Ein zu neuen Klangerfahrungen inspirierendes Essay mit praktischen Übungen
Autoren: Miroslav Großer und Birge Funke
Klang ist als unsichtbare und uns stets begleitende Kraft eine nährende Quelle, aus der wir magische Energien schöpfen können. Häufig schenken wir diesem Phänomen keine allzu große Beachtung. Wenden wir uns jedoch dem Klang mit all seiner Mystik zu, können wir menschliche Sehnsüchte stillen und Dimensionen erfahren, die unser irdisches Erleben übersteigen. Die Autoren geben uns praktische Übungen mit auf den Weg, mithilfe derer wir die Sphäre des Klanges besser in unser Leben einpflegen können und so unsere Verbindung zur Existenz verstärken.
»When I am silent, I fall into a place, where everything is music.«
Rumi (1207–1273)
Angenommen der Klang wäre ein hochintelligentes Wesen, dann könnte es vielleicht möglich sein, mit ihm zu kommunizieren. In Vorbereitung auf diesen Artikel haben wir mithilfe dieser Vorstellung den Klang um Unterstützung gebeten und insofern entstand dieser Artikel sogar aus dieser Kommunikation heraus. Er fragte: »Was glaubst Du, ist meine größte Sehnsucht?« Seine Antwort auf seine eigene Frage war folgende: »Meine größte Sehnsucht ist es, euch möglichst viele eurer Sehnsüchte zu erfüllen.« Und dann trugen wir gemeinsam die hier aufgeführten Sehnsüchte zusammen, die der Klang dem Menschen zu erfüllen in der Lage ist.
»Meine größte Sehnsucht ist es, euch möglichst viele eurer Sehnsüchte zu erfüllen.«
Mensch und Klang
Es liegt in der Natur des Klanges, dass wenn man ihm begegnet, er essenzielle Bedürfnisse des Menschen befriedigt, die den Klang als einen äußerst begabten Allrounder erscheinen lassen. So werden wir im Folgenden exemplarisch einige menschliche Sehnsüchte zur Sprache bringen, die der Klang uns erfüllen kann. Dabei beziehen sich die beschriebenen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Klang auf natürlich und sensibel erzeugte Klänge von Stimmen und akustischen Instrumenten.
Die Sehnsucht nach Geborgenheit
Wie und wann nimmst du Geborgenheit wahr? Spürst du dann auch dieses Wohlgefühl in dir, das wie im Dialog mit deiner Umgebung und deinen Mitwesen zu sein scheint? Als ob ihr euch einander einfach nur guttut? Dann ist keinerlei Gefahr oder Bedrohung wahrnehmbar, nur dieses tiefe Spüren von »Hier darf ich sein, wie ich bin«. In vielen Menschen wird dieses Gefühl in sich durch die Wirkung von angenehmen Klängen verstärkt. Denn diese bauen ein harmonisches Schwingungsfeld auf, das den Menschen umgibt und auf vielen Ebenen durchdringt. Die einfachste Version davon ist das genussvolle Summen, das wir manchmal spontan erklingen lassen, wenn uns etwas behagt. Du kannst dieses angenehme Summen jedoch auch bewusst verlängern, sodass die Klangschwingungen eine Art Selbstmassage-Gefühl erzeugen durch die im Körper sinnlich wahrnehmbaren Vibrationen. Eltern nutzen diesen Effekt auch, um ihr Baby zu beruhigen oder in den Schlaf zu summen. Mittlerweile gibt es ganze Bücher über die Heilkraft des Summens. So nimm die hier beschriebenen Klangerlebnisse gern als Einladung, sie dir oder einem anderen Menschen – vielleicht sogar gleich jetzt – zu gönnen.
Die Sehnsucht nach Frieden
Verwandt mit dem Gefühl der Geborgenheit ist das des Friedens. Denn wenn du dich geborgen fühlst, wird es friedlich in Dir, stimmtʼs? Klang hat durch seine kontinuierliche Schwingungsnatur etwas Befriedendes und führt durch das Nachschwingen und Verklingen in der Stille in eine innere Ruhe. Auch dieses Phänomen wenden Eltern intuitiv an, um ihr Kind zu beruhigen. Wir Erwachsene nutzen Klänge häufig, um den in uns manchmal wirkenden Stress im besten Fall auf null zu reduzieren.
»Klang hat durch seine kontinuierliche Schwingungsnatur etwas Befriedendes und führt durch das Nachschwingen und Verklingen in der Stille in eine innere Ruhe.«
Das gilt für das Hören von Musik im Auto ebenso wie für das aktive Singen und Musizieren. Hierbei wirkt das Prinzip der Selbstregulation, das uns ermöglicht, über den Klang alte, fremde und überflüssige Schwingungen abzubauen, die unseren inneren Frieden in irgendeiner Weise gestört oder aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Wenn du ein Instrument hast oder singst, beobachte doch mal, wie mit jeder Minute Klangwirkung dein Geist und auch dein emotionales Schwingen ruhiger werden, als ob der Klang dich in den Frieden führt – mit Dir selbst und auch mit der Welt. Sollte kein Instrument oder kein Song verfügbar sein, dann lass doch einfach ein paar Vokale schwingen, um die wohltuende Wirkung deines eigenen Stimmklanges und den damit einhergehenden Frieden zu spüren.
Die Sehnsucht nach Verbundenheit und Miteinander
Klang verbindet uns – mit unserem Körper, unseren Gefühlen und mit unserer direkten Umgebung. Doch auch mit unserem Geist, unserer Seele und mit nichtphysischen Welten, die je nach Klangqualität mehr oder weniger stark aktiviert werden. Rhythmische Musik bringt uns in der Regel stärker in Kontakt mit unserer Physis und lässt uns sogar mittanzen bis hin zum Gefühl des Eins-Seins mit der Musik.
Klangübungen © Funke/Großer
Sphärische Musik hingegen führt uns mehr in die Weiten unseres Geistes. In Abhängigkeit von den verwendeten Texten kommen wir auch in Kontakt mit bestimmten Themen, die mehr oder weniger stark mit uns resonieren. In jedem Fall durchschwingt der Klang mehrere Ebenen unseres Seins und manchmal sogar alle, also die physische und emotionale, die mentale, energetische und spirituelle Ebene. Diese Klangerfahrung können wir nutzen, um das Gefühl der Ganzheit in uns zu erhöhen und um unser Verbundenheitsgefühl mit uns selbst auch über den eigenen Körper hinaus auf andere Menschen zu erweitern. Besonders gut gelingt dies natürlich beim gemeinsamen Musizieren, also nutze die dabei entstehende Resonanzerfahrung doch mal mit FreundInnen oder in der Partnerschaft, um eure bereits existierende Verbindung zu stärken. Macht es euch einfach und versucht dabei, Überforderungen und Leistungsansprüche zu vermeiden, um das gemeinsame Schwingen besser genießen zu können. Denn dies kann eine gute Basis sein, um auch andere Projekte in der verbesserten Teamenergie produktiv anzugehen. Erstaunlicherweise funktionieren diese Prinzipien auch mit zuvor fremden Menschen und fördern das Gruppengefühl. In der Natur können wir unter der Wirkung von Klängen sinnlich erleben, wie sehr wir mit ihr verbunden sind und wie viel Hoffnung es gibt, auch wieder mit ihr im Einklang schwingen und leben zu können. Auch im Business-Bereich werden immer häufiger musiktherapeutische Elemente genutzt, um neue gemeinsame Schwingungsräume und damit Verbundenheitserfahrungen zu erschaffen.
Die Sehnsucht nach Entgrenzung und Bewusstseinserweiterung
Die durch Klänge erzeugte Verbundenheit kann weit über das individuelle körperliche Sein in den unendlichen Raum hineinwachsen und so eine weitere Sehnsucht des Menschen erfüllen, denn intuitiv wissen wir alle, dass wir von unserem Bewusstsein her mehr sind als die menschliche Persönlichkeit, die sich unterschiedlich clever in der Gesellschaft arrangiert. Klänge erinnern uns an die wahre Größe unseres Seins, indem sie unseren Geist weiten und in einen erweiterten inneren und äußeren Raum fliegen lassen. Regelmäßig berichten Menschen nach Konzerten, Klangbehandlungen, Musik- und Gesangsessions sowie anderen Gruppenerfahrungen von dem Gefühl der Auflösung jeglichen Zeitempfindens und von inneren Reisen, die sich extrem real in ihrer Intensität auch auf körperlicher Ebene anfühlen, in der Emotionen und Gedanken ebenfalls sensorische Reaktionen bewirken. Natürlich ist dies auch eine Frage der individuellen Sensitivität gegenüber der Welt des Klanges, doch eben diese Sensibilität – auch die für die Welt an sich – lässt sich maßgeblich durch Klangerfahrungen erhöhen.
»Klänge erinnern uns an die wahre Größe unseres Seins, indem sie unseren Geist weiten und in einen erweiterten inneren und äußeren Raum fliegen lassen.«
Bist Du daran interessiert und bereit dafür? Dann lass dich auf folgende Übung aus dem Nada-Yoga, dem Yoga des Klanges, ein, in dem der Klang als ein Medium genutzt wird, um den Yoga-Zustand zu erlangen, also die sinnlich erfahrbare Einheit von individuellem Körper und Geist, sowie von dem, was darüber hinaus schwingt.
Das Wort »Brahmari« stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet die Hummel, ein Insekt, das beim Fliegen einen tiefen Brummton erzeugt. Diesen Brummton versuchen wir zu imitieren, indem wir mit geschlossenem Mund entspannt einen tiefen Summton erklingen lassen. Lass hierbei den Kiefer möglichst locker, also die Zahnreihen getrennt. Das Besondere bei dieser einige Minuten dauernden Übung ist das gleichzeitige Shanmuki-Mudra, also das sogenannte Verschließen der äußeren Sinne mit den Fingern, das du in einer vereinfachten Variante durch das Bedecken deiner Augen mit deinen Fingern umsetzen kannst, während du mit den Daumen deine Ohren zuhältst. Um die besondere Wirkung des Knochenschalls zu erleben, reicht es aber auch, wenn du dir nur mit den Zeigefingern die kleinen Knorpel vor die Gehörgänge drückst und dabei summst. Dafür braucht es idealerweise eine Position, bei der du die Ellenbogen abstellen kannst, zum Beispiel auf einem Tisch oder auf deinen Knien. Wenn du dich damit richtig eingerichtet hast und innerlich zur Ruhe gekommen bist, dann lenke deine Aufmerksamkeit auf dein Gehirn, denn der Klang wird hierbei genutzt, um dieses aufzuladen und mit den intensiv erlebten Schwingungen höhere Gehirnzentren zu aktivieren. Um dabei ungestört zu bleiben, schalte am besten alle Telefone und Türklingeln aus. Sorge dafür, dass du für diese Viertelstunde, die du mit der nachfolgenden Integration in Stille sicher benötigst, für dich bleibst. Denn eine solche scheinbar einfache Klangübung – in voller Bewusstheit und Achtsamkeit absolviert – kann dein Weltbild durch die Tiefe der dadurch möglichen Erfahrung sowohl auf sinnlicher, emotionaler als auch auf geistiger Ebene revolutionieren.
Die Sehnsucht nach Freiheit
Klang lässt uns frei, denn im Rahmen seiner physischen Grenzen ist er selbst zumindest wertungs- und erwartungsfrei. Stell dir zur Veranschaulichung gern ein beliebiges Instrument mit seinem Spektrum an Tönen und Klangfarben vor. Dieses kannst du frei nutzen und dich darin frei fühlen. Sobald du einen Klang erklingen lässt, ist dieser auch frei und entschwebt in den Raum, bis er auf eine physische Grenze stößt, wodurch er jedoch nur abgebremst wird, doch nicht völlig verschwindet, außer es handelt sich um extra dafür konstruierte Räume. Insbesondere wenn du dich schon weitestgehend von musikalischen Konzepten befreit oder diese transzendiert hast, kannst du mithilfe des Singens und Musizierens ein großes Freiheitsgefühl erleben, was aus unserer Sicht damit zusammenhängt, dass Singen und Musizieren im Erwachsenenalter in der Regel Akte des freien Willens sind. Dies gilt nicht nur für die gesamte Zeit des Klingens, sondern auch für jeden einzelnen Klang, da dieser in seiner Klang-Qualität auch noch frei gestaltet werden kann. Somit ist das Spiel mit Klängen eine Aneinanderreihung von Freiheitserfahrungen, wodurch musizierende und singende Menschen über die Zeit vermutlich auch eine freiere Persönlichkeit entwickeln.
Saiteninstrument © Funke/Großer
— Paywall —
Um damit eine eigene Erfahrung zu machen, empfehlen wir dir, deiner Stimme in einer nicht näher definierten Improvisation zu erlauben, sich völlig frei nach ihren Impulsen zu bewegen – sei es solo oder in Gemeinschaft. Setze dafür am besten auch deinen ganzen Körper ein und betrachte die Stimme nicht als separates Organ, sondern dich selbst als eine Stimme des Lebens. Was möchtest Du mit der Welt im Klang teilen? Spüre die Freiheit, die darin liegt! Und lass dich frei erklingen, ob mit oder ohne Worte. Nutze neue, bisher selten oder nie genutzte Gestaltungsmöglichkeiten deiner Klangerfahrung und entfalte so eine neue und größere Dynamik der von dir erschaffenen Klanglandschaften und deines damit verbundenen Erlebens.
Die Sehnsucht nach Wahrheit
Klang transportiert Wahrheit. Diese These ist mit Worten nicht beweisbar. Doch sie ist erlebbar in jeder stimmlichen Kommunikation zwischen Menschen und auch im aktiven Musizieren und in dem Erleben von Musik. Denn im Moment des Erklingens eines Klanges ist dieses Schwingen eine Wahrheit, die nicht geleugnet werden kann. Sie ist jetzt hier wirksam. Und sie ist verbunden mit dem Menschen, der diesen Klang hat erklingen lassen. Die Wahrheit dieses Menschen schwingt dann in seinem Stimmklang mit, selbst wenn seine Worte etwas anderes zu vermitteln versuchen.
»Klang transportiert Wahrheit. Diese These ist mit Worten nicht beweisbar.«
Die Auflösung der Inkongruenz und die Wiedererlangung von Kongruenz zwischen der inneren und äußeren Stimme sind deshalb in vielen Selbstentwicklungsmethoden wesentliche Bestandteile der Arbeit, die getan werden muss, um in die angenehme Erfahrung der Authentizität und des damit verbundenen Charismas zu gelangen. Der Klang hat dieses magische Charisma der Authentizität und zieht uns deshalb magnetisch an, mit ihm und dadurch mit unserer eigenen authentischen Schwingungsqualität in einen häufigeren und tieferen Kontakt zu kommen. Dies gelingt besonders stark über die eigene Stimme, die ein starker Gradmesser – gewissermaßen ein Diagnoseinstrument – für das Maß an Selbstbelügung versus gelebte Wahrheit ist. Dies erfordert das ehrliche, bedingungslose und erwartungsfreie Lauschen auf die Schwingungen unserer eigenen Stimme als Basis des Reflektierens. »Was schwingt denn da noch mit in meiner Stimme?« »Was ist meine momentane Schwingungswahrheit?« Die oft tief berührende Antwort darauf lässt sich übrigens besonders stark vor einem Spiegel erleben, weil es uns eine noch ganzheitlichere Erfahrung der Selbstreflexion im wahrsten Sinne des Wortes über das Echo des Lichts und des Klanges ermöglicht. Der Klang unserer Stimme ist dabei einfach nur der Botschafter unseres Umgangs mit der Wahrheit des Seins. Ehrlich und klar lässt er die Wahrheit erklingen. So höre auf den Klang, wenn du mehr Wahrheit in dein Leben einladen magst.
Die Sehnsucht nach Harmonie und Vollkommenheit
Der Klang der menschlichen Stimme und vieler Instrumente hat eine besondere Eigenschaft, die sogenannte Obertonreihe. Diese beinhaltet mitschwingende Frequenzen, die nach einem mathematisch exakten Gesetz angeordnet sind. Alle Obertöne sind ganzzahlige Vielfache der Grundtonfrequenz, welche üblicherweise die ist, die in den Noten steht. Doch die Obertöne machen sowohl die Klangfarbe als auch die Einzigartigkeit eines Stimmklanges oder eines Instrumentes aus. Hier transportiert sich in individueller Weise eine Harmonie mit dem Klang, die wir Menschen intuitiv erfassen, auch wenn sie in der hier beschriebenen Form unbekannt sein sollte. Werden diese Obertöne bewusst gefiltert und verstärkt, bewirken sie eine Art Erinnerung an die vollkommene Harmonie des Lebens. So entspannt sich das System der Hörenden und bringt dadurch eine Rückbesinnung auf die eigene Vollkommenheit. Denn jenseits all unserer oft unerfüllt bleibenden Erwartungen an uns und andere bleibt etwas im Menschen stets vollkommen in seiner Natürlichkeit, die dem Sein innewohnt. Der Klang weist darauf hin beim Genießen seiner selbst.
Wenn du selbst mit diesen Naturharmonien der Obertöne eine Erfahrung machen magst, dann verändere einfach mal den Klang des entspannt gesungenen Vokals »u« in ein »ü« und belausche so achtsam wie möglich die klanglichen Veränderungen auf dem Weg von »u« nach »ü« und nach einem tiefen Atemzug auch wieder zurück von »ü« nach »u«. Mache dies so langsam wie möglich, wie in Zeitlupe, um möglichst viele Details zu erfassen und dadurch das Springen der Obertöne wie auf den Stufen einer vorgezeichneten Klangtreppe zu hören, während du jedoch einfach sanft weitergleitest. Dieses Phänomen gewährt dir gewissermaßen einen Zugang zur inneren Dimension des Klanges und ist bei Manchen mit energetischen Empfindungen und Bewusstseinsveränderungen verbunden, deswegen praktiziere diese Übung bitte nicht beim Autofahren.
Die Sehnsucht nach Rhythmus
Alles Leben ist rhythmisch, also zyklisch und wiederkehrend, so auch der Klang. Denn er ist durch seine regelmäßigen, periodischen Schwingungen definiert, die ihn vom eher chaotischen Geräusch unterscheiden. Vermutlich können wir deshalb Klänge viel länger genießen, als wir Geräusche ertragen können, die wir irgendwann als Lärm empfinden im Sinne von etwas, das wir lieber beendet wissen wollen. Im Gegensatz dazu fühlen wir uns zu Klängen hingezogen, und wenn deren innerer Rhythmus durch den äußeren Rhythmus der Musik noch verstärkt wird, dann wippen unsere Körper leicht mit und der Geist ebenfalls. Intuitiv spüren wir, wie gut uns dieser Kontakt mit dem Rhythmus des Lebens tut, und deswegen ist regelmäßiges Musizieren, Singen und Tanzen oder zumindest das Hören von Musik ein Basiselement eines ganzheitlich gesunden Lebens, ähnlich wie Bewegung und gute Ernährung es sind.
Musikinstrument © Funke/Großer
Erfahre gern selbst den Effekt des Rhythmischen, indem du einfach dort, wo du jetzt bist, entweder mit dem Fuß zu wippen beginnst oder mit den Fingern auf einem Gegenstand oder Tisch trommelst, gern auch in Kombination. Lausche dabei auf die innere Musik, die wie von allein entsteht, und erlebe, wie dein Geist und dein Körper selbst bei dieser einfachen Klangerfahrung schon absorbiert werden und du auf magische Weise tiefer in den Moment eintauchst. Nutze dies, um dich von uneffektiven Gedankenschleifen zu lösen und – inspiriert durch die Lebendigkeit des Klanges – neue, wohltuendere, also lebensbejahende, motivierende und dich stärkende Gedanken zu denken. Wenn du die Kraft des Klanges zur Neuprogrammierung deines Unterbewusstseins nutzen möchtest, dann empfiehlt sich die musikalische Kombination von Rhythmus, Harmonie, Melodie und Gedankenfrequenz in Form von rhythmisch gesprochenen oder sogar melodiös gesungenen Sätzen, die du wirklich in deinem Leben körperlich real erleben möchtest.
Die Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit
Klang lädt zum Ausprobieren und Selbermachen ein, wodurch wir zu einer weiteren Sehnsucht kommen, die der Klang uns erfüllt. Denn er ermöglicht uns durch sein sehr direktes und unmittelbares Feedback die gerade für Kinder so wichtige Erfahrung von Selbstwirksamkeit, also des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten, auch in Vorbereitung auf später herausfordernde Situationen. Doch es beginnt gewissermaßen mit so einfachen Tätigkeiten wie dem Erzeugen eines Klanges durch das In-Schwingung-Bringen eines kindgerechten Instrumentes, was noch keine umfangreichen Vorerfahrungen benötigt, um daraus etwas Genießbares hervorzuzaubern. Erwachsene mit schon erhöhter Sensibilität und Feinmotorik können sich sogar an solch anspruchsvolle Instrumente wie eine Geige auch ohne Vorerfahrung, jedoch gern mit Anleitung, begeben und mit der entsprechenden Achtsamkeit erleben, wie schön ein mit dem Geigenbogen auf einer Geigensaite gestrichener Ton klingen kann. Eine Trommel oder ein Klavier bietet sich dafür ebenso wie jedes andere Instrument an, um zu erleben, wie schnell wir lernen können, auch mit völlig neuen Situationen und Gegebenheiten umzugehen, was bereits eine wertvolle Ressource ist für die idealerweise ganz bewusst abzuspeichernde Selbstwirksamkeit. So schau doch mal bei der nächsten Gelegenheit, ob du aktiv in Kontakt kommen kannst mit einem der oben erwähnten Instrumente oder mit einer Gitarre, einer Handpan, einer Kalimba/Sansula, einem Didgeridoo oder einer Flöte, um neue Klangerfahrungen zu machen, die dich emotional bereichern können und, wer weiß, vielleicht sogar dein Leben verändern.
Die Sehnsucht nach Mitbestimmung und Gleichberechtigung
Das gleichberechtigte Mittun und Mitgestalten sind weitere Grundbedürfnisse des Menschen von frühester Kindheit an, die wir mit Klängen auf besondere Weise erleben können, denn während bei anderen Tätigkeiten Aspekte der Unterschiedlichkeit und Individualität oft betont sind, wird im gemeinsamen Schwingen über Klänge die oben bereits erwähnte Verbundenheit sehr stark erlebbar. Denn jede und jeder kann sich gleichwertig mit seinen Klängen einbringen, sei es in den Chorgesang oder ins musikalische Feld. Dies sogar wegen der und durch die Einzigartigkeit der beigetragenen Klänge, denn ein jeder besonderer Klang ist gewissermaßen eine Bereicherung des Gesamtklanges einer Gruppe und spielt somit eine wichtige Rolle. So kann das Mitsingen und Mitmusizieren von Kindesalter an eine Selbstverständlichkeit der Teilhabe an Gemeinschaft etablieren, die später eine wichtige Grundlage für die aktive Mitgestaltung der Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Zukunft sein wird.
Denn überall sollte Inklusion praktiziert werden, um der Definition von Gemeinschaft überhaupt gerecht werden zu können. Nutzen wir dieses Erkennen, um über das gemeinsame Singen und Musizieren alle daran Beteiligten – auch in anderen Lebensbereichen – in die Erfahrung des gemeinschaftlichen Schwingens und eines Lebens in Harmonie und Erfüllung zu führen, wo jede Stimme gehört wird und jeder Mensch eine bedeutsame Rolle spielt. Umsetzen lässt sich das zum Beispiel durch das aktive Einladen jedes Gruppenmitglieds, sich und die eigene Meinung für den Gemeinschaftsprozess sprachlich einzubringen.
Die Sehnsucht nach Natur
In unserer zunehmend technologieorientierten Gesellschaft braucht es den günstigerweise täglichen Kontakt zur Natur zur Aufrechterhaltung einer ganzheitlichen Gesundheit. Diese ist auch als Schwingungsgesundheit zu verstehen, in der alle Aspekte unseres Seins miteinander in Harmonie und im Einklang mit sich und der Umwelt möglichst frei schwingen können. Du kannst über den Klang deine eigene Schwingungsnatur besser begreifen und kennenlernen. Dies gelingt nicht über neue Theorien und Konzepte als vergebliche Versuche einer mentalen Wirklichkeitserfassung, sondern über ein Erfahrungswissen, was sich durch den regelmäßigen Umgang mit Klängen immer weiter vertieft. Denn die Lebensenergie sucht immer nach den effektivsten und nachhaltigsten Lösungen für das gesamte Ökosystem. Dies nennt sich Selbstregulation und funktioniert auch in unserem Körper so. Deshalb bringen wir uns ganz organisch in Resonanz mit schon bestehenden Frequenzen und versuchen, uns harmonisch in das große Ganze einzufügen, sei es beim Singen, Musizieren oder auch in unserer Gemeinschaftskultur. Klänge unterstützen dieses Sich-miteinander-in-Resonanz-Bringen. Deshalb sind aus meiner Sicht nicht nur professionelle, sondern auch für Laien besuchbare Musikgruppen, Chöre und Gesangsgruppen wesentlich für die Gesundheit einer Gesellschaft.
Die Sehnsucht nach Magie und Multidimensionalität
Jeder Klang hat seine eigene Magie, so wie jeder Mensch auch. Wenn ein Klang erklingt, dann bringt er so viel in einem Menschen zum Schwingen, dass es mit Worten unmöglich alles zu erfassen ist. Denn da sind so viele Ebenen, bekannte und unbekannte, die aktiviert werden und sich in ihrem Schwingungsmuster verändern, sobald ein Klang sie berührt und bewegt. Weil es sogar über das von uns bewusst Erfassbare weit hinausgeht, sprechen wir von Multidimensionalität.
Es gibt Experimente, die nachweisen, dass räumlich getrennte, jedoch zuvor physisch verbundene Flüssigkeiten wie Wasser oder Blut ihre Schwingungsqualität gemeinsam zeitgleich ändern, wenn eine verändernde Kraft wie ein Klang auf nur eine der beiden Flüssigkeitsproben einwirkt.
Instrumente © Funke/Großer
Das ist realphysikalische Magie, doch nicht alles ist bereits messbar und beschreibbar, was durch Klang bewirkt werden kann, denn all die vor- oder nichtsprachlichen geistigen Empfindungen eines Menschen gehören hier ebenso zum Wirkspektrum des Klanges wie seine Verbindung zu den eigenen Ahnen, seinen früheren Leben und der Kontakt zu nichtphysischen Wesenheiten. All dies kann durch bestimmte Klänge aktiviert oder verstärkt werden. Das können bei einer Person schamanische Trommelklänge sein und bei einer anderen Person sphärische Synthesizerklänge, jeweils in Abhängigkeit von der jeweiligen Kultur und Klangbiografie, mit der ein Mensch aufgewachsen ist. Schon seit Menschengedenken haben Klänge aufgrund ihrer magischen Wirkung eine Faszination ausgeübt, die ihn immer weiter nach dem Ursprung der Klänge und der Verbindung zum Bewusstsein suchen lassen hat, dessen Verkörperung wohl Klänge sind. So erfüllen Klänge uns auch die Sehnsucht, unsere eigene innere Magie und Multidimensionalität nach außen zu bringen und mit anderen Menschen zu teilen.
Ausklang
Frage dich gern in ähnlicher Weise, wie hier schon mehrfach beschrieben, wie der Klang in der Lage ist, uns weitere Sehnsüchte zu erfüllen oder zumindest ihrer Erfüllung näherzubringen. Und welches Bewusstsein in ihm wohl wirken mag, was es ihm ermöglicht, dies zu tun. Kann es sein, dass auch dieses Bewusstsein des Klanges etwas ist, was mit uns in Resonanz ist und uns somit an das Bewusstsein erinnert, was in uns selbst schwingt?
»Gleichzeitig ist ein einzelner voller Klang immer ein Symbol für die Fülle des Lebens.«
Die Erhöhung unseres Schwingungsbewusstseins im Allgemeinen und des Klangbewusstseins im Besonderen ist jedenfalls nach Erfahrung der AutorInnen definitiv eine wertvolle Unterstützung auf dem Weg, ein erfülltes oder zumindest erfüllteres Leben zu führen. Denn ja, es gibt immer noch Luft nach oben in Sachen Erfüllung. Gleichzeitig ist ein einzelner voller Klang immer ein Symbol für die Fülle des Lebens. In diesem Sinne wünschen wir eine erfüllende Zeit in Einklang und in Harmonie mit dem Klang des Lebens.
Zu den Autoren:
Birge Funke, geb. 1972 in Hagen/Westfalen, Begründerin der ersten Bhakti-Yogalehrer-Ausbildung, Geschäftsführerin von bamboo yoga in Berlin, Sängerin, Yogalehrerin.
Birge und Miroslav lernten sich durch ihre Zusammenarbeit bei der bamboo yoga Bhakti Yogalehrer-Ausbildung kennen. Diese Ausbildung ermöglicht YogalehrerInnen und an Stimme, Klang und Musik interessierten Menschen, die natürliche Kraft von Stimme und Klang – auch in Gemeinschaft – tiefgründig zu erleben und den Mut zu entwickeln, die gewonnenen Erfahrungen an andere weiterzugeben. Als Dozent dieser von Birge gegründeten Ausbildung unterrichtet Miroslav »Ganzheitliche Stimmbildung« mit der Ausrichtung, alle Ebenen des menschlichen Seins in ihrer Verbundenheit über die Kraft des Klanges sinnlich erfahrbar zu machen.
Birge Funke und ihr Yogastudio bamboo yoga Berlin: bamboo-yoga.de
Miroslav Großer, geb. 1968 in Berlin, Improvisations-Musiker, Obertonsänger und Stimmcoach, Seminaranbieter für Stimmbefreiung, Obertonsingen und Klang-Yoga sowie Gruppen für Gesangsimprovisation und Konzerte seit 25 Jahren.
Wenn du von Miroslav angeleitet deine Beziehung zum Klang vertiefen magst, nutze auch gern seinen Online-Videokurs über »Die Magie des Obertongesangs – Eine Einführung in die Kunst des westlichen Obertonsingens«, den du hier findest: stimmlabor.de/obertongesang-videokurs-online
Miroslav Großer und sein Stimmlabor FREIKLANG Berlin: stimmlabor.de
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Bildnachweis: © stimmlabor.de
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