Dr.in phil. Andrea Scheutz / Mag. Michael Funovich

Dr.in phil. Andrea Scheutz / Mag. Michael Funovich – Wirksamkeit der Rituellen Trance nach Felicitas Goodman

Ein Forschungsbericht

Die Rituelle Trance nach Felicitas Goodman, die mit uralten Körperhaltungen, die den Praktizierenden in den Zustand der Trance führen können, arbeitet, wurde bisher kaum wissenschaftlich erforscht. Im folgenden Beitrag stellt die Autorin, die u. a. Tranceforscherin und Gesundheitswissenschaftlerin ist, die Ergebnisse ihrer empirischen Untersuchungen vor, die überraschende Einblicke in die Wirksamkeit der Körperhaltungen hinsichtlich der psychischen Gesundheit bieten. 

Persönlicher Zugang der Autorin

Als ich mich entschloss, die Psychotherapie-Ausbildung zu machen, kamen für mich zwei Richtungen infrage: Logotherapie / Existenzanalyse und personenzentrierte Psychotherapie. Ich begann beide Ausbildungen und führte sie ein Jahr parallel. Als ich dann vom Leiter der Logotherapie und Existenzanalyse-Ausbildung zu einer Entscheidung gebeten wurde, fiel diese ganz klar für den personen- bzw. klientenzentrierten Ansatz Carl Rogers‘ aus. Carl Rogers kommt aus der Praxis, ich auch. Er ist offen für alles, was einer Person dienlich ist, ich auch. Und diese Offenheit hat mich zur Trance gebracht. 

Als ich vor ungefähr 25 Jahren mit den Rituellen Körperhaltungen in Kontakt kam, dachte ich nicht, dass sie mich so lange begleiten würden. Damals lud mich Hermine Brzobohaty-Theuer, eine Psychotherapeutin-Kollegin und von Felicitas Goodman ausgebildete Tranceleiterin, in ihre Trancegruppe ein, und ich machte meine ersten persönlichen Erfahrungen.

»Im Laufe der Zeit eröffnete sich auch mir eine bunte, neue Welt, die mich völlig in ihren Bann zog, zumal ich mich nach jeder Trance wohl und bereichert fühlte.«

Die Teilnehmenden der ersten Trancejahresgruppe waren nicht ganz mein Fall. Zu eso- und fantasiereich erschienen sie mir als Naturwissenschaftlerin. Ihre farbenfrohen Tranceerlebnisschilderungen konnte ich nicht teilen und insgeheim belächelte ich sie. Die Trancehaltungen selbst waren körperlich meist eine Herausforderung. 

Warum ich dennoch durchhielt? Im Laufe der Zeit eröffnete sich auch mir eine bunte, neue Welt, die mich völlig in ihren Bann zog, zumal ich mich nach jeder Trance wohl und bereichert fühlte. Aber wie wirkte sie? Was stand da dahinter? Als ich mich 2003 dazu entschied, Gesundheitswissenschaften zu studieren, stellte ich die Trance in den Mittelpunkt meiner Untersuchungen. Genauer gesagt, die Rituelle Trance nach Felicitas Goodman, die neben der Psychotherapie eine weitere Möglichkeit ist, Menschen etwas anzubieten, das sie in ihrer Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit unterstützt. Zudem wird Ritualen wieder eine Bedeutung gegeben, wohltuend neben den vielen seelenlosen Ritualen, mit denen wir täglich konfrontiert sind.

Grundlagen

Trance

Zur Trnce, wie sie hier eschrieben ist, gibt es kaum Studien. Vieles, was sich Trance nennt, fällt in den Bereich der Hypnose (Reinhard 2008), die sich aber deutlich von der hier beschriebenen Trance unterscheidet. Ähnliche Phänomene wie in der Trance könnten bei Klangmassagen auftreten, wie eine erste Studie zeigt (Gommel 2010). 

Die Bezeichnung Trance wird für recht heterogene Bewusstseinszustände verwendet. Tranceforschung wird in den letzten Jahren zunehmend im Rahmen der Gehirnforschung betrieben. Erste Untersuchungen in Österreich führte Guttmann in den 90er-Jahren durch (Goodman & Guttmann, 1991). Dabei wurden während der Trance Gleichspannungsmessungen am Gehirn durchgeführt. Dabei zeigte sich ein Ausdruck eines stark aktivierten Zustandes des Gehirns (Rockstroh et al. 1989). 

Die Skelettmuskelspannung, die bei dieser Form der Trance durch die eingenommene statische Haltung entsteht, beeinflusst die Gehirnaktivitäten und erweist sich als potenter Hebel zur Bewusstseinssteuerung (Rittner & Fachner 2004). Gleichzeitig treten Theta-Wellen auf, die Merkmal größter Entspanntheit sind. Die Adrenalin- und Noradrenalinwerte nehmen ab, Beta-Endorphine werden ausgeschüttet, der Blutdruck sinkt, die Pulsfrequenz steigt an. Guttmann bezeichnet diesen Zustand mit dem Begriff »paradoxical arousal«, eine »entspannte Hochspannung« (Guttmann 1992: 282). 

Trance – Hypnose – Schlaf

Die Begriffe »Trance« und »Hypnose« werden oft äquivalent verwendet, ungeachtet der großen Unterschiede zwischen den beiden Bewusstseinszuständen. Im Zustand der Hypnose konnte keine Veränderung des Gleichspannungspotenzials am Kortex festgestellt werden (Guttmann 1991). Hypnose ist ein Zustand normaler, entspannter, aber konzentrierter Wachheit, im EEG durch Alpha-Wellen gekennzeichnet, deren Frequenzbereich zwischen 8 und 13 Hertz liegt, während die oben erwähnten Theta-Wellen eine Frequenz von 4 bis 8 Hertz aufweisen (Zschocke 2002).

Im Schlaf nimmt unmittelbar nach dem Einschlafen die gemessene negative Spannung am Kortex ab, das heißt, es kommt zu einer Reduktion der Negativierung um einige Tausend Mikrovolt (Guttmann 1991), also eine Verschiebung in genau die entgegengesetzte Richtung wie bei der Trance.

Rituelle Körperhaltungen

Felicitas Goodman, inspiriert durch die Vorlesungen von Erika Bourguignon über Religionssysteme nichtwestlicher Gesellschaften, widmete ihre Arbeit der »religiösen« oder »ekstatischen« Trance und stellte dabei fest: »… in Trance zu fallen ist eine angeborene Fähigkeit, ein Teil unseres Erbgutes, genauso wie die Fähigkeit zu gehen oder zu schlafen.« (Goodman 1994: 48)

»… in Trance zu fallen ist eine angeborene Fähigkeit, ein Teil unseres Erbgutes, genauso wie die Fähigkeit zu gehen oder zu schlafen.«

Sie machte 1977 eine überraschende Entdeckung: Die Körperhaltungen, die uns in Form von Abbildungen auf Felswänden, Tontöpfen und meist kleinen, solitären Statuen aus der Kunst längst vergangener Kulturen erhalten geblieben sind, haben rituellen Charakter (Goodman 2000: 36). Ohne die uns meist unbekannte Kultur kennen und übernehmen zu müssen, kann in Begleitung rhythmischer Anregung visionäres Erleben erfahren werden. Goodman stellte sich die Frage, was die Quelle dieser Erlebnisse sein könnte. Sie führte Haltungen mit Personen aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen durch und konnte beeindruckende Übereinstimmungen feststellen, die nicht aus der Kultur der einzelnen Person stammten, sondern offensichtlich mit der jeweiligen Haltung zusammenhingen. Seit der Wiederentdeckung durch Felicitas Goodman werden die Körperhaltungen, von denen es rund 80 gibt, erforscht. Heilen im schamanischen Sinn bedeutet, das Gleichgewicht und die Ganzheit wiederzugewinnen und zu erhalten. So gibt es neben dem körperlichen Aspekt einer Erkrankung auch noch den emotionalen und spirituellen Aspekt (Hunger 2005). »Ein Heilritual führt häufig zu tiefgreifenden Veränderungen in der Seele und dem damit eng verbundenen Immunsystem – eine gute Voraussetzung zur Mobilisierung der eigenen Heilkräfte, zur Gesundung des ganzen Menschen.« (Goodman & Nauwald 1998: 82). 

Was die Rituellen Körperhaltungen so sympathisch macht, ist, dass es keinen »Meister« braucht. Die Praktizierenden sind »gleichwertig«, es zählt das eigene Erleben, nichts wird interpretiert oder analysiert. Jede Person macht ihre eigenen Erfahrungen, ihre eigene Entwicklung durch.

Saami-Haltung

Als Beispiel sei hier die Haltung »Die Saami-Haltung« angeführt. Im 17. Jahrhundert wurde diese Haltung durch eine Zeichnung festgehalten. Sie stammt von den Saamis, nomadisch lebenden Rentierhirten im Norden Europas.

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Um diese Haltung einzunehmen, legt man sich flach auf den Bauch und dreht das Gesicht nach rechts. Der rechte Arm ist am Kopf vorbei gerade ausgestreckt. Der linke Arm befindet sich links neben dem Kopf, zum rechten Arm hin leicht angewinkelt. Die Finger beider Hände sind geschlossen. Die Beine sind auf Knöchelhöhe gekreuzt, das rechte Bein liegt über dem linken. Auf dem Rücken liegt eine flache Rahmentrommel.

Empirische Untersuchungen

Pilotstudie

Im Zuge ihrer Masterthesis 2004/05 verfasste die Autorin eine Pilotstudie, die zum Ziel hatte, den Zusammenhang zwischen einer tranceinduzierten Methode und dem Kohärenzgefühl als zentralen Aspekt der Salutogenese zu untersuchen (Antonovsky 1997). Dafür wurden zehn Ritualsitzungen mit standardisiertem Verlauf durchgeführt. Vor der ersten und nach der letzten Sitzung wurde der Fragebogen zum Kohärenzgefühl (engl. Sense of Coherence, SOC) nach Antonovsky (Singer & Brähler 2007) vorgegeben. Nach Antonovsky (1979) stellt der SOC (das Kohärenzgefühl) eine globale Orientierung dar, die das Ausmaß des Vertrauens ausdrückt, dass die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Zunahme im Gesamtwert des Kohärenzgefühls (Scheutz et al. 2013).

»Die Fähigkeit, das eigene Wissen und die Begabungen einsetzen zu können, wird als Selbstwirksamkeit bezeichnet.«

Die Teilnehmenden nannten unter anderem positive Veränderungen im Selbstwertgefühl, Steigerung des Vertrauens in die eigene Kraft, Verstärkung des körperlichen Wohlbefindens und der Entspannungsfähigkeit sowie eine allgemeine Steigerung der Lebensqualität. Die Ausübung der Rituellen Körperhaltungen zeigt eindeutig eine positive Auswirkung auf die »manageability«, also das Gefühl der Handhabbarkeit des Alltags. So berichtete eine Teilnehmerin:

»Grundsätzlich fühle ich mich ruhiger und angekommener in diesem Leben – hier und jetzt. Einige Haltungen hatten aber auch einen energetischen und aktivierenden Effekt; z. B., dass ich plötzlich die Kraft hatte, gewisse Dinge zu tun oder Entscheidungen zu treffen, was ich vorher nicht getan habe, aber genauso gut tun hätte können. Ich bin durch dieses ›Wieder-in-Verbindung-treten-mit-dem-Universellen‹ viel zuversichtlicher und fröhlicher und lebenshungriger geworden. Ich mag mich selbst viel lieber. Ich habe ein neues Gefühl der Liebe entwickelt. Zu mir selbst und zu anderen Personen und Wesenheiten.«

Um Trance wissenschaftlich zu erfassen, ist diese Methode allerdings unzureichend. Deshalb wollte die Autorin in ihrer im vorliegenden Text wiedergegebenen Dissertation wissen (Scheutz et al. 2013), ob sich die Trance und das Tranceerleben auf das Selbstkonzept, die Selbstwirksamkeit (internaler und externaler Locus of Control), die Befindlichkeit, Angst und depressives Erleben auswirken.

Studie

Diese Studie beschreibt die förderlichen Auswirkungen der tranceinduzierten Methode der »Rituellen Körperhaltungen und Ekstatischen Trance«-Behandlung auf das subjektive Wohlbefinden, die Befindlichkeit, die Angst bzw. Ängstlichkeit sowie die Selbstwirksamkeit bzw. die generalisierten Kontrollüberzeugungen. Es wurde erwartet, dass zu Beginn der Therapie sich Behandlungsgruppe (BG) und Kontrollgruppe (KG) in der Ausprägung dieser Variablen nicht unterscheiden, am Ende der Therapie aber die BG sich in allen Aspekten verbessert, während die KG sich nicht verändert oder sogar verschlechtert.

Locus of Control und Selbstwirksamkeit

Das Konstrukt der Kontrollüberzeugungen (Locus of Control) beschreibt generalisierte Erwartungen von Personen, die das Eintreten von Ereignissen dem eigenen Handeln (internal) oder externalen Quellen zuschreiben. Es wird zwischen drei Kontrollerwartungen unterschieden, je nachdem, ob das Eintreten von Ereignissen vom eigenen Handeln, vom Handeln anderer oder vom Schicksal abhängig gemacht wird. Die daraus resultierenden generalisierten Kontrollorientierungen werden internale, sozial-externale bzw. fatalistisch-externale Kontrollüberzeugungen genannt (Lohaus 1992).

»Je mehr eine Person an ihre Fähigkeiten glaubt, das Leben mitzugestalten, umso weniger stress- und krisenanfällig ist sie, umso größer ist ihre Motivation, sich Herausforderungen zu stellen.«

Kontrollüberzeugungen können sich auch auf Gesundheit und Wohlbefinden beziehen (Lachman et al. 2011). Sie bestimmen die Erwartungshaltung in Bezug auf die Beeinflussbarkeit der Gesundheit (Lohaus 1992). Menschen mit einer geringen internalen Kontrollüberzeugung haben eher ein erhöhtes Risiko, an Depressionen, Ängsten und Stress zu leiden, treffen weniger gesundheitsfördernde Maßnahmen und sind oft in einem schlechteren gesundheitlichen Zustand (Lachman et al. 2011). 

Die Fähigkeit, das eigene Wissen und die Begabungen einsetzen zu können, wird als Selbstwirksamkeit bezeichnet. Diese ist umso größer, je mehr eine Person das Gefühl hat, Kontrolle über und Einfluss auf das eigene Leben zu haben.

Je mehr eine Person an ihre Fähigkeiten glaubt, das Leben mitzugestalten, umso weniger stress- und krisenanfällig ist sie, umso größer ist ihre Motivation, sich Herausforderungen zu stellen. Unbegründete Angst und Vermeidungsverhalten sind oft eine direkte Folge von niedrigen Erwartungen an die eigene Selbstwirksamkeit (Bandura 1993).

Stichprobe

Alle Teilnehmenden befanden sich in psychotherapeutischer Behandlung, wurden über eine Aussendung an Psychotherapiepraxen, Universitäten und Netzwerke gewonnen und gaben ihre Einwilligung zur Untersuchung.

Messinstrumente

Vor Beginn der Sitzungen und am Ende des Zeitraumes der Sitzungen wurden folgende Messinstrumente vorgegeben: der WHO-5, die Befindlichkeits-Skala zur Selbstbeurteilung (Bf-S: Zerssen 1976), das State-Trait-Anxiety Inventory (STAI: Spielberger et al. 1970, deutsche Version Laux et al. 1981) und der Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung (FKK: Krampen 1991).

WHO-5

Der WHO-5 (World Health Organisation-Wellbeing Index) wird als Screeninginstrument zur Erfassung des Wohlbefindens verwendet bzw. um Aussagen über eine vorhandene Depression oder Burn-out zu treffen (who-5.org). Er besteht aus fünf Statements, die einen positiven Zustand beschreiben, die auf einer sechsstufigen Skala beurteilt werden können (von 0 – zu keinem Zeitpunkt bis 5 – die ganze Zeit). Bei vollständigem Wohlbefinden kann man eine Summe von 25 erreichen. Ein Wert >13 spricht für gutes Wohlbefinden, bei einem Wert <13 kann von einem reduzierten Wohlbefinden gesprochen werden und eine gezielte Diagnostik zur Abklärung einer klinischen Depression wird empfohlen. Der Fragebogen WHO-5 erwies sich z. B. in einer Untersuchung von Henkel et al. (2003) als die beste von drei Screeningmethoden zur Depression, die in der Erstversorgung verwendet werden.

Befindlichkeits-Skala zur Selbstbeurteilung (Bf-S: Zerssen 1976)

Die Bf-S ist zur Erfassung der Befindlichkeit auch in kurzen Zeitintervallen geeignet. Sie liegt in zwei Parallelformen (Bf-S und Bf-S‘) vor, die jeweils aus 28 Gegensatzpaaren von Eigenschaftswörtern bestehen. Der Gesamtscore liegt zwischen 0 und 56. Eine wiederholte Anwendung der Skala ermöglicht eine Objektivierung von Befindlichkeitsveränderungen. Dabei zeigt ein niedriger Wert eine gute Stimmung an. Sinkende Werte zwischen den Messungen weisen auf eine Verbesserung des Befindens hin, während steigende Werte auf eine Verschlechterung hindeuten. Es besteht eine hohe Korrelation mit der klinischen Einschätzung von Depressivität von Personen.

State-Trait-Anxiety Inventory (STAI: Spielberger et al. 1970; deutsche Version Laux et al. 1981)

Das STAI stellt gegenwärtig das im deutschen Sprachraum am weitesten verbreitete Instrument zur Angstmessung dar. Er enthält zwei Skalen: Die Skala X1 erfasst die Zustandsangst, d. h. die Angstintensität in einer bestimmten Situation (vorübergehender Zustand, der durch Anspannung, Nervosität und Furcht vor aktuellen und zukünftigen Ereignissen gekennzeichnet ist). Die Skala X2 misst die allgemeine Ängstlichkeit als relativ überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal und beeinflusst die Bewertung einer Situation im Sinne einer grundsätzlichen Neigung zur Ängstlichkeit. Generell stufen Hochängstliche mehr Situationen als bedrohlich ein und reagieren mit einem höheren Zustandsangstanstieg als wenig ängstliche Personen (Spielberger et al. 1970). Jede Skala enthält 20 Items, auf jeder Skala kann ein Wert zwischen 20 und 80 erreicht werden. Die beiden Skalen weisen eine mittelhohe Korrelation auf (Laux et al. 1981).

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Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (FKK) (Krampen 1991)

Der FKK erfasst die Kompetenz- und Kontingenzerwartungen über generalisierte Handlungs- und Lebenssituationen und das generalisierte Selbstkonzept der eigenen Fähigkeiten (FKK-SK). Er besteht aus 32 Items. Es werden zusätzlich zu dem generalisierten Selbstkonzept (FKK-SK) drei Aspekte generalisierter Kontrollüberzeugungen erfasst: Internalität (FKK-I) als die subjektiv bei der eigenen Person wahrgenommene Kontrolle über das eigene Leben und über Ereignisse in der personspezifischen Umwelt; sozial bedingte Externalität (FKK-P: »powerful others control orientation«) als generalisierte Erwartung, dass wichtige Ereignisse im Leben vom Einfluss anderer (»mächtigerer«) Personen abhängen; fatalistische Externalität (FKK-C: »chance control orientation«) als generalisierte Erwartung, dass das Leben und Ereignisse von Schicksal, Glück, Pech und dem Zufall abhängen. Aus diesen vier Primärskalen lassen sich Sekundär- und Tertiärskalen ableiten. Die erste Sekundärskala wird als Dimension der generalisierten Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (FKK-SKI) bezeichnet, wobei unter Selbstwirksamkeit (selfefficacy) die Überzeugung verstanden wird, in einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen zu können. Die zweite Dimension beschreibt die generalisierte Externalität in Kontrollüberzeugungen (FKK-PC). Beide Skalen setzen sich aus jeweils 16 Items zusammen. Die Tertiärskala (FKK-SKI-PC) ist eindimensional und wird von Krampen (1991) als unscharf angesehen, sie geht daher nicht in die Auswertung ein.

Durchführung

Trancereisen haben wie jedes Ritual dezidiert einen Anfang und ein Ende. Der Ablauf war bei jeder Sitzung im Rahmen der Studie wie folgt: Zunächst stimmte sich die Gruppe gemeinsam durch geführte Bewegung auf die Sitzung ein. Wir reinigten den Raum mit Salbei- oder Wacholderrauch und riefen die Elemente, die Ahninnen und Ahnen. Durch gemeinsames Rasseln und Tönen stimmten wir uns ein. Nach einer Ruhepause mit aufmerksamem Atmen zeigte die Autorin die Haltungen vor, die die Teilnehmenden einnehmen sollten.

In allen Behandlungsgruppen verliefen die Sitzungen nach dem gleichen Muster:

  1. Gemeinsames Einstimmen auf die Sitzung durch geführte Bewegung
  2. Reinigung mit Salbei- oder Wacholderrauch
  3. Rufen der Elemente und der Ahnen und Ahninnen
  4. Gemeinsames Rasseln und Tönen
  5. Ruhephase mit aufmerksamem Atmen 
  6. Einnehmen der Haltung
  7. Statisches Verweilen in der Haltung für 15 Minuten; die Trance wird durch Rassel- bzw. Trommelbegleitung induziert
  8. Anschließend Ruhephase und die Möglichkeit, das Erlebte aufzuschreiben, zu zeichnen oder zu malen
  9. Verabschiedung der Geisterwesen, Ahnen und Ahninnen
  10. Möglichkeit des Austausches ohne Interpretation
  11. Aufhebung des Settings.

Wieder am Beispiel der Saami-Haltung berichteten die Teilnehmenden von Erfahrungen wie:

»Blitzartig finster, Sternenhimmel, ich fliege herum. Plötzlich ganz weiß, rechte Hand schwer und kalt wie Gelpfropfen. Restlicher Körper wie auf Wolken. Plötzlich Stimme: ›Bist wieder überfahren worden?‹ Meine Antwort: ›Ja, die überfahren mich dauernd.‹ ›Was kann ich tun?‹ ›Werde groß.‹ Plötzlich wachse ich. Zug unter mir wird ganz klein, ich steige drüber. ›Was nutzt es mir, groß zu sein?‹ Rechter Arm auch jetzt nach der Trance noch schwer. Jetzt: Bin nachdenklich.«

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»Atem hat sich stark vertieft. Werde zu großer Trommel, die schlägt. Dann bin ich im Inneren der Trommel, liegend. Beginne mich langsam aufzulösen und auseinanderzufließen, bis ich ganz aufgelöst bin. Dann entstehe ich neu. Schlucht, Steine. Plötzlich ist neben mir ein Jaguar, wir springen und laufen durch das Dickicht, bis vor uns eine Höhle auftaucht. Runder Gang, erinnert mich an Luftröhre, gerade so groß, dass ich aufrecht laufen kann. Ich wechsle Gestalt, einmal Jaguar, dann wieder Mensch. Der Gang ist gewunden und leicht nach unten geneigt. Er beginnt sich zu verengen, der Jaguar bleibt sitzen, eine schwarze Schlange taucht auf. Ich werde zur Schlange und folge ihr durch die Enge. Das alles ohne Übergänge, es fließt. Buchsbaumirrgarten, so nieder, dass ich ihn überblicken kann. Ich raste, obwohl ich nicht müde bin. Dann verlasse ich den Irrgarten und bin in den Nebelwäldern von Sumatra. Ein Gorilla kommt und sagt: ›Ich habe eine Botschaft für dich: nachgeben.‹ Jetzt: energetisiert.«

Die Teilnehmenden erfuhren den Namen und Ursprung der Haltung erst im Nachhinein. In der Literatur wird häufig beschrieben, dass in der Saami-Haltung die Reisenden nach unten durch die Erde fahren, durch Wasser oder einen unterirdischen Gang reisen, begleitet von einer spiralförmigen Kraft, die diese Reise unterstützt. Meist ist es zu Beginn der Haltung finster. Geistwesen treten in dieser Haltung häufiger auf als in anderen Haltungen.

Ergebnisse

Subjektives Wohlbefinden und Befindlichkeit: WHO-5 und Bf-S

Das subjektive Wohlbefinden wurde einerseits durch den WHO-5 und zusätzlich durch die Befindlichkeitsskala Bf-S gemessen. Im WHO-5 zeigt sich varianzanalytisch kein Behandlungseffekt. Ein deutlicher Behandlungseffekt wird in der Bf-S sichtbar: Zu Beginn der Therapie beschreiben sowohl BG als KG ihre Befindlichkeit ähnlich. Nach der Therapie hat sich das Wohlbefinden in der BG drastisch verbessert, während sich in der KG keine wesentliche Veränderung abzeichnet.

Angst, Ängstlichkeit

Die Zustandsangst hat sich nach der Therapie für die BG signifikant verringert, während in der KG die Angst sogar zugenommen hat. Bei der Merkmalsangst (generelle Ängstlichkeit) ergibt sich ein signifikanter Vorher-Nachher-Effekt, d. h. die Ängstlichkeit nahm in beiden Gruppen ab, wobei sie sich in der BG stärker reduziert hat.

Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen

Ein tendenzieller Behandlungseffekt tritt im generalisierten Selbstkonzept auf, die Verbesserung in der BG unterscheidet sich signifikant von jener der KG. In den Kontrollüberzeugungen sind keine Behandlungseffekte zu beobachten.

Fazit

Zusammenfassend konnte die Trancebehandlung nach Goodman eine deutliche Reduktion der aktuellen Angst, eine Verbesserung der Befindlichkeit und eine Zunahme der Selbstwirksamkeit bewirken. 

Durch die Behandlung mittels Ritueller Körperhaltungen sank die Zustandsangst deutlich. Eine günstige Beeinflussung in die richtige Richtung zeigte sich auch bei der Befindlichkeit und tendenziell beim generalisierten Selbstkonzept. Bei den Ergebnissen der vorliegenden Studie zeigte sich ein deutlicher Behandlungseffekt bei der Befindlichkeit. Durch die facettenreichen Erlebnisse während der Trance werden auf körperlicher und seelischer Ebene Bedürfnisse erfüllt, die den Selbstwert steigern und das Gefühl geben, ein Abenteuer bewältigt zu haben. 

Eine positive Befindlichkeit trägt zur seelischen Gesundheit bei. Grawe (1998) versteht seelische Gesundheit als Ergebnis einer labilen Balance zwischen Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten einer Person einerseits und den Möglichkeiten ihrer Befriedigung unter den gegebenen Bedingungen andererseits. Für Fuchs und Schlicht (2010) sind die Kriterien seelischer Gesundheit Lebenszufriedenheit, psychisches und soziales Wohlbefinden sowie Selbstwertgefühl.

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Wie lassen sich nun die Wirkungen der Rituellen Haltungen erklären? Der Kontakt mit der Gruppe und Prozesse, wie sie in der Gruppentherapie auftreten (Strauß & Mattke 2012), könnten ein Grund dafür sein, obwohl die Treffen kurz waren und der Kontakt zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht im Fokus stand. Es wurde auch bewusst kaum Information über die Art der Trance im Vorfeld gegeben, über die es zudem wenig Literatur gibt. Außerdem kann festgehalten werden, dass Veränderungen in einem relativ kurzen Zeitraum stattgefunden haben und Personen sowohl in der KG als auch in der BG sich in einer Psychotherapie befanden und trotzdem vor allem die BG profitiert hat. 

Der Wirkmechanismus der Rituellen Haltungen ist noch nicht geklärt, es könnten aber Prozesse im Gehirn beteiligt sein, die Angstminderung und Befindlichkeitsaufhellung bewirken, hervorgerufen durch die Aktivierung bestimmter Gehirnareale, ausgelöst durch die Haltungen. Durch die Körperhaltungen werden Nervenleitungen im Mittelhirn bzw. Stammhirn geschaltet, deren Verbindung sonst nicht geschieht (Guttmann & Langer 1987; Guttmann 1990, 1991, 1992).

Diese Prozesse bewirken Angstminderung und Befindlichkeitsaufhellung. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Trancebehandlung nach Goodman eine deutliche Reduktion der aktuellen Angst bewirken konnte sowie eine Verbesserung der Befindlichkeit und eine Zunahme der Selbstwirksamkeit. Die Behandlung durch die Rituellen Körperhaltungen leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der seelischen Gesundheit. In weiteren Untersuchungen sollte überprüft werden, ob sich diese Effekte langfristig aufrechterhalten lassen.

Drin phil. Andrea Scheutz / Mag. Michael Funovich
Drin phil. Andrea Scheutz / Mag. Michael Funovich

Zu den Autoren

Maga. rer. nat., Drin phil. Andrea Scheutz, MSc, MEd ist Biologin, Psychotherapeutin, Gesundheitswissenschaftlerin, Trainerin und Tranceforscherin. Als Leiterin der Bildungseinrichtung »scatach« bringt sie die Natur den Menschen und den Menschen sich selbst näher.

Mag. Michael Funovich hat einen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Er ist Reisender zwischen den Welten und lehrt Taiji Quan und Qigong.

Literatur

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