektromagnetische Spektrum einer bestimmten chemischen Verbindung auch in physikalischer Abwesenheit der Substanz selbst erzeugt und dann mit einem Bioresonanzgerät in Wasser »eingeprägt« werden. Unabhängig von der für die Zubereitung verwendeten Methodik könnte ein solches Mittel den Körper auf subtile Weise daran »erinnern«, dass ein Element erforderlich ist, um so den Prozess der Identifizierung und Assimilierung dieses Elements wieder in Gang zu setzen.
Der Ayurveda, die traditionelle chinesische Medizin, die traditionelle tibetische Medizin, die Homöopathie, die Spagyrik, die Allopathie und die Pharmakologie … all diese könnten eine gemeinsame Wurzel haben, eine tiefe und komplexe Disziplin, die Alchemie genannt wird. Das bedeutet nicht, dass eine Rückkehr zu ihrer alten Methodik die notwendige Lösung ist, um all diese Richtungen wieder zu vereinen und einen außerordentlichen Fortschritt in unserem Wissen über Gesundheit zu erreichen. Wissenschaftliche und technologische Entwicklung sind sicherlich notwendig und sogar erforderlich. Aber ein richtiges Überdenken und ein echtes Verständnis der universellen Prinzipien, die den Kern der Alchemie ausmachen, könnten zumindest die geeignete theoretische Grundlage darstellen, um einige Schritte vorwärts zu einer ganzheitlichen Sichtweise über Gesundheit und Heilung zu machen, eine Sichtweise, die dem Bewusstsein hoffentlich die ihm entsprechende Position und Bedeutung verleiht.
Zum Autor
Dr. Phys. Doru Bodea (Ph. D.) unterrichtet verschiedene Yoga-Traditionen in ganz Europa. Er ist einer der führenden Lehrer der ATMAN International Federation of Yoga and Meditation und bringt einen umfangreichen wissenschaftlichen Hintergrund in Forschung und Lehre auf dem Gebiet der modernen Physik mit.
Weitere Informationen unter: http://traditionelles-yoga.de/dr-phys-doru-bodea/
Weitere Artikel zum Thema
- TV 84: Wolfgang Bauer – Die Magie des Fliegenpilzes. Ein Überblick
- TV 61: Julia Kant – Das I Ging und der Genetische Code.
Die Tao-Einheit in einer universellen Formel - TV 28: Dominik Irtenkauf – Alchemie. Ursprung der Tiefenpsychologie
- TV 03: Daniela Zander – Die Heilkunst der indischen Weisen – Ayurveda.
Ayurveda – die sanfte Naturheilkunde
Bildnachweise: © pixabay.com