Dr. Hans H. Rhyner

Dr. Hans H. Rhyner – Wenn der Wohnraum Lebensziele unterstützt

Vastu, das Wissen um gesundes Wohnen und Bauen

Studien zeigen, dass wir heutzutage im Durchschnitt etwa 90 Prozent unserer Zeit in geschlossenen Räumen verbringen. Sollten wir uns dann dort nicht möglichst wohlfühlen und ein förderliches Raumklima schaffen? Wie wir die Himmelsrichtungen, die Raumaufteilung und die Elemente für unser Wohlbefinden nutzen können, verrät Dr. Hans H. Rhyner.

»Man sollte, nicht einmal für einen Tag, in einem Haus leben, welches nicht nach den Prinzipien von Vastu errichtet wurde.«

Zitat aus der ayurvedischen Literatur (Ashtanga Samgraha, 1. Buch, Kapitel 3, Vers 111–112)

Jeder kennt das Gefühl, sich beim Betreten eines Hauses, einer Wohnung oder einfach nur eines einzelnen Raumes auf Anhieb wohl und geborgen zu fühlen. Ein anderes Gebäude oder Zimmer wirkt dagegen vom ersten Moment an abweisend und unangenehm – im ersten Fall ist die Ausstrahlung gut und zieht den Besucher an, im zweiten stimmt etwas nicht. Nicht umsonst sagt ein indisches Sprichwort: »Bei der Wahl des Partners und des Hauses sollst du nicht den Verstand, sondern dein Herz sprechen lassen.« Was wiederum nichts anderes bedeutet, als dass der Wohnraum – ebenso wie die Liebe – emotionale Aspekte besitzt und nicht nur unter funktionellen Gesichtspunkten zu betrachten ist.

»Bei der Wahl des Partners und des Hauses sollst du nicht den Verstand, sondern dein Herz sprechen lassen.«

Doch, was genau verbirgt sich hinter den Empfindungen, die ein Raum auslöst? Es sind, neben jenem Wissen um wohlproportionierte Formen und eine dem Menschen angenehme Architektur, auch bestimmte weitere Kriterien, die erfüllt sein müssen. Diese Bedingungen sind zusammengefasst in Vastu, der Lehre vom gesunden Bauen und Wohnen. Ihre Prinzipien geben einem Haus jene angenehme Ausstrahlung, die bereits beim Betreten empfängt und einlädt zu verweilen: Die Atmosphäre stimmt, Raum und eigener Körper schwingen auf der gleichen Wellenlänge.

वास्तु – Vaastu mit einem langen »a« bedeutet »Licht« und steht für die Beziehung von Vastu zur vedischen Astrologie (Jyotish).

वस्तु – Vastu mit einem kurzen »a« steht für die Lehre von Räumen.

Es geht nicht um das Stilgefühl einer bestimmten Epoche in Indien, um kulturelle oder klimatische Gegebenheiten, sondern um die universell gültigen Grundprinzipien von Räumen schlechthin. Wo immer ich einen umschlossenen Raum, also einen (Raum-)Körper schaffe, entwickelt sich zugleich eine Lebendigkeit, eine eigene Energie. Auch der Mensch ist ein umschlossener Raum. Unausweichlich tritt nun der Raum Mensch mit dem Raumkörper in Schwingung und Beziehung, und wenn es dem Menschen gut gehen soll, müssen beide kompatibel sein.

Die indischen Weisen und Gelehrten des Altertums beschäftigten sich eingehend mit den Kräften, die auf ein und – wichtiger noch – in einem Gebäude wirken können. Ihre Ergebnisse machten und machen deutlich, dass es sich bei den Empfindungen, die ein Raum hervorruft, nicht um ein abstruses Phänomen bar jeder Grundlage handelt, sondern ganz im Gegenteil um eine »handfeste« Tatsache, die auf wissenschaftlich erklärbaren Fakten beruht.

Dr. Hans H. Rhyner
Beispiel für Vastu-Baukunst: Der Küstentempel in Mahabalipuram aus dem 8. Jahrhundert.

Vastu bringt den Menschen und seine Wohnumgebung in Einklang mit der Natur.

Vastu bringt den Menschen und seine Wohnumgebung in Einklang mit der Natur. Vastu ist eine überaus komplexe Symbiose vieler Themenkreise – unterschiedlichste Wissensinhalte gehen hier eine einzigartige Verbindung ein. Dabei beschränkt sich die Lehre von Vastu nicht nur auf die Konstruktion einzelner Gebäude, sondern befasst sich auch dezidiert mit der Planung ganzer Städte. Thema ist hier nicht allein die Architektur, sondern Vastu erstreckt sich auch auf folgende Themenkreise:

 

  • Ingenieurwesen
  • Ikonografie
  • Design
  • Geomagnetik
  • Seismologie
  • Magnetbiologie
  • Geophysik
  • Medizin (Ayurveda)
  • Astronomie
  • Astrologie (Jyotisha)
  • Religion, Philosophie und Spiritualität

Wie wirkt Vastu?

Die Idee von Vastu basiert auf der Tatsache, dass auf unseren Planeten Erde viele verschiedene Energien und Kräfte einwirken, die ihren Ursprung zum einen im uns umgebenden Universum, dem Kosmos, zum anderen in der Erde selbst haben. Kosmische Energien sind beispielsweise die Strahlen der Sonne, des Mondes und anderer Planeten. Terrestrische Kräfte sind dagegen magnetische, bioelektrische oder thermische Energiefelder. Weitere naturgegebene Gesetzmäßigkeiten, die Vastu berücksichtigt, sind die Eigenschaften der fünf Elemente. Diese universalen Grundeinheiten jeder Existenz sind die fünf Elemente Raum (Äther), Wind, Feuer, Wasser und Erde, im Sanskrit Pancamahabhuta genannt. Jedes der Elemente hat charakteristische Eigenschaften, die sich im Menschen wie auch in der Natur unterschiedlich manifestieren – so beispielsweise in den Richtungen und Stärken des Windes (Wind-Element), in der Anziehungskraft (Erd-Element), im Licht und in der Wärme der Sonne (Feuer-Element) oder aber in der Intensität und Häufigkeit von Regenfällen (Wasser-Element).

Die drei Wirkungsebenen von Vastu

Die energetische Ebene

  1. Der geophysikalische Energiefluss
  2. Die Energiepotenziale
  3. Starke und schwache Zonen
  4. Faktoren, die das Energiepotenzial verändern

Die geometrischen Gesetze

  1. Die Wirkung von Proportionen
  2. Die Wirkung von Messeinheiten 
  3. Die energetischen Schlüsselpunkte (Marma)
  4. Die Energiequalität von Gitterfeldern

Die Informationsebene

  1. Die Strahlungsqualität der acht Himmelsrichtungen
  2. Der Einfluss der Planeten im Wohnraum und im Leben von Bewohnern
  3. Die Wechselwirkung der Planeten
  4. Die Bestimmung individueller Himmelsrichtungen und Eckdaten

Sinn und Zweck von Vastu

Bedingt durch die heutige hektische Lebensweise ist das Bedürfnis nach einem angenehmen Zuhause, einem Refugium, in das man sich zurückziehen und in dem man Entspannung finden kann, sehr groß. Wohn- und Arbeitsräume haben mehr denn je die Aufgabe, einen Ausgleich zu schaffen, das körperliche und geistige Wohlbefinden zu fördern und nicht zuletzt das physisch wie psychisch angegriffene Immunsystem zu stärken. Doch genau hier zeigt die Architektur der letzten Jahrzehnte Schwächen, indem sie funktionale, ästhetische und materielle Aspekte in den Vordergrund stellt, überbewertet und darüber die Bedürfnisse der Menschen vergisst, die in dem fertigen Gebäude einmal leben sollen.

Diesem Missstand wird nun vor allem in den westlichen Ländern seit einigen Jahren versucht entgegenzuwirken – man denke an biologisches Bauen mit schadstofffreien Materialien und andere Bestrebungen, um Architektur und Schaffen von Lebensqualität wieder einander anzunähern. Ebenso wie Indiens alte Medizin Ayurveda, die gerade die westliche Welt erobert, ist auch Vastu kein Heilsversprechen, mit dem die Folgen der heutigen Lebensverhältnisse und -weisen aufgebessert werden können. Anliegen von Vastu ist es vielmehr, wertungsfrei und ohne jedes Dogma auf Umstände aufmerksam zu machen, das Empfinden zu schulen und die Sinne zu schärfen, um nachteilige Wohnsituationen zu verändern.

Die Umsetzung

Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Gebäude mit den natürlichen Kräften arbeitet und nicht gegen sie, und wie deren Einfluss zum Wohl der Bewohner genutzt werden kann, vermitteln die Vastu-Prinzipien. Dabei handelt es sich um Empfehlungen, die ausgehend vom Gesamtgefüge bis hinein in die kleinsten Details Gültigkeit besitzen und die sich einfach auf die heutigen Verhältnisse übertragen und in die Praxis umsetzen lassen. Auch sind die Prinzipien von Vastu universal anwendbar – ob im privaten Wohnraum, in öffentlichen Gebäuden, Büros und Industriegebäuden, Krankenhäusern und Schulen oder aber in ganzen Städten. 

Auch sind die Prinzipien von Vastu universal anwendbar – ob im privaten Wohnraum, in öffentlichen Gebäuden, Büros und Industriegebäuden, Krankenhäusern und Schulen oder aber in ganzen Städten.

Die Ausrichtung eines Grundstückes, Hauses oder Wohnraumes nach den vier Himmelsrichtungen bildet einen wichtigen Bestandteil der Vastu-Prinzipien, wirken doch dadurch die Energiefelder und Ströme ideal auf einen Raum ein. Dem Nordosten kommt eine primäre Bedeutung zu, da hier die positivsten Strahlungen auf einen Raum eintreffen und sich dann weiter nach Südwesten bewegen. Mögliche Hindernisse, wie hohe Gebäude oder Bäume, behindern diesen Fluss, während Wasserkörper oder ein Gefälle nach Nordosten förderlich sind. Im Gegensatz dazu sollten im Südwesten gewichtige Hindernisse platziert werden, um den Abfluss der positiven Kräfte zu behindern.

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Dieser positive Energiefluss wird in der klassischen Literatur durch den Vastu-Mann dargestellt. Damit wird sofort klar, wo die empfindlichen Zonen sind, zum Beispiel der Kopf. Demzufolge gehört dort kein Gewicht hin. Das Gleiche gilt auch für den Nabelbereich, genau im Zentrum eines Quadrates oder Rechtecks.

Darum lauten zwei wichtige Grundsätze:

 

  1. Die Ausrichtung eines Grundstücks, Gartens oder Hauses in die vier Himmelsrichtungen garantiert, dass die energetischen Gitter ideal in den Raum passen. Damit ist eine optimale Energie-Verteilung gewährleistet.
  2. Da die stärkenden und lebenswichtigsten Energien hauptsächlich im Nordosten auf einen Raum treffen, muss nun sichergestellt werden, dass dieser positive Energiefluss im Nordosten nicht behindert wird und im Südwesten am Verlassen des Raumes gehindert wird.
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Funktion und Wirkung eines Raumes können anhand der Qualitäten der fünf Grundelemente, die in den unterschiedlichen Quadranten vorherrschen, einfach erklärt werden. Fehlt zum Beispiel die Nordwestecke einer Wohnung, dann fehlt im Leben der Bewohner Bewegung, Fortschritt, Offenheit, Sensibilität, denn das Wind-Element, das für Bewegung steht, kommt nicht zum Tragen. 

So hat sich bei einem Vortrag in Wien ein Teilnehmer darüber beklagt, dass seine Gäste nach einem netten Abend kaum zu bewegen sind, aufzustehen und nach Hause zu gehen. Der Grund dafür war schnell gefunden: Sein Esszimmertisch steht bei ihm in der Südwestecke der Wohnung. Hier herrscht das träge, schwere Erdelement. Wer hier sitzt, beherrscht den Raum und will sich nicht mehr fortbewegen. Deshalb gehört das Elternschlafzimmer dorthin platziert und nicht die Gäste oder die Schwiegermutter. Letztere sollte im Wind-Quadranten untergebracht werden. Dort herrscht Bewegung, und das stellt sicher, dass sie bald wieder abreist. Die Küche gehört entsprechend in die Feuerecke im Südosten und das Bad in den Wasserquadranten im Nordosten. Die höchste 

Energiedichte herrscht im sogenannten Brahmasthana, dort wo sich die beiden Diagonalen (Nordosten zum Südwesten und Nordwesten zum Südosten) kreuzen. Diese einfachen Prinzipen kommen in allen Bereichen zur Anwendung: Grundstück, Haus, Wohnung oder Zimmer, ja sogar bei Möbelstücken.

Die neun Vastu-Quadranten und ihre Zuordnung für Wohn- und Arbeitsbereiche

Die Funktionen der verschiedenen Lebensbereiche können leicht den wichtigen Eigenschaften der fünf Elemente zugeordnet werden. So ergibt sich folgende Zuordnung:

NORDWESTEN Verkaufsraum Wartezimmer Gästezimmer Toilette Lager für leichte Güter Alternativ zum Südosten als Küche Garage, Stärkende Farbe – dunkelgrün NORDEN Eingang, Empfang, Foyer Tresorraum Arbeitszimmer Wintergarten Schlafzimmer Balkon Terrasse, Stärkende Farbe – weiß NORDOSTEN Eingang, Empfang, Foyer Konferenzzimmer Studierzimmer Meditations-, Yogaraum Forschungsabteilung Wintergarten, Balkon Kinderzimmer Bibliothek, Stärkende Farbe – violett
WESTEN Physiotherapie Operationsraum Bad Schlafzimmer Kinderzimmer Esszimmer, Stärkende Farbe – indigo ZENTRUM möglichst offener Innenhof Atrium Lichthof Wohnzimmer (in Verbindung mit Osten, Süden oder Norden), Stärkende Farben – die sieben Farben des Regenbogens OSTEN Eingang, Empfang, Foyer Meditations-, Yogaraum Administration, Buchhaltung Esszimmer Wohnzimmer Kinderzimmer Bad, Stärkende Farbe – gelb
SÜDWESTEN Büro des Besitzers Arbeitszimmer Tresor Elternschlafzimmer, Stärkende Farbe – blau SÜDEN Lager für schwere Güter Treppenhaus (Wohnzimmer in Verbindung mit zentralem Teil) Schlafzimmer, Stärkende Farbe – schwarz SÜDOSTEN Küche, Zubereitung mit Feuer Heizung, elektrische Anlagen Schwitztherapie (Sauna) Medikamentenherstellung Produktionsprozesse mit Hitze, Stärkende Farbe – orange

Korrektur-Mandala

Grundsätzlich ist bereits bei einer Vastu-Konformität von über 51 Prozent ein förderliches Wohnklima gegeben. Das Einrichten nach diesen einfachen Prinzipien kann jede Frau und jeder Mann vornehmen und sich damit ein gutes Wohnklima schaffen. Rücken Sie ein paar Möbel oder teilen Sie die Wohnbereiche neu zu und in kurzer Zeit werden Sie messbare positive Veränderungen feststellen können.

Grundsätzlich ist bereits bei einer Vastu-Konformität von über 51 Prozent ein förderliches Wohnklima gegeben.

Geringe Defekte können mittels des unten abgebildeten Vastu-Mandalas korrigiert werden. Hängen Sie das Mandala in der Höhe Ihres Hals-Chakras an die Wand oder an die Ecke, wo zum Beispiel eine Öffnung oder ein Raum fehlt. Wenn das Haus oder die Wohnung nicht korrekt in den Himmelsrichtungen liegt (eine Abweichung bis 15°), dann legen Sie dieses Mandala waagerecht mit dem Kopf des Vastu-Mannes in die Nordostecke. Die Korrektur von schweren Defekten sollte jedoch von geschulten Fachleuten vorgenommen werden.

Dr. Hans H. Rhyner
Das Korrektur-Mandala gleicht Abweichungsdefekte des Hauses zur Himmelsrichtung aus
Hans H. Rhyner

Hans H. Rhyner ist Ayurveda-Mediziner und gilt als führender und international anerkannter Experte und Pionier des Ayurveda in Europa. Sein Wissen ist äußerst authentisch, denn er lebte 25 Jahre in Indien und führte seine eigene Klinik in Bangalore. Heute praktiziert er in seinen Praxen in der Schweiz und in Wien.

ayurveda-rhyner.com

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