eine ganzheitliche Wissenschaft
Die Kymatik führt mit ihrer Betrachtung der Tonphänomene zu einer neuen Wissenschaftsgesinnung und Naturanschauung. In ihr wird deutlich, dass das Tönende und die Resonanzfähigkeit des Stofflichen die Welt bewegt und bildet. »Je mehr man sich mit diesen Dingen befasst, desto mehr stellt man fest, dass Klang das schöpferische Grundgesetz ist, es muss als Urgesetz betrachtet werden.«1Hans Jenny: Kymatik, AT-Verlag, 2009
Die Kymatik wurde von Hans Jenny (1904-1972), dem Arzt, Naturforscher und Künstler aus der Schweiz, begründet. In seinen beiden Büchern Kymatik, Band 1 und 2, die heute zu einem Buch2ebd. zusammengefasst sind, umreißt er die vielfältigen Ausläufer der Kymatik. So gehört gegenüber der Wissenschaft auch die Kunst dazu. Jenny selbst hat Hunderte von Tierzeichnungen hinterlassen, die seine Fähigkeit zeigen, das Tier in seinem Umfeld so zu erfassen, dass etwas vom Wesen des Tieres in der Farb- und Formgebung erkennbar wird.
Wie auch Goethe in seinen Studien Tausende von Zeichnungen hinterlassen hat, sucht Jenny das Gleichgewicht in Kunst und Wissenschaft. Auf dem 1. Welt-Kymatik-Kongress wird die Kunst in Gesang, Bewegung (Eurythmie) und Musik sowie auch im Zeichnen anwesend sein. (Siehe: Ralf Tita – Der 1. Welt-Kymatik-Kongress)
Ein Blick auf die Geschichte der Kymatik
Ernst Florence Chladni (1756-1827) beschrieb in seiner Schrift über die »Theorie des Klanges«, wie sich Sand auf einer Glasplatte, durch einen Geigenbogen zum Schwingen gebracht, zu Formen und Figuren ordnet, den Chladnischen Klangfiguren. »Sowohl wissenschaftstheoretisch als auch kulturhistorisch gehört es zu den merkwürdigsten Begebenheiten, dass diese für ein umfassendes Weltbild so grundlegende Entdeckung der formbildenden Kräfte von Schwingungen und Tönen lange Zeit weitgehend unbeachtet blieb und nur wenigen Physikern aus dem Fachbereich der Akustik bekannt war«, wie es Alexander Lauterwasser in seinem Vorwort zur »Kymatik« von Hans Jenny beschreibt.3Hans Jenny: Kymatik, AT-Verlag, 2009
Erst 1904 veröffentlichte Margaret Watts Hughes »Eidophone Voice Figures«. In dem von ihr als »Eidophone«4Von Hans Jenny Tonoskop genannt bezeichneten, Krug-ähnlichen Gegenstand konnte seitlich durch ein Rohr hineingesungen oder hineingesprochen werden. Auf der oberen Öffnung wurde eine Membran gespannt, auf der ebenfalls Figuren und Formen entstanden, die durch Sand sichtbar gemacht wurden. Ausgangspunkt war aber nun die menschliche Stimme. Wiederum ein halbes Jahrhundert später begann Hans Jenny als der erste Naturforscher, sich den Fragestellungen zu widmen, die aus den »Chladnischen Klangfiguren« hervorgehen. Er vermochte die unzähligen Ausläufer dieser neuen Forschungsrichtung geordnet und strukturiert aufzufinden und darzustellen. »Was aber könnte den inneren Anstoß zu einer solchen, schließlich sein ganzes Leben prägenden, unermüdlichen Forschungstätigkeit gegeben haben? Eine mögliche Antwort liegt vielleicht in den Motiven seiner von ihm selbst gemalten Bilder: Es sind Darstellungen von Tieren – jedoch nicht als Abbilder derselben, sondern eher als Schilderungen der Begegnung von Mensch und Natur. Diese Bilder sind Ausdruck einer Freude an der lebendigen Natur, eines Staunens und Fragens angesichts der sich in ihr offenbarenden Geheimnisse«.5Alexander Lauterwasser im Vorwort zu Hans Jenny: Kymatik, AT-Verlag, 2009
Bevor Jenny das erste Buch über Kymatik veröffentlichte, widmete er sich dem Typus in der Tierwelt. Und die Gesinnung, mit der er dieses tut, lässt sich mit seinen Worten zusammenfassen: »Was wächst aus der Natur selbst als Anschauung hervor, wenn beachtet wird, daß sie in allen Veränderungen dieselbe ist, daß sie einen gewissen Stil hat, dessen Motive und Elemente im Wandel der Dinge immer wieder hervortreten? Sind diese Motive und Elemente in der Anschauung zu fassen?… Das Wesentliche ist, daß in den Schriftzügen der Natur selbst gelesen wird«.6Hans Jenny: Typus, Natura-Naturans Verlag, 1954
Dieses Lesen hatte Johann Wolfgang von Goethe begonnen, indem er Beobachtung, exaktes Denken und die künstlerische Erfassung (z.B. durch Zeichnungen) des Gegenstandes zusammenfügte.
Rudolf Steiner hatte diese »Eigenart« Goethes zur Methode erhoben und sie »Goetheanismus« genannt, mit dem als Grundlage immer zuerst das Phänomen (z.B. im Experiment)7Siehe Johann Wolfgang von Goethe: Der Versuch als Vermittler von Subjekt und Objekt. angeschaut, durchdacht und künstlerisch erfasst wird.
Goethe benannte den Typus als das Wesen des Organischen, das nicht im Stofflichen liegt, sondern dieses Stoffliche gestaltet. Steiner hat in seiner Frühschrift »Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung« den Begriff des Typus von Goethe aufgenommen und als Kennzeichen des Organischen gegenüber dem Anorganischen dargestellt, indem der Typus in der Lage ist, die Metamorphosen einer Pflanze oder eines Tieres zu gestalten (Morphologie).
Jenny bringt 1967 in »Kymatik«, Band 1, in fundiertester Weise moderne Forschungsgesinnung mit den Möglichkeiten der Technik zusammen, so dass in Verbindung mit seiner künstlerischen Grundhaltung ein neuer Ansatz gefunden ist, die Welt der Naturerscheinungen im Verhältnis zum Menschen zu erfassen.
Die Kymatik untersucht die Rahmenbedingungen für das Phänomen in der Welt und wie sich dabei die Parameter der bisher bekannten Wissenschaft (und der noch entstehenden) zu dem Phänomen der Strukturentstehung aus dem (Klang-, Schall-) Tonspektrum verhalten.
Eine neue Wissenschaftsgesinnung
Entscheidend ist nun im Umgang mit den kymatischen Phänomenen, sich in der Begriffsbildung an das Phänomen zu halten und dabei nicht die eigene Weltanschauung in die Versuchsanordnung einfließen zu lassen.
Gerade der Verzicht auf vorgefasste Begriffsbildung charakterisiert den Anfang einer neuen Wissenschaftsgesinnung, bei der das Phänomen selbst sich im Menschen aussprechen kann. Dazu gehören natürlich eine innere Schulung und das Bewusstsein, dass der Ausgangspunkt in der Versuchsbeschreibung sowie Versuchsanordnung, ja der ganze Versuch selbst in seiner Prägung durch den Experimentator geschieht. Erst im vergleichenden Betrachten mit anderen Forschern kann der Wahrheitsgehalt schrittweise herauskristallisiert werden. Es besteht also ein gesetzmäßiger Weg, bis das Laboratorium zum Altar8Eine Formulierung nach Rudolf Steiner in GA 118, S. 91, »… Der Laboratoriumstisch muß erst zum Altar werden. … Das wird bald schon kommen …«. werden kann.
Entscheidend ist es, weder Erinnerungen noch Analogien oder jegliche strukturelle Ähnlichkeiten assoziativ aufsuchen zu wollen. In der neuen Wissenschaftsgesinnung geht es darum, aus der Wahrnehmung (durch die Sinne) die Begriffe schrittweise so zu bilden, dass die Synthese beider (Begriff und Wahrnehmung) langsam im Herzen geschieht und durch das Phänomen selbst ständig prüfbar bleibt. Für jegliche Theorie heißt dies ein Bilden aus dem »Wahrnehmlichen« heraus.
Um das zu erfassen, was in der Kymatik begonnen wird, hilft es, der Unterscheidung, die Alanus ab Insulis (1115-1203) vorausblickend für alle Zukunft vorgenommen hat, zu folgen. Alanus unterscheidet den Weg an die Naturerscheinungen heranzutreten – dabei zuerst Begriffe bildend – von dem Weg, sich der Natur zuerst über die Wahrnehmung zu nähern. Das Letztere nennt er Theophania, das Erstere Philosophie.
»… Es besteht also deutlich ein Unterschied zwischen der Philosophie (philosophia) und der Gotteserscheinung (theophania); sie unterscheiden sich darin, daß die Naturphilosophie beim Geist [oder bei der Erkenntnis: intellectus] beginnt und zur Erfahrung des Dinges aus dem Sinn herabsteigt. Die Naturphilosophie nimmt nämlich geistig wahr, daß beispielsweise der Pfeffer seiner Natur nach heiß ist, und hinterher macht sie auch die [entsprechende] Erfahrung in der Sinneswahrnehmung. Die Gotteserscheinung (theophania) beginnt dagegen mit der Sinneswahrnehmung und richtet sich auf ein geistiges Verstehen (intellectus).«9Alanus ab Insulis: Hierarchia Alani. In: Alain de Lille: Textes inédits. Ed. Marie-Thérèse d’Alverny. Paris 1965, S. 228
»Mit den Begriffen ›philosophia‹ und ›theophania‹ werden zwei Erkenntnisarten unterschieden: die ›philosophia‹ setzt mit der rein geistig-begrifflichen Erkenntnis ein und geht dann zur sinnlichen Erfahrung des Erkannten über. Alanus beschreibt damit das Verfahren der Naturphilosophie als einer Naturerkenntnis, deren Verfahren der heutigen Naturwissenschaft genau entgegengesetzt ist. Denn die moderne Naturwissenschaft gelangt von der Sinneserfahrung zu bestimmten (geistigen) Begriffen. Dieser ›philosophia‹ steht im Sinne des Alanus die ›theophania‹ gegenüber, und diese hat – formal betrachtet – mit der heutigen Naturerkenntnis die Verfahrungsweise gemeinsam: sie beginnt mit der sinnlichen Wahrnehmung der natürlichen bzw. geschaffenen Welt und gelangt von dort aus zu einer begrifflich-geistigen Erkenntnis.
Auffällig ist hier, dass Alanus die an die Sinneserfahrung gebundene Erkenntnis der geschaffenen Welt oder der Natur als den Zukunftsweg des Menschen zur Gotteserkenntnis beschreibt – er ist nicht etwa der Ansicht, daß eine Geisterkenntnis, die sich später Bestätigungen in der Sinneswahrnehmung sucht, zur Gotteserkenntnis führen würde. Und die ›naturwissenschaftliche‹ Gotteserkenntnis bezeichnet auch dasjenige Erkenntnisgebiet, auf dem der Mensch ›in der Zukunft‹ dem Engel gleich werden kann. Alanus beschreibt hier demnach eine zukünftige Naturwissenschaft als Grundlage der Geist- oder Gotteserkenntnis. Damit verweist er aber in einer fast prophetischen Weise die neuzeitliche Naturwissenschaft auf ein Gebiet jenseits ihrer heute selbst gesetzten Grenzen …«.10aus: Wolf-Ulrich Klünker: Alanus ab Insulis, Entwicklung des Geistes als Michael-Prinzip, Edition Hardenberg, Verlag Freies Geistesleben, 1993, S. 19f.
Es bedarf nach Alanus keines Glaubens mehr, wenn das Wissen mit innerer Zustimmung gewonnen wird und dabei der Sinneseindruck als Wahrnehmung (ohne Begriff) am Anfang steht. Wurde also die Gotteserscheinung in der vorchristlichen Zeit über die Begriffe in den Sphären gesucht, so geschieht nun das Aufsuchen des Logos über die Wahrnehmung in den Sinnesphänomenen, die der Logos seit der Auferstehung durchzieht. Wir schauen also im Phänomen nach Alanus in das Göttliche (Theos – Gott, Phanie – Erscheinung: Theophanie – Gotteserscheinung). In den Phänomenen teilt sich uns mit, wie die Natur selbst nun sprechen möchte, dabei aber des Menschen in der Erkenntnis bedürftig ist.
Eines dieser natürlichen Phänomene ist die Periodik, die sich wiederholende, wellende Bewegung, die die Systeme des Kreislaufs, der Atmung und des Blutes durchzieht. In Systole und Diastole nehmen wir am Urrhythmus von Ausdehnung und Zusammenziehung Anteil, der sich so als Grund für alle periodischen Verhältnisse der Natur finden kann. Ähnliches lässt sich so auch in den Nerven in serialer Weise finden, so kann man dort von Frequenzen sprechen, es liegt auch in der Muskulatur vor, die sich in Schwingungszuständen befindet (Tonus).
Das, was wir in der Natur so als Geschehen betrachten, läuft also nicht kontinuierlich ab, gleichsam in einer Geraden, sondern fortwährend schwingend, wellend und pulsierend. Nach Jenny finden sich überall seriale Elemente, sich wiederholende Strukturen, die die Natur aufbauen. Überall in den Strukturen der Pflanzen- oder Tierwelt lassen sich regelmäßige Folgen sich wiederholender Wechsel polar gearteter Phasen auffinden. Auch innerhalb der Zellen, in den Teilungsprozessen und den Gensystemen sind solche oszillierenden Prägungen vorhanden. Ebenso treten uns in der Physik in vielen Formen Schwingungen als Wellen entgegen: »In den ausgedehnten Spektralbereichen von der Gammastrahlung, den Röntgenstrahlen, über das ultraviolette, über das sichtbare Spektrum zum Ultrarot (Wärmestrahlen), zu den elektrischen Wellen (Mikro- und Radiowellen) ist ein Weltgebiet gegeben, das in reinstem Sinne periodisch genannt werden kann. Dazu kommen die Wellen in den Aggregatzuständen, die akustischen Schwingungen, der Ultra- und der Hyperschall. Aber ebenso erweisen sich die Gitterstrukturen der kristallinischen Materie als periodisch. In der Mineralogie ist der periodische Bau ein beherrschendes Prinzip (Raumgitter) …«.11Hans Jenny: Kymatik, AT-Verlag, 2009
Der Aspekt des Periodischen umfasst aber auch die Schwingungen in den kosmischen Systemen wie Rotationen, Pulsationen, Turbulenzen, Umläufe, Sphärengliederungen, Plasmaschwingungen bis hinein in die Atomphysik und dann die Kernphysik (Schalengliederung, Nukleonenstruktur, Gliederung von Mesonenwolken, Sphärenschwingung). Die Periodik umfasst aber auch die Struktur- und Kolloidchemie, mechanische Spannungserscheinungen, wie z.B. in der Spannungsoptik, und viele andere Bereiche mehr. Es tritt durch die Kymatik zu der Teilchenvorstellung immer der Wellenaspekt hinzu. So gilt das Wiederholungsgesetz auch in den Kluftsystemen geologischer Formationen. Und auch die Sonnenphysik ist durchdrungen von Schwingungs- und Wellenprozessen. Hier können die bestehenden Vorstellungen durch das Erfassen serialer Strukturen, akustischer Wellen, Plasmaschwingungen, Turbulenzen, Wiederholungstendenzen vielfacher Art und damit periodischer Dynamiken ergänzt werden.
»Es sei betont, daß es nicht darum geht, das Periodische, das Rhythmische für sich darzustellen, es aus dem Zusammenhange seiner Welt nach wellentheoretischen Gesichtspunkten herauszulösen. Im Gegenteil: es soll in seiner Welt, in seinem Milieu aufgespürt werden, um seine spezifischen Effekte zu entdecken, um seine vielfache Wirkung zu erkennen. […] Will man das umrissene Forschungsfeld kennzeichnen, so kann man ihm den Namen Kymatik geben (to kyma die Welle, ta kymatika, die Dinge, die sich auf die Wellen beziehen, die Wellendinge). Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß es sich nicht nur um Schwingungsphänomene im engeren Sinne handelt, sondern eben vor allem um Schwingungseffekte.«12ebd.
Jedes Wellenphänomen (Jenny nennt es Schwingungseffekt) »… weist eine Signatur der Gestaltung, der Bewegung und eines Kräftespiels auf«.13ebd. Und dieses Ganze des Phänomens erscheint immer als Periodik, die alles erzeugt und erhält, mit den beiden Polen Figur und Dynamik. Diese drei sind in den Phänomenen nicht voneinander zu trennen. Man kann also nun sagen: »… dreifach erscheinend und doch eins, als eines sich darstellend und doch dreifältig«.14ebd.
Kunst und Wissenschaft
Novalis verweist auf das innere Verhältnis von Kunst und Wissenschaft als zwei Wege, wie der Mensch etwas durch sich und seine Organe hindurchzieht:
»Die Kunst zerfällt, wenn man will, in die wirkliche (vollendete, durchgeführte, mittels der äußeren Organe wirksame) Kunst und in die eingebildete (unterwegs in den innern Organen aufgehaltene und nur mittels dieser wirksamen) Kunst. Letztere heißt »die Wissenschaft« im weitesten Sinne. Beide zerteilen sich in die Hauptabteilungen, in die bestimmte, durch Gegenstände oder andre Zentralfunktionen der Sinne schon gerichtete, durch Begriffe determinierte, endliche, beschränkte, mitteilbare Kunst – und in die unbestimmte, freie, unmittelbare, originelle, nicht abgeleitete, zyklische, schöne, selbständige, reine Ideen realisierende, von reinen Ideen belebte – Kunst. …«15Novalis: Fragmente, 1095
Nehmen wir diese Aussagen von Novalis ernst, so ist eine Wirklichkeitsauffassung ohne das richtige Verhältnis von Kunst und Wissenschaft im Menschen nicht möglich. Die Kunst wird wie Ausatmen der Seele zum Einatmen durch die Wissenschaft, indem die Wissenschaft abbildet in Begriffen und die Kunst in der Signatur der menschlichen Seelenausatmung die Welt bespricht.
Es besteht also die Aufgabe, Kunst und Wissenschaft tätig in sich durch die Phänomene und die Antwort der Seele auf diese in Einklang zu bringen. Kehren wir wieder zurück zu unserem Weg, das Laboratorium Altar werden zu lassen.
Was in der Welt ist denn nicht Ton?
Was ist nicht Rhythmus und damit Periodik?
Was ist nicht Klang?
Was ist nicht Geräusch und damit nicht Schall?
Was ist nicht Form?
Was ist nicht Dynamik?
Und was ist nicht das Zusammenspiel all dieser?
Und so ist es erforderlich, dass wir die Grundlagen mit Hans Jenny neu prüfen zu Gunsten einer Phänomenologie und Kunst aus der Welt und dem Menschen.
Dass die Welt aus dem Klang entstanden ist, davon berichten uns alle Religionen. (Im Anfang war das WORT; OM MANI PADME HUM, OM – die Urklangkraft; Veda – das göttliche Schöpfungswort …). Wie aber heute der Mensch die Welt auf Grund der Phänomenologie der Kymatik in Wissenschaft und Kunst begreifen kann, das ist die Hauptfrage, die dem 1. Welt-Kymatik-Kongress gestellt ist.
»Alles will Ton werden«, so Friedrich Hölderlin.
Zusammenfassung unter dem Begriff des Äthers
Das, was die Stoffwelt bildet, ist nach der Geisteswissenschaft der Äther. Ohne den Ätherbegriff wird es nicht gelingen, die Entstehung der Welt in der neuen Wissenschaft der Kymatik zu erfassen.
Greifen wir auch da historisch etwas zurück: Einige wesentliche Wissenschafter, Ita Wegman, Ehrenfried Pfeiffer und andere um Rudolf Steiner, arbeiteten Günther Wachsmuth dasjenige zu, was es brauchte, um die ätherischen Bildekräfte zu beschreiben. Hören wir nun seine einleitende Beschreibung zu den Chladnischen Klangfiguren und damit zu der Frage, wie sich heute geisteswissenschaftlich die Physik erweitern lässt:
»Es soll im folgenden nicht auf das Tonerlebnis und die Harmonielehre der Tonwelt eingegangen werden, weil dies einer gesonderten Besprechung bedarf. Die Schöpfer großer Weltanschauungsbilder, wie Kepler, wußten ja noch die ›Zusammenklänge der Welten‹ (›Harmonices mundi‹) des kosmischen Systems mit den Harmonien der durch den Menschen erlebbaren Tonwelt in innere und äußere Beziehung zu setzen, eine Erfassungsmöglichkeit großer Zusammenhänge, die unserer abstrakten Verstandeskultur verlorengegangen ist. Dadurch ist uns aber auch das wirkliche Verständnis gewisser organisch verknüpfter Abhängigkeiten kosmischer und irdischer Prozesse verlorengegangen, die sogar für das Messen, Zählen und Wiegen von großer Wichtigkeit sein könnten. Während also die ›Harmonices mundi‹ einer gesonderten Betrachtung vorbehalten bleiben müssen, soll hier vorerst die Entstehung des irdischen Phänomens ›Ton‹ im Rahmen der Wirksamkeit der ätherischen Bildekräfte betrachtet werden.
Wir hatten im Kapitel II über die ätherischen Bildekräfte den Chemischen Äther auch den ›Klangäther‹ genannt, und dies folgendermaßen ausgeführt: ›Der Chemische Äther betätigt sich nicht nur in der ihm eigenen Art in der Differenzierung, dem Trennen und Zusammenfügen der Substanzen, seine Kräfte sind es auch – nur gleichsam in einer Betätigung auf einem anderen Wirkungsfeld –, die den sinnlich wahrnehmbaren Ton vermitteln. Die innige Verwandtschaft dieser beiden Gebiete wird uns ja bei dem Phänomen der Chladnischen Klangfiguren deutlich. Da ist es Ton, der das Durcheinanderfügen, das Ordnen und Formen von Stoffen und Stoffgebilden bewirkt. Was der grobsinnliche Ton da in dem Staub bewirkt, das geschieht überhaupt im Raum. Der Raum wird durchwogt von den Kräften des Chemischen Äthers, die den Stoff nach Art der Chladnischen Staubfiguren differenzieren, trennen und zusammenfügen. Der Chemische Äther hat auch in Wirklichkeit tonartige, klangartige Wesenheit, wovon der sinnliche Klang, der Ton, den das sinnliche Ohr hört, nur ein äußerer Ausdruck, nämlich ein durch die Luft hindurchgegangener Ausdruck ist.«16Günther Wachsmuth: Die ätherischen Bildekräfte in Kosmos, Erde und Mensch, 9. Kapitel unter Mitwirkung der genannten Wissenschaftler.
Die Wirklichkeitsstufe, die als Innerstes der Materie gesucht wird, ist der Äther. Da dieser, nach Rudolf Steiner, im Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Naturwissenschaft entfernt wurde, sucht man quasi das Stück Holz allein aus dem Licht zu erklären (Photosynthese, also mechanisch), anstatt den Äther im Lichtprozess in allen biochemischen Prozessen anschauen zu wollen, wie es z.B. Dr. Hauschka getan hat. Alles, was sich tatsächlich im Ätherischen abspielt, wird so im Stofflichen gesucht. Von daher sind die alten Mythen zur Weltentstehung eine Prüfung an uns, mit welcher Anschauung wir ihnen gegenübertreten: rein materialistisch (mechanisch) oder das Werden des Stoffes und damit der Welt aus dem Äther suchend.
Dies hat für alle Experimente der Zukunft nachhaltige Folgen. Wo beginnt die Beobachtung und mit ihr das denkende Durchdringen der Phänomene? Solange wir also allein mit der bisherigen Naturwissenschaft die Phänomene ergründen wollen, werden wir den Bereich der Kausalität und damit des Mechanischen nicht verlassen können. Wie auch in der Medizin geht es um die Erweiterung der Naturwissenschaft durch die Geisteswissenschaft.
Atmani ist Komponist, freier Forscher, Maler, Lehrer, Heiler und Autor zahlreicher Bücher, gründete vor 14 Jahren das »Haus des Gesanges«. Er studierte u.a. in Moskau Komposition, hat ein Waldorflehrer-Diplom inne und gibt verschiedene Ausbildungen (Heilerausbildung-Anthropofonetik, Heilsänger, Bewegungsschule Logos-Gradualis, Orphisch-Musische Erziehung u.v.m.)
Artikel zum Thema
- Atmani – Kymatik (Video-Interview)
- Die Sehnsucht des Klanges und seine multidimensionale Wirkung
- Hans Cousto – Die Kosmische Oktave
- Dietlinde Küpper – Musik als Tor zum Transzendenten
- Hannes Heyne – Musikalische Ökologie
- Dr. Jens Heisterkamp – Die Seelen-Lehre Rudolf Steiners
Weitere Beiträge auf www.tattva.de (noch nicht als Volltexte in Tattva Members eingepflegt):
- TV 18: Dr. Hans Jenny – Kymatik. Die Wirkung von Klang auf Materie
- TV 18: Alexander Lauterwasser – Der schöpferische Klang. Klänge bilden Formen
- TV 20: Prof. Dr. Rudolf Haase/ Prof. Dr. Werner Schulze – Die Harmonik. Eine Einführung
- TV 44: Prof. Dr. Werner Schulze – Harmonik und Polarität. Hans Weiers, Harmonik in unserer Zeit
- TV 57: Robert Gansler – Sisyphos gegen die Gravitation. Entropische Gravitation? Im Universum wie im Wasser
- TV 77: Dr. Hans G. Weidinger – Pythagoras und die Harmonie des Kosmos