Freie Frauen – ein uraltes und modernes Thema im Spannungsfeld von Wissenschaft und Mythologie
In der Antike war die Existenz der weiblichen Gesellschaften unumstritten. Sie lebten überwiegend rund um das Schwarze Meer, weshalb man es damals auch das Amazonenmeer nannte und das Herrschaftsgebiet der Frauen allgemein respektierte.
Heute wird wieder einmal das infrage gestellt, was alte Quellen schon lange bezeugten. Wollen sich die Anhänger der angeblich seit zehn Jahrtausenden bestehenden Patriarchate gegenseitig bestätigen, aus Angst vor der politisch und gesellschaftlich seit dem Zweiten Weltkrieg wieder erstarkenden Freien Frau? Hat der seit 2.000 Jahren maßgebliche Einfluss der patriarchal orientierten christlichen Kirche alle gegenteiligen Aussagen ins Abseits gedrängt? Die Katholiken vergangener Tage rezitierten oft, dass die Frauen eine Gefahr seien, sündhafte Wesen in den Augen Gottes. Mit der Vorstellung von freien, von Männern unabhängigen Frauen wollten sie ›auf Teufel komm raus‹ geistig nicht umgehen. Wurden deswegen die europäischen Hexen verbrannt?
»Allerorten und über Jahrhunderte fühlten sich die Christen von dem Freiheitswillen der Frauen bedroht.«
Allerorten und über Jahrhunderte fühlten sich die Christen von dem Freiheitswillen der Frauen bedroht. Als Hebammen beherrschten sie die Themen Geburt und Tod, bis man ihnen auch dieses Privileg nahm. Die Amazonen der Antike saßen den männlichen Machthabern als geistiges Schreckgespenst vermutlich im Nacken, und eine derartige Blasphemie des strengen christlichen Glaubens, der auf einer festgelegten Ordnung von Mann und Frau basierte – von einem männlich gedachten Gott auf Erden gegeben –, durfte nicht infrage gestellt werden. Konnte nicht sein, was nicht sein durfte? All dies sind Fragen, die ich mir im Laufe meiner Forschung zum Thema Amazonen gestellt habe.
Die Amazonen – nur ein Mythos?
Es wurde in den letzten Jahrhunderten an europäischen Schulen gelehrt, dass es Amazonen nie gegeben hätte, weil sie nur mythologisch seien. Die Mythologie ist aber die Geschichtsüberlieferung aus früheren Zeiten, in denen es keine Schrift gab und vieles mündlich überliefert wurde. Eine spätere Ausschmückung des unwiderruflichen Wahrheitskerns jeder mythologischen Überlieferung ist impliziert.
»Das Denken und Fühlen antiker und vorantiker Gesellschaften unterschied sich grundsätzlich und maßgeblich vom Denken und Fühlen der Moderne.«
Das Denken und Fühlen antiker und vorantiker Gesellschaften unterschied sich grundsätzlich und maßgeblich vom Denken und Fühlen der Moderne. Obwohl das klar und anerkannt ist, findet dieser Umstand oft zu wenig Beachtung in modernen wissenschaftlichen Interpretationen. Wissenschaftlicher Sachverstand muss mit tiefen Mythologiekenntnissen einhergehen. Vielleicht entsteht dementsprechend ein neues Bild der legendären Geschichten und wir kommen dem Wahrheitsgehalt ein Quantum näher. Als freie Journalistin und geschichtlich interessierte Autorin würde ich mir wünschen, dass einiges von den Fachleuten neu überdacht wird, zumal es inzwischen unwiderlegbare Beweise für die frühere Existenz der Amazonen gibt, auch durch archäologische Funde.
»Es gab zu allen Zeiten Frauen, die gegen das Patriarchat ankämpften.«
Es gab zu allen Zeiten Frauen, die gegen das Patriarchat ankämpften. In der Antike verteidigten sich Amazonenstämme in Afrika, in Mazedonien und in Syrien gegen Invasoren und kämpften gegen den revoltierenden, machthungrigen Sohn, den aufstrebenden Sonnengott, um das Matriarchat, ihre ureigene Kultur und die Religion der Großen Mutter zu bewahren.
Den meisten heutigen Menschen sind die Amazonen aus der griechischen Mythologie bekannt. Eine der letzten Schlachten, bevor sie ins Vergessen versanken, führten sie in Griechenland gegen griechische Männer. Diese Schlacht verloren sie letztlich, nachdem sie bis zum Tod gekämpft hatten. In Erinnerung an ihren Heldenmut wurden in ganz Griechenland Denkmäler errichtet, an den Orten, wo sie gekämpft haben und gefallen waren. Auch in der griechischen Kunst finden sich viele Darstellungen, in denen die Schönheit, die Stärke und der Mut der Frauen gepriesen werden.

Priesterinnen, Königinnen und Kriegerinnen in der Antike
Legenden erzählen, dass die Wildpferde zum allerersten Mal von Amazonen im alten Libyen (= heutiges Marokko) gezähmt und geritten wurden, und seitdem steht die Mondgöttin überall in Beziehung zu den Pferden. In den Mythen des Frauenvolkes wurde die Göttin oft als Stute verehrt. Auf Kreta zum Beispiel als Leukippe, die Weiße Stute, deren Priester kastriert wurden und Frauenkleidung trugen. Auch unter den Skythen sollen Männer freiwillig in den Dienst der Göttin getreten sein und Frauenkleidung getragen haben. Einige der Skythen ließen sich in Parthien nieder (im Norden des heutigen Iran), dem Jungfrauland, das nach der Göttin benannt war. Die Skythen wurden von Priesterköniginnen beherrscht, die gewöhnlich einzeln in reich ausgestatteten ›Kurgans‹ beigesetzt wurden. Im südlichen Russland wurden 1954 fünf Kurgans (Grabhügel/Tumuli) entdeckt. David W. Anthony schrieb 2007 über eine ähnliche Kurgan-Ausgrabung: »Etwa zwanzig Prozent der geöffneten Kurgans von Skythen– und Sarmatenkriegern auf dem unteren Don und unteren Wolga haben Frauen enthalten, die für den Kampf gekleidet waren wie Männer, ein Phänomen, das wahrscheinlich die griechischen Geschichten über die Amazonen genährt hat.«2 Nach Diodor kämpften skythische Frauen »wie Männer und sind ihnen in keiner Weise an Tapferkeit unterlegen«.3 Skythische Priesterinnen waren alt und grauhaarig, repräsentierten also wohl den Aspekt der Schwarzen Alten, den letzten Aspekt der Dreifaltigen Göttin. Sie benutzten die sogenannte Mondsichel, eine langstielige Form der Sichel, die Sense des Todes, die im Englischen heute noch ›scythe‹ heißt, als Waffe bei religiösen Zeremonien und in der Landwirtschaft. Die kleine Form der Mondsichel gebrauchten später auch die keltischen Priester, die Druiden, allerdings nur für rituelle Zwecke. Heutige initiierte Hexen tragen ebenfalls noch die kleine Sichel als Arbeitsmesser, die sogenannte Boline. Mehrere antike Autoren verorten die Amazonen mit ihren Volkswanderungen von Zentralasien bis nach Afrika, wo sie – abgesehen von ihren großen Gebieten im Nordosten/Zentralasien und in Kleinasien (Anatolien/Kappadokien) – ein großes Reich gehabt haben sollen, ein sogenanntes Amazonien. Auch verschiedene Mittelmeerinseln sollen von den Amazonen eingenommen worden sein, so zum Beispiel Malta und Zypern, mit der überlieferten Stadtgründung von Paphos. Auch Tauros, Lemnos und Lesbos sollen rein weibliche Besiedelungen gehabt haben.
Weibliche Gesellschaften
In The Paradise Papers kommt Merlin Stone zu dem Schluss, dass die geschichtliche Wahrheit über Amazonen und Göttinnen weit weg von einer männlichen Deutung liegt. Bei ihren Forschungen hat sie festgestellt, dass schöpferische Fähigkeiten, prophetische Gaben und weise Ratschläge wesentlich mehr verehrt wurden als das Kriegerische, das man in herrlicher Manier auf die Amazonen übertragen habe, als seien sie ähnlich den Soldaten eines männlichen Heeres. Die Verteidigung war nur ein Teil des Lebens im gesellschaftlich hoch entwickelten Frauenvolk und nur deshalb nötig, weil sie ihre Kultur und Lebensweise schützen wollten und irgendwann aus Not mussten. In Catal Hüyük und auch in Malta, beides uralte Besiedelungsplätze, findet man keine Verteidigungsanlagen. Die Bewohner kannten wohl keine Kriege und erst in späteren Zeiten mussten die Frauen diese unliebsame Erfahrung machen. Wahrscheinlich war es nur durch diese ursprüngliche Friedfertigkeit möglich, dass die Menschheit mehrere Millionen Jahre überleben konnte. Lebensschutz, Friede, Gesundheit, Fürsorge und Nahrungserhalt waren immer zentrale Anliegen von weiblichen Gesellschaften. In späteren Zeiten sollen sich laut Überlieferung oft zwei Königinnen die Regentschaft geteilt haben: eine für die Verteidigung und eine für die inneren Angelegenheiten des Stammes.»Schöpferische Fähigkeiten, prophetische Gaben und weise Ratschläge wurden wesentlich mehr verehrt als das Kriegerische.«Was ist wo überliefert von der Entstehung der Amazonen? Noah zeugte den Sohn Japhet, dieser hatte zwei Söhne, Gomer und Magog. Die Söhne Gomers stehen in der Bibel, doch von den Söhnen Magogs steht in der Moses-Genesis nichts. Stattdessen sprechen die irischen Quellen von den Söhnen Magogs. Das Leabhar dhroma Sneachta erzählt von den drei Söhnen des Magog: Jobhath, Baath und Fathochta. Von Noahs Urenkel Jobhath sollen die Amazonen, die Baktrier und die Parther abstammen 5, die dadurch miteinander verwandt wären, durch eben den gleichen Stammvater. Laut der irischen Quellen soll vom zweiten Sohn Baath Fenius Farsa abstammen, skythischer König und der legendäre Stammvater der Gälen in Irland und Schottland. Von Fathochta soll Partholon abstammen, der gemäß den Überlieferungen die erste Kolonie in Irland nach der Noah-Sintflut begründete. Die irischen Nemediens, die Firbolgs, die de Danann (= Stamm der Göttin Dana), die Amazonen und andere wie die Langobarden, Hunnen und Goten sowie viele andere Nationen sollen von Magog abstammen, und »sie alle kamen ursprünglich aus Skythien«.6 Die Amazonen entstammen, genauso wie die Sauromaten (Sarmaten), in denen sie später aufgingen und die ebenfalls zur (vor-)kelto-skythischen Geschichte gehören, einer ursprünglich iranisch-aryanamischen Genese. Über das Gebiet der Aryanam (›Arier‹) und ihre Fluchtwanderungen nach der Noah-Flut bis ins heutige Deutschland schreibe ich ausführlich und ohne Neonazi-Geschmäckle oder elitären Anspruch im Buch ›Volk des Lichts‹. Als Amazonen bezeichneten die Griechen kämpferische Frauen, mit denen sie bei ihrer Ausbreitung nach Kleinasien (Türkei) in Kontakt gekommen waren. Die Frauen züchteten Pferde, die sie als heilige Tiere verehrten, sie galten als fulminante Reiterinnen. Man nannte sie auch die Töchter des weißen Pferdes, nach der Mondgöttin und dem Gott Poseidon/der Göttin Oseidon, dem/der ebenfalls weiße Pferde heilig waren. Die amazonische Hauptwaffe bestand aus Pfeil und Bogen. Oft sagt man ihnen nach, dass sie ihre rechte Brust entfernten, um ungehindert den Bogen spannen zu können, aber wahrscheinlich ist das ein Ammenmärchen; griechische Darstellungen zeigen keine Verstümmelungen. Mag sein, dass diese Idee aus uralten asiatischen Bildern entstand, die das Ur-Androgyne zeigen, denn hier wird eine männliche und eine weibliche Seite der Ganzheit gezeigt, was sich in der engen Verbindung der Amazonengöttin Artemis mit ihrem Bruder und Gefährten Apollon widerspiegeln könnte. Das Frauenvolk siedelte außerhalb Afrikas hauptsächlich im nordöstlichen Teil des Kaukasus am Kaspischen Meer, in ›Keraunien‹, bis hin zur östlichen Schwarzmeerküste und außerdem an der Südküste des Schwarzen Meeres. Pausanias schrieb, die Amazonen bewohnten »die Gebiete des Kaukasus, die sich zur Hyrkanischen See (= Kaspisches Meer) hinab erstrecken«. Metrodorus und Hypsikrates sagten, das Frauenvolk würde »an der Grenze zu den Gargariern im nördlichen Vorgebirge des Kaukasus leben, das ›Keraunische Berge‹ genannt wird«. Auch Strabo verortet sie dort.7

Amazonen in anderen Regionen Europas
Merkwürdigerweise haben Archäologen im skandinavischen Norden Funde aus der ältesten Eisenzeit (ca. 500 v. Chr.) ausgegraben, die sie einem Amazonenvolk zuordnen. In Finnland soll es Funde geben, die auf einen kulturellen Austausch zwischen dem Ural über das Baltikum bis schließlich nach Skandinavien weisen.11 Die Wikinger hatten Frauen als Häuptlinge, wie schwedische Quellen belegen. Auf dem Festland hatten die keltischen und germanischen Freien Frauen zudem mehr Rechte, als wir heute denken. Es gab ›Walküren‹ und ›Hexen‹, die nach dem 9. Jahrhundert im keltischen Kulturbereich auch als Kriegerinnen bezeichnet wurden. Von germanischen Frauen wissen wir, dass sie oft mit den Männern gemeinsam in die Schlacht zogen und den Feinden mit ihren gellenden Zauberliedern das Fürchten lehrten. An geschlechtlicher Gleichberechtigung, auch in politischen Bereichen, standen unsere Ahninnen jedenfalls den heutigen Frauen in Europa in nichts nach. Es geht die Legende, dass ›nordische‹ Amazonen zum Fluss Tanais/Don zogen, wo sie nach Ansicht antiker Autoren mit männlichen Skythen zusammentrafen und sich mit den sogenannten Gargariern sexuell vereinigten. Sie gebaren angeblich deren Kinder, und die Mädchen wurden allein von den Amazonen großgezogen, während die Jungen bei den Männern in Obhut blieben. Die Gargarier sollen ein benachbarter und dann allmählich vermännlichter Stamm gewesen sein. Der östlich fließende Don aus dem Asowschen Meer ist mit der Wolga verbunden, sodass das wehrhafte Frauenvolk später entlang der Wolga weiter östlich zog (siehe Kurgan-Funde). Um 1.000 bis 500 v. Chr. gingen sie in den matriarchal geprägten nomadischen Stämmen der eurasischen Steppe (Sarmaten, Skythen) auf.12Das Amazonenmeer
Als antikes Allgemeinwissen galt, dass ab dem dritten Jahrtausend v. Chr. die Amazonen in Kleinasien, auf Lemnos (Insel westlich der Troas), an der nordöstlichen Schwarzmeerküste sowie an der Südküste große Städte gründeten. Die Hauptstadt Themiskyra an der Südküste hieß wie die Landschaft, in der sie lag: eine fruchtbare, große Ebene im Norden Kleinasiens. Wichtig waren die Flüsse Thermodon (heute: Terme Cay) und Iris. Von diesen Flussmündungen verkehrten die Schiffe der Frauen ins Weiße Meer (so hieß das Mittelmeer in der Antike). Das Frauenvolk schuf eine hoch entwickelte Kultur mit Stadtanlagen, mächtigen Festungen und geheimnisvollen Heiligtümern! Der östliche Teil von Limnos (altgriechisch: Lemnos) vor der Troas sieht wie eine Mondsichel aus, sodass das Eiland sicher gern von den Amazonen erobert und besetzt wurde. Lemnos war mythologisch das Domizil des Feuergottes Hephaistos, der vor Ort wegen der Vulkantätigkeit eine Metallschmiede gehabt haben soll. In trojanischen Zeiten muss hier ein Zentrum der Schmiedekunst gewesen sein, wo die Frauen ihre sagenhaften Doppeläxte als Kultwaffen gefertigt haben. Lemnos wurde 700 v. Chr. von den Tyrsenern erobert, die bestimmte Bevölkerungsteile auf der nordwestlichen Troas repräsentierten.
Noch im 5. Jahrhundert n. Chr. wurde das Schwarze Meer allgemein Amazonenmeer genannt. Eben deshalb, weil sich die Menschen erinnerten, dass sich die Frauenkultur nicht nur in asiatischen Grassteppen, sondern auch rund um das Schwarze Meer ausgebreitet hatte. Dass es Amazonen gab und sie einen weitreichenden räumlichen und zeitlichen Einfluss besaßen, steht außer Frage und wird immer mehr belegt. Die Ungläubigen sind gestern wie heute diejenigen Wissenschaftler, die ideologisch einer patriarchalen Geschichtskultur anhaften.
Was bedeutet Amazone?
Letztlich ist die Bedeutung des Namens wissenschaftlich bisher nicht gesichert. Warum nicht? Für mich ist das nicht nachvollziehbar, da die mythisch-religiöse Bedeutungswelt dieser Frauen offensichtlich ist, sodass ich eine linguistische Annäherung wage: Die Bezeichnung des Volkes ist von altpersisch uma sonna abgeleitet, was Töchter der Uma (Mondgöttin) bedeutet. Uma entstammt indoarischen Sprachen, meint den gnädigen, mütterlichen, mondhellen Aspekt der Großen Göttin. In alten vedischen Zusammenhängen deutet der Begriff auf übersteigerte Askese in jeder Form, was grundsätzlich ebenfalls zu Amazonen passen würde. Ama/Amme (Mutter, Säugende) meint gleichbedeutend die Wortwurzel -uma. Uma heißt auch aktuell eine hinduistische Göttin, Beiname von Parvati, der Mutter der Welt, was ›die Segnende, Gnädige‹ oder ›die Glänzende‹ bedeutet. Der Sonnen-Aspekt der indischen Uma heißt Gauri. Parvati selbst nennt sich in der hinduistischen Mythologie Gauri (= die Blonde, Goldene, Helle, Glänzende, Weiße). Sie ist die ›Kuh des Gaur‹ (= Bos gaurus), ein Beiname von Varunas Frau (s. den iranischen Gott Varuna). Waren die Amazonen blondhaarig? In der iranischen Mythologie ist Ama eine weibliche Gottheit des Mutes und der Kraft, analog zum griechischen Kampfgott Ares. So ist es aus dem Avesta übertragen, dem heiligen Buch des Zoroastrismus. Es wäre logisch, wenn sich Amazonen selbst so gesehen hätten, da sie Ares (römisch: Mars) als männliche Variante von Mut und Kraft verehrten. Zone wird allgemein mit (griech.) Gürtel übersetzt. Der ›Chiton‹, die kurze Bekleidung der Kampfweiber, wurde in der Mitte durch einen Gürtel zusammengehalten, in doppelter Gürtung mit dem vollständigen Wehrgehänge. Amazone hieße in der ersten Version zusammengesetzt ›Gürtel der Großen Mutter‹ oder ›Kraftgürtel‹. In der griechischen Mythologie gibt es den Zaubergürtel der Amazonenkönigin Hippolyte. Ursprünglich soll der kostbare Gürtel dem Gott Ares (Mars) gehört haben, doch das scheint ein Ammenmärchen zu sein, denn sogenannte Zaubergürtel entwickelten sich frühzeitlich aus einer weiblich orientierten Symbolik, die später von männlichen Helden übernommen wurde. Hippolytes edler Gürtel wurde von Herakles entwendet, der deshalb viele ihrer Kriegerinnen tötete. (Anmerkung: In anderer Variante erinnert der Zaubergürtel an Donar-Thor, der ebenfalls einen ›Gürtel der Kraft‹ besaß und mit Ares-Mars verglichen wird. Der magische Gürtel lässt außerdem an das ›Halsband der germanischen Göttin Frija/Freia‹ denken: das ›Brisingamen‹.) (Anmerkung: In der nordischen Mythologie haben die sieben Zwerge den magischen Halsring aus edlen Steinen geschmiedet und der Liebesgöttin für den von ihnen gewünschten Beischlaf geschenkt.) Zone begreift man darüber hinaus als Region eines örtlichen Herrschaftsbereiches. Der gesamte Begriff Amazone hieße demnach in dieser zweiten stimmigen Version Reich der Großen Mutter. Es gibt zusätzlich eine dritte Herangehensweise: Zone verstand man in der Antike als den keltischen ›Tanz der Bäume‹. Wie Apollonius Rhodius erzählt, »stehen die wilden Eichen noch in meinen Tagen in geordneten Reihen bei Zone in Thrakien«. Falls die Bäume wie zum Tanz kreisförmig angeordnet waren, so würde das bedeuten, dass sie nicht ein starres geometrisches Muster, ein Quadrat, ein Dreieck oder eine Gerade, sondern ein Gerundetes aufwiesen. Die Zone, die hier etwas Rundes andeutet, Umhegtes und Abgezirkeltes, verweist somit auf den rituellen Rundtanz der Göttin. Der Kreis von Eichen stand wie ein grüner Ring oder Kreis. Die Eichen sind als Wächter im Sinne der Naturreligion um einen Tanzboden herum platziert. Möglicherweise war die Zone ein breiter Gürtel von doppelreihig gepflanzten Eichen, der in einer Weise gepflanzt und gewunden war, dass die Bäume spiralförmig zum Mittelpunkt und wieder hinaus zu tanzen schienen.13 In der schönen Zone fand vermutlich ein orgiastischer Tanz der ›gelösten Gürtel‹ statt, denn ›Zone‹ bedeutet im Griechischen Hochzeit oder Geschlechtsakt beziehungsweise das Entkleiden der Frau. Wenn das so war, sollten wir den nackten Spiraltanz zu Ehren der Göttin im Eichenbaumkreis für wahr genommen halten. Vermutlich paarten die Amazonen sich rituell auf diese Weise in (der) Zone mit auserwählten Männern. Das mutige Frauenvolk besaß eine matrilineare Regel der Abstammungslinien, was auf eine sehr alte Kulturform deutet. Auch das Trinken der milchigen Droge Soma (Anmerkung: Soma ist nach meiner Recherche Opium gemischt mit Weinraute.) passt zu den Amazonen und den Fruchtbarkeitsfesten, da Mutter-Kulte häufig mit der Verehrung einer das ›Leben schenkenden Weltenkuh‹ (Nordisch: Audumla; Ägyptisch: Hathor) und der nährenden Milch einhergingen. Der matriarchale Fruchtbarkeits-Ritus wurde später durch den ebenfalls sehr verbreiteten patriarchalen Stierkult abgelöst. (Anmerkung: Bei dem Flussnamen ›Amazonas‹ weiß man nicht, ob der Name die Umdeutung eines indigenen Wortes durch die europäischen Eroberer ist oder ob der Fluss nur deswegen so genannt wurde, weil die Eindringlinge glaubten, indigene wilde Amazonen gesehen zu haben.) Die Labrys, auch Doppelaxt oder Amazonenaxt genannt, meint eine Axt mit zwei gegenüberliegenden gerundeten Schneiden, die ab ca. 2.000 v. Chr. in der frühen Bronzezeit als Kultgegenstand oder Statussymbol Verwendung fand, vereinzelt schon früher. Als Waffe wurde sie zum Beispiel in Persien verwendet. Das Wort ›Labrys‹ wird allein bei Plutarch überliefert und von ihm aus Kleinasien hergeleitet. Sie erscheint zuerst im fünften vorchristlichen Jahrtausend als Glück bringendes Amulett nahe der mesopotamischen Stadt Ninive. Die Labrys war als Kultgerät, nicht als Waffe, während der alten minoischen Kultur 2.000 bis 1.000 v. Chr. auf der Mittelmeerinsel Kreta in häufigem Gebrauch. Manche der gefundenen Äxte dort waren mehr als mannshoch und wurden für Opfer-Stiere verwendet, die in der minoischen Kultur eine wichtige Rolle spielten. Bei Ausgrabungen im Palast von Knossos wurde das Symbol der Labrys häufig entdeckt.14 Nach den archäologischen Funden deutet man die Doppelaxt als zeremonielle Waffe von Priesterinnen der Jungfrau (= Weiße Göttin), als Symbol der Fruchtbarkeit und heiliges Symbol der Minoer. Erforscht ist die Labrys durch die Funde im minoischen Kreta. Möglicherweise hängt in Kreta das Kultgerät mit dem Wortstamm von Labyrinth zusammen. Was bedeutet ›Labyrinth‹? Henry M. Sayre vermutet, dass die Minoer den komplex gebauten Palast von Knossos, aufgrund der zahlreichen Abbildungen von Doppeläxten im Palast selbst, ›Haus der Doppeläxte‹ nannten (= labyrinth) und das Wort später die Bedeutung ›Irrgarten‹ erhielt.15 Karl Kerényi beschreibt ›Labyrinth‹ als »Steinbruch mit vielen Schächten und Gängen«.16 Das erinnert an die unheimliche Sage vom Minotaurus und von seinem Aufenthaltsort sowie den Ariadne-Faden im verzweigten Gefängnis. In Schweden wurden Doppeläxte aus reinem Felsgestein mit halbmondförmig geschweiften Schneiden gefunden und der Schnurkeramik zugerechnet beziehungsweise der Streitaxt-Kultur (2.800 bis 2.200 v. Chr.). Die Doppelaxt war angeblich auch die Waffe des berühmten keltischen Fürsten Vercingetorix aus Gallien. Im feministischen Zusammenhang steht die Doppelaxt heute für die Vision einer matriarchalen Gesellschaft oder für den Glauben an die Muttergöttin. Erst in dritter Version gilt sie als Zeichen für eine lesbische Sexualität. Gestern wie heute faszinieren uns Überlieferungen und Forschungen von weit verbreiteten matrilinearen Gesellschaften, die einer anderen Struktur und anderen Zielen folgten, als wir es heute gewohnt sind. Wir wissen nicht viel, da seit langer Zeit das Thema totgeschwiegen wird. Nun kommen immer mehr archäologische Funde ans Tageslicht – und die alten Geschichten erweisen sich wieder einmal als wahr! Die Amazonen waren sicherlich keine Opfer, wie aktuell viel zu viele Frauen unserer globalen Gesellschaft! Sie waren freie Heldinnen ihres eigenen Lebens. In diesem Sinne könnten die Frauen zum Wohl unseres Planeten und der ungeschützten Kinder sowie für ihre ureigenen gesellschaftlichen Vorstellungen wieder einmal ihre starken Stimmen erheben und kämpfen. Der Kampf hat sich verändert und findet hoffentlich zukünftig nur geistig statt. Die Freien Frauen von damals mussten körperlich für ihre Freiheiten kämpfen, um ihr Wertesystem zu erhalten. Denn ich glaube, eine Frau will von einem Mann das Gleiche wie ein Mann von einer Frau: Respekt!
Zur Autorin
Eire Rautenberg (geb. 1956 in Dortmund) schreibt seit ihrer Jugend Lyrik und Prosa, die in zahlreichen eigenen Werken, Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht wurde. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ist sie als Freie Journalistin tätig. 1984 war sie Gründerin und Inhaberin der bekannten Buchhandlung Pentagramm in Dortmund. Als Verlagsvertreterin bereiste Eire NRW von 2003 bis 2006 und gründete 2007 ihre eigene Media-Agentur Rautenberg. Seit zehn Jahren ist sie als Dozentin im Bereich Literatur und Dichtkunst an Hochschulen tätig und leitet Seminare in den Bereichen Lebenshilfe und Naturreligion. Im September 2021 erscheinen zwei neue Sachbücher. Alle Informationen finden Sie auf:
eire-rautenberg.de
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