Die Bedeutung der Resonanz
Klang und Stimme sind essenzielle Anteile des Menschen. Sie dienen der Freude und auch der Heilung. Der Artikel gibt einen Überblick zur erstaunlichen Wirkung von Klang und Stimme auf uns und andere und beschreibt einige praktische Übungen, um Klangschwingungen für unsere körperliche und geistige Gesundheit zu nutzen.
Schon Pythagoras hatte die Vorstellung, dass von Menschen gespielte Musik ein Abbild der kosmischen Musik, der Sphärenmusik darstellt und sich deswegen günstig auf den Menschen auswirken kann, da in seinen Augen die Definition von Gesundheit die Übereinstimmung von Mensch und Kosmos bedeutet.
Singen ist nachweislich gesund: Es macht glücklich, verbessert unsere Körperhaltung, bringt den Kreislauf in Schwung, wirkt sich positiv auf den Blutdruck aus und stärkt das vegetative Nervensystem, die Psyche sowie die Abwehrkräfte.
In einer Studie in den 90er-Jahren haben Forscher 12.000 Menschen aller Altersgruppen untersucht und festgestellt, dass die Singenden unter ihnen eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als die, die nicht regelmäßig singen.
Warum ist das so, und was sagt die Forschung dazu? Ob Solo oder im Chor: ForscherInnen sind sich einig, dass es ca. 20 bis 30 Minuten des Singens bedarf, bis sich folgende positive Effekte einstellen:
- körpereigene Glückshormone werden ausgeschüttet
- Endorphin wird gebildet (lindert Schmerzen, macht glücklich)
- Serotonin wird gebildet (macht glücklich, reguliert den Appetit und die Körpertemperatur, wichtig für die Blutgerinnungsfähigkeit)
- Dopamin wird gebildet (steuert die Bewegung, Koordination und Konzentration, fördert die Durchblutung)
- Cortisol (Stresshormon) wird abgebaut
- Adrenalin (Stresshormon) wird abgebaut
- die Zirbeldrüse wird stimuliert
- Melatonin wird ausgeschüttet (bewirkt besseren Schlaf und hat einen tumorhemmenden Effekt)
- die Bauchorgane werden massiert, dadurch wird die Verdauung aktiviert
- der Ausatem wird verlängert, das aktiviert den Parasympathikus und wirkt entspannend
- die Atemfrequenz wird in der Regel erhöht
- Gehirn und Körper werden mit mehr Sauerstoff versorgt
- der Blutdruck stabilisiert sich
- das Herz-Kreislauf-System wird in Schwung gebracht – vergleichbar mit leichtem Sport
- Abwehrkräfte werden gestärkt
- durchschnittlich betrachtet wird das Leben verlängert
- signifikante Erhöhung der Konzentration von Antikörpern (Immunglobulin A als Ausdruck der Stärke des Immunsystems)
Beim gemeinschaftlichen Singen wird zusätzlich Oxytocin ausgeschüttet – ein »Bindungshormon«, das zum Beispiel auch beim Sex, beim längeren Umarmen und wenn Mütter ihre Kinder stillen produziert wird.
Nicht umsonst sagt man »ich schwinge mich auf dich ein« oder »die Stimmung hier in der Gruppe ist toll« oder »da bin ich mit dir/euch im Einklang« …
»Singen verbindet.«
all diese Redewendungen haben sich Menschen nicht aktiv ausgedacht, sie wurden gefühlt und sind aus einem inneren Bedürfnis heraus zum Ausdruck gebracht worden, um das Gefühl der Resonanz mit anderen möglichst deutlich zu beschreiben, obwohl Worte dieses Erlebnis kaum zu beschreiben vermögen. Diese Redewendungen zeigen, was Menschen schon immer gespürt haben: Singen verbindet.
»Der Mensch ist ein Wesen, das gehört werden und in Austausch treten möchte.«
Der Mensch ist ein soziales Wesen, abhängig von anderen, er möchte zu einer Gruppe gehören, weil er ohne sie nicht überleben kann. Somit ist es natürlich, dass ein wohliges Gefühl entsteht, wenn man mit anderen in Einklang und in Stimmung kommt: Es bedient den überlebensnotwendigen Urwunsch des Menschen: «Ich gehöre dazu, mir kann nichts passieren, die Gruppe schützt mich.« Der Mensch ist ein Wesen, das gehört werden und in Austausch treten möchte. Über Austausch erfährt es seine Position in der Gruppe – seinen Beziehungsstatus. Das ist für jeden überlebenswichtig.
Singen im Bhakti-Yoga
Als Beispiel für die Kraft des gemeinschaftlichen Singens möchten wir hier eine besondere Form des Yoga vorstellen: das sich zunehmend größerer Beliebtheit erfreuende Bhakti-Yoga.
Bhakti-Yoga ist einer der sechs großen Wege des Yoga und wird auch als das Yoga der Liebe und der Hingabe bezeichnet. Im Bhakti werden vor allem Mantren gesungen, Göttergeschichten erzählt und Rituale zelebriert. Die Wirkung des Bhakti ist besonders in der Gruppe spürbar. Das Singen und Tönen in Verbindung mit Yoga und Meditation erschafft ein unbeschreibliches Gefühl der Verbundenheit mit anderen, mit sich selbst und mit der Schöpfung. «Bhaktas« (Bhakti-Yoga-Praktizierende) beschreiben es als eine Art »Einheits-Bewusstsein«, einen Zustand vollkommenen Friedens und Einklangs mit allem, was ist. Doch dieser Zustand des Eingebundenseins, verbunden mit einem kontinuierlichen Lebensgefühl von Sinnhaftigkeit, Bedeutsamkeit und Handhabbarkeit des Lebens, wird auch in der Salutogenese nach Aaron Antonovsky betont und dort als Sense of Coherence bezeichnet – der sogenannte Kohärenzsinn. Dieser drückt sich in den folgenden drei Aspekten aus, die die psychische Komponente unseres Resonanzgefühls betonen:
- »Meine Welt ist verständlich, stimmig, geordnet; auch Probleme und Belastungen, die ich erlebe, kann ich in einem größeren Zusammenhang sehen (Verstehensebene).«
- »Das Leben stellt mir Aufgaben, die ich lösen kann. Ich verfüge über Ressourcen, die ich zur Meisterung meines Lebens, meiner aktuellen Probleme mobilisieren kann (Bewältigungsebene).«
- »Für meine Lebensführung ist jede Anstrengung sinnvoll. Es gibt Ziele und Projekte, für die es sich zu engagieren lohnt (Sinnebene).« (alle drei Zitate von Heiner Keuper)
Der Kohärenzsinn – Einklang von äußerer und innerer Stimme
Doch was hat all das mit der menschlichen Stimme zu tun? Hier unsere Thesen dazu:
Der in der Salutogenese wichtigste Wert des Sense of Coherence – SOC, des sogenannten Kohärenzsinns, der sich am passendsten mit unserem Grad des Sich-im-Einklang-Empfindens übersetzen lässt, wird maßgeblich durch Kommunikation erhöht, und zwar sowohl durch innere als auch durch äußere Kommunikation. Für die äußere nutzen wir die physische Stimme, doch das von ihr Kommunizierte, also das Gesagte und Erfragte, basiert auf den Deutungskonzepten und den daraus resultierenden Erlaubnissen des inneren Selbst und seines Sprachrohrs, der inneren Stimme. Was darf gesagt oder gefragt werden und was lieber nicht? Die Erziehung dazu geschieht auch über die Stimme, denn nicht nur der Inhalt des Gesprochenen, sondern auch der Klang der Stimme transportiert das Maß an Vertrauen und Freiheit, das einem heranwachsenden Menschen geschenkt wird. Dieser in der Erziehung mitschwingende Stimmklang der Bezugspersonen und die damit verbundene Bewusstseinsqualität werden abgespeichert und oft unhinterfragt übernommen, also in der Kommunikation mit anderen weitergeführt. Das beinhaltet auch alle nicht aufgearbeiteten traumabedingten Beeinträchtigungsmuster in Kommunikation, Verhalten und stimmlichem Ausdruck, die somit teilweise auch an nachfolgende Generationen weitergegeben werden (transgenerationale Traumatisierung).
»Mit unseren inneren Stimmen bestimmen wir maßgeblich unsere innere Erfahrung.«
Mit unseren inneren Stimmen bestimmen wir maßgeblich unsere innere Erfahrung. Nachvollziehbar ist das gut am Beispiel des inneren Kritikers bzw. der inneren Kritikerin, der/die uns sehr unterschiedlich fühlen lässt, je nachdem, wie diese Stimme das aktuelle Verhalten kommentiert. Mit der physischen Stimme bestimmen wir hingegen maßgeblich unsere Erfahrung im Außen – sie ist gewissermaßen die Summe aller oft unreflektierten Gewichtungsverhältnisse der inneren Stimmen. Das zeigt sich insbesondere in Gemeinschaften aller Art, in denen die Art der Kommunikation wesentlich das Gruppengeschehen beeinflusst und verändert. Wollen wir beides – die innere und die äußere Erfahrung – in den sogenannten Einklang, also in eine harmonische Resonanz bringen, dann braucht es die Annäherung von innerer und äußerer Stimme. Wie kann das gelingen? Zuerst benötigen wir ein neues Bewusstsein für die realitätgestaltende Kraft unserer inneren und äußeren Stimmen, denn es handelt sich hierbei um ein komplexes Geschehen im Zusammenhang mit unseren Rollenidentitäten, die wir auf unseren inneren Ebenen leben und eben nur teilweise authentisch und wahrhaftig im Außen zeigen (können). Somit ist ein differenziertes Wahrnehmen des Teams unserer inneren und äußeren Stimmen eine erste Basis, um die unterschiedlichen Bedürfnisse und Hierarchien in eine harmonische Struktur zu bringen. Das ist vergleichbar mit einer Gesellschaftsordnung, die im Idealfall einen beiderseitigen Informationsfluss zwischen allen Ebenen und allen Beteiligten fördert.
Die äußeren Stimmen werden dabei stärker vom Team der inneren Stimmen bestimmt als umgekehrt.
Denn jede kleine innere geistige Anspannung bewirkt eine Mikrospannung im Muskelsystem unseres Körpers und wird somit auf das hochempfindliche Schwingungssystem übertragen, was unsere Stimme auch ist. Denn die menschliche Stimme ist nicht nur ein WahrGebungsorgan, mit dem wir unsere innere Wahrheit klanglich-energetisch zum Ausdruck bringen, ob wir dies bewusst beabsichtigten oder nicht. Sie ist auch ein WahrNehmungsorgan, das auf Schwingungen von außen UND von innen hochsensibel reagiert und somit unser In-Beziehung-Sein mit uns selbst und unserer Umwelt zum Ausdruck bringt. Da die geistige Komponente nachweislich die stärkere bei der Erschaffung von körperlichen Erfahrungen ist (siehe die Ergebnisse der Neuropsychoimmunologie), spielt auch hier das gesamte Selbstbild eines Menschen, also seine Beziehungskultur sich selbst und dem Leben gegenüber die entscheidende Rolle für die Klangqualität einer Stimme. Doch mit der optimalen mentalen Einstellung lässt sich diese Verbindung in überraschend effektiver Weise zur Unterstützung der Selbsttransformation in Richtung von mehr Stimmigkeit, mehr Selbstwirksamkeit und mehr Sinnhaftigkeit durch Aktivierung der Selbstbestimmung mithilfe der physischen Stimme nutzen. Dafür stellen wir im Folgenden einige in der Praxis erprobte Übungen aus der ganzheitlichen Stimmbildung vor, die wärmstens zur Nachahmung empfohlen sind.
Übung Nr. 1: »Im Dialog mit der Stimme«
Für die folgende Meditation setze dich bitte bequem und aufrecht hin und schließe die Augen. Beruhige und vertiefe deinen Atem, bis du ganz im Kontakt mit dir selbst bist. Dann frage dich: Wie sieht meine Stimme aus, wenn sie eine Gestalt hätte und ein Wesen wäre? Schau dir in Ruhe die auftauchenden inneren Bilder an und befühle deine Stimme so noch mal neu. Dann beginne einen Dialog mit ihr, indem du sie begrüßt und ihr interessierte Fragen stellst, wie zum Beispiel: »Gibt es etwas, was du mir sagen oder zeigen möchtest?« »Wie fühlst du dich heute?« »Was wünschst du dir?« »Wie kann ich dich unterstützen?« Bedanke dich nach jeder Antwort und integriere sie, bevor du die nächste Frage stellst. Spüre, was du deiner Stimme und deinem Erleben mit ihr mitteilen möchtest. Vielleicht bekommst du auch einen bestimmten Impuls. Dann vertraue deiner Eingebung und setze den Impuls am besten sofort in die Tat um. Dies kann sowohl auf der inneren Ebene geschehen als auch klanglich und körperlich. Nutze die starke Verbundenheit, um ein neues Commitment vor dir selbst zu erklären, wie du in Zukunft mit deiner Stimme umgehen wirst.
Übung Nr. 2: »Verklanglichen von Gefühlen«
Um die umständliche Übersetzung in Worte und die damit verbundenen Konzepte zu vermeiden, erlaube dir im geschützten Umfeld (am besten erst mal allein) das stimmliche Ausdrücken von Empfindungen und Gefühlen aller Art, um die Verbindung von Bewusstsein, Körper und Gefühl zu stärken. Dazu stell dir gern für eine Weile vor, dass du ein Urmensch seist, der noch keine wortbasierte Sprache zur Verfügung hat und sich deshalb nur mit Geräuschen, Stimm- und Körperklängen sowie Gesten verständlich zu machen versucht. Dies erhöht die emotionale Intensität unseres Ausdrucks und kann sogar auch noch alte Gefühle aus dem Körper entlassen, die aus früheren Situationen stammen. Wenn du dich dafür bereit fühlst, teste mal an, wie viel Spaß es bringt, auf diese Weise auch mit einem Gegenüber zu kommunizieren. Und ja, das kann einen therapeutischen Effekt auf dich selbst und auch auf deine Partnerschaft haben …
Übung Nr. 3: »Inventur der Stimmigkeit«
Nimm dir Blatt und Stift für ein Brainstorming und schreib die Bereiche deines Lebens auf, die du auf ihre Stimmigkeit überprüfen möchtest im Sinne der Frage: »Stimmen in diesem Lebensbereich meine inneren Werte und Ausrichtungen überein mit dem, was ich lebe und erlebe?« Du kannst die Stimmigkeit auch beliebig skalieren, zum Beispiel auf einer Skala von 0 bis 100, wobei 0 völlig unstimmig und 100 absolut stimmig bedeuten könnte. Wenn du so die Stimmigkeit überprüfend durch alle dir einfallenden Lebensbereiche gegangen bist, dann stelle dir für jeden Bereich einzeln die Fragen »Wie kann ich die Stimmigkeit in diesem Bereich meines Lebens erhöhen?« und »Was sollte ich dafür ab sofort proaktiv tun?«. Achte nun darauf, dass du nicht wertend, liebevoll und in der deine Ausrichtung erfüllenden Gegenwartsform formulierst, ohne dich dabei unter Leistungsstress zu setzen oder gar zu überfordern. Es geht um den Aufbau von neuen frei gewählten Gewissheiten und entsprechenden Mikro-Gewohnheiten, die die Basis unseres täglichen Lebens bilden. Die Stimme kann dir beim Überprüfen der Stimmigkeit helfen, indem du einfach aussprichst, was du auf Stimmigkeit überprüfen magst, und den Klang und die Energie deiner Stimme dabei genau befühlst. Wenn du ehrlich bist, spürst du sofort, wenn etwas nicht ganz stimmig ist und auch warum nicht. Dann nutze deine Stimme auch zum Manifestieren des Neuen von dir bewusst Gewünschten durch mehrmaliges Aussprechen.
Übung Nr. 4: »Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein trainieren«
Um die schöpferische Kraft deiner Stimme zu erleben und zu verstärken, kannst du die Gleichzeitigkeit von Sprechen und Tun trainieren, indem du einfach benennst, was du gerade in diesem Moment machst bzw. zu machen vorhast, und es dabei laut, klar und deutlich aussprichst.
Zum Beispiel: »Ich stehe jetzt auf!«, »Ich atme bewusst und tief.« »Ich rufe jetzt XYZ an.« »Ich mache jetzt elf Liegestütze.« »Ich entspanne mich in diesen Moment hinein.« »Ich esse ruhig und langsam.« Im Idealfall erlebst du durch diese Herangehensweise immer häufiger und stärker die enorme Wirkung deiner eigenen Stimme auf dein Erleben und das Gefühl des Eins-Seins mit dir selbst. Später kannst du das Sprechen der Sätze mit der inneren Stimme praktizieren, was den Vorteil hat, dass es auch im Zusammensein mit anderen gut anwendbar ist, um zu deinen Werten, Absichten und Worten stehen und gehen zu lernen.
Übung Nr. 5: »Heilsame Sätze singen – Klang als Wirkverstärker«
Wenn du Lieblingssätze hast, die dir so richtig guttun, dann lohnt es sich, diese zu singen und nicht nur innerlich oder laut auszusprechen. Denn beim Singen ist die Wirkung der Worte und des Stimmklanges spürbar komplexer. Denn das gesamte neuronale Netzwerk deines Gehirns feuert beim Singen elektrische Signale durch den ganzen Körper ab. Außerdem ist es möglich, dass wir beim Singen eine Multidimensionalität erleben, die bei entsprechender emotionaler Aufladung im Verbund mit einer optimalen geistigen Ausrichtung die berühmte Gänsehaut und ein tiefes seelisches Erleben auslösen kann.
»Denn das gesamte neuronale Netzwerk deines Gehirns feuert beim Singen elektrische Signale durch den ganzen Körper ab.«
Somit werden die Inhalte der gesungenen Sätze auch tiefer und abrufbarer in den Zellen der Singenden verankert. Also wähle bitte nur die allerwertvollsten Botschaften, die du als Wirklichkeit in deinem Leben etablieren möchtest, denn das ist das große Potenzial dieser Übung. Du kannst dieses bestimmende Prinzip der In-FORMation der Materie auch auf die Stimme selbst anwenden, indem du Sätze über sie und dein Verhältnis zu ihr singst. Oder auch über deine Gesundheit! Hier ein dafür erprobter Satz als Beispiel: »Ich bin absolut rein, heil und vollkommen gesund auf allen Ebenen meines Seins.«
Vererbtes Trauma
Vielleicht kennst Du diesen Satz, mit dem ich aufwuchs, den meine Mutter sagte: »Ich habe den Krieg erlebt« – in diesem Satz steckt schon das Maximum an Beschreibung. Ich konnte diesen Satz als Kind überhaupt nicht begreifen. Erst später, als ich tiefer und tiefer in die Heilarbeit eingedrungen bin, konnte ich verstehen: Das hat auch etwas mit mir zu tun, das habe ich völlig unterschätzt.
Und vielleicht denkst du dir jetzt: »Meine Eltern sind meine Eltern, und ich bin Ich.« Aber Trauma wird vererbt – das ist bewiesen, und damit befasst sich auch die Epigenetik https://members.tattva.de/prof-dr-dr-matthias-beck/. Durch die Erkenntnisse der Epigenetik wird deutlich, wie Umweltfaktoren auf Gene wirken. Die Grundidee des vererbten Traumas ist, dass sich chemische Verbindungen – sogenannte Methylierungen an unserem Erbgut der DNA verändern. Also nicht die Struktur der Doppelhelix und der Sequenzen, sondern chemische Verbindungen, die an der Doppelhelix »draußen« dranhängen. Diese Methylierungen sind für verschiedene Prozesse zuständig, zum Beispiel für Regulationsmechanismen in der Eiweißsynthese und den Nervenregulationsystemen sowie für das An- und Ausschalten bestimmter Abschnitte in der DNA. Diese biochemischen Veränderungen werden weitervererbt. In jeder unserer Zelle findet sich also auch die Information von dem, was unsere Vorfahren erlebt haben. Wenn man es genau nimmt – alle Vorfahren. Wie ein feingetunter biochemischer Riesenrechner und Prozessor.
Übung Nr. 6: »Die Klang-Säule zur Verbindung von Himmel und Erde«
Atme im Stehen tief ein und führe währenddessen aufrecht stehen bleibend beide Hände von ganz unten bis nach ganz oben über deinen Kopf, als ob du auf einer senkrechten Linie in der Mitte deines Körpers die Energie der Erde mit dem Einatmen in deinen Körper und bis in den Kopf und darüber hinaus saugst. Beim Ausatmen lasse die Hände von deinem Bewusstsein begleitet den Weg wieder zurückgehen, verbunden mit der Vorstellung, die Energie des Himmels bzw. des Raumes oberhalb deines Kopfes durch diesen hindurch durch den ganzen Körper hindurch bis tief in die Erde zu führen. Wiederhole diese Übung, bis sich Bewegung und Atem vollständig synchronisiert anfühlen. Dann füge noch einen Stimmklang beim Ausatmen hinzu, wobei du die Frequenz von der höchsten zur tiefsten deines Stimmspektrums gleiten lassen kannst. Spüre die energetische Wirkung deiner Stimme im Körper und erforsche verschiedene Varianten dieser Übung. Zum Beispiel kannst du den Atem beim Wechsel der Atemrichtung anhalten, um noch intensiver wahrzunehmen, mit welcher Qualität an Energie und Bewusstsein du gerade in Kontakt bist.
Übung Nr. 7: »Die Blüten-Atmung zur Verbindung von Innenwelt und Außenwelt«
Beginne zu atmen, als ob du eine sich pulsierend öffnende und sich wieder schließende große Blüte bist, indem du deine Hände und Arme zur Unterstützung weit ausbreitest und sie dann wieder ganz in Richtung Brustbein bringst. Auch die Wirbelsäule kannst du in die öffnende und schließende Bewegung miteinbeziehen. Nach einigen mit der Bewegung synchronisierten Atemzügen beginne damit, deine Stimme beim Ausatmen erklingen zu lassen. Spüre die symbolische Bedeutung und die energetische Wirkung dieses ganzkörperlichen Tönens. Nach einer Weile drehe die Bewegungsrichtung um, sodass du nun bei der jeweils anderen Bewegung tönst. Mache dir bewusst, was die Unterschiedlichkeit dieser beiden Erfahrungen mit deinem Leben zu tun hat.
Übung Nr. 8: »Sei kreativ und verbinde die Polaritäten«
So wie in Übung 6 und 7 exemplarisch mit zwei Polaritäten erklärt, kannst du natürlich auch jede andere dir in den Sinn kommende Polarität mithilfe deiner Stimme in Balance bringen. Sei dazu kreativ und spiele einfach mit den Extremen und dem Raum zwischen ihnen. Dies trainiert deine Flexibilität, je nach Situation dem einen oder anderen Pol den Vorrang zu geben bzw. bewusst beide Pole in Balance zu halten. Zur Inspiration nenne ich hier noch einige Polaritäten: »laut und leise«, »zärtlich/sanft und kraftvoll«, »gefühlvoll herzlich und rational kühl«, »rau und fein«, »hart und weich«, »räumlich weit und fokussiert eng«, »schwammig und klar«, »schnell und langsam«, »dunkel und lichtvoll«.
Viel Freude beim Experimentieren mit deiner einzigartigen Stimme
wünschen mit klangvollen Grüßen
Birge Funke und Miroslav Großer
Birge Funke (Sängerin, Yogalehrerin und Geschäftsführerin von bamboo yoga in Berlin) und Miroslav Großer (Stimmcoach der ganzheitlichen Stimmbildung, Musiker und Obertonsänger) lernten sich durch ihre Zusammenarbeit bei der bamboo-yoga-Bhakti-YogalehrerInnen-Ausbildung kennen. Diese Ausbildung ermöglicht interessierten Menschen, die natürliche Kraft von Stimme in Gemeinschaft tiefgründig kennenzulernen und den Mut und das Know-how zu entwickeln, die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse weiterzugeben. Als ein Dozent dieser Ausbildung unterrichtet Miroslav »Ganzheitliche Stimmarbeit« mit der Ausrichtung, alle Ebenen des menschlichen Seins in ihrer Verbundenheit über die Kraft des Klanges sinnlich erfahrbar zu machen.
Birge Funke und ihr Yogastudio bamboo yoga Berlin: www.bamboo-yoga.de
Miroslav Großer und sein Stimmlabor FREIKLANG Berlin: www.stimmlabor.de
Quellen:
Vortrag von Prof. Dr. Gerald Hüther – Der Anteil des Singens an der Menschwerdung des Affen https://www.youtube.com/watch?v=3JGTpEw6Uas
Publikationen von W. & K. Bossinger
https://de.wikipedia.org/wiki/Sph%C3%A4renharmonie
Prof. Dr. Gunter Kreutz, Musikwissenschaftler
https://link.springer.com/article/10.1007/BF02734261
Vickhoff, B., Malmgren, H., Åström, R., Nyberg, G., Ekström, S.-R., Engwall, M., Snygg, J., Nilsson, M. & Jörnsten, R. (2013). Music structure determines heart rate variability of singers. Frontiers in Psychology, 4, 334.
Brandes, V. (2007). Heilende Kräfte. Internationaler Kongress »Mozart & Science 2006«. Psyche und Soma, 29, 12.
Zentner, M., Grandjean, D. & Scherrer, K. R. (2008). Emotions evoked by the sounds of music: characterization, classification, and measurement. Emotion, 8, 494–521.
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