Dr. Gunter Friedrich

Dr. Gunter Friedrich – Gut und Böse, und darüber hinaus

Gut und Böse gehören unbestreitbar zu der menschlichen Existenz und sind doch relativ. Denn nur mit unserem Wissen über das Gute können wir das Böse benennen und definieren. Paradox, oder? Dabei stellt der Autor die Frage, ob es eine übergeordnete Perspektive gibt. Um diese komplexe Frage zu beantworten, zieht er die Schriften verschiedener Weisheitstraditionen heran, die Hinweise geben, dass gerade das Nicht-Wissen über das Absolute, das Göttliche, und so über uns selbst die Verwirrung auf Erden antreibt.

Hat es einen Sinn, dieses nicht endende Spiel von Gut und Böse? Seit jeher haben Menschen versucht, tiefer hineinzuschauen in das, was gut und böse ist. Große Lehrer sind dabei zu Erkenntnissen gelangt, die über unsere Welt hinausführen.

Manche Menschen benutzen oft die Worte: »Alles ist gut.« Zu den guten Dingen gehört es auch, sich abends zu entspannen und einen Krimi zu lesen oder im Fernsehen anzuschauen. Auf dem Einband eines Krimis (eines Nr. 1-Bestsellers) las ich kürzlich die Worte »einfach gut: perfide, abgründig, vielschichtig«. Das kommt beim Leser an. 

Was fasziniert uns an einer solchen Reklame? Was fasziniert uns an den Krimis? Sagen sie uns etwas über uns selbst? Finden sie eine Entsprechung in uns? Wollen wir unbewusst lernen, mit dem umzugehen, was wir in uns spüren? 

»Ich kann mir kein Verbrechen vorstellen, das ich nicht in Gedanken auch begangen habe.«

»Ich kann mir kein Verbrechen vorstellen, das ich nicht in Gedanken auch begangen habe«, ist ein Satz, den man Goethe zuschreibt. Böses drängt sich in die Gedanken und Empfindungen eines jeden Menschen. Im Neuen Testament erklärte Jesus einem Jüngling, der ihn mit »guter Meister« anredete: »Niemand ist gut, als Gott allein.« (Mark. 10, 17) 

Übergriffe auf andere Menschen, Eingriffe in das Leben anderer finden seit jeher statt. Oft beginnt es ganz harmlos. Man hat es nur gut gemeint, hat vielleicht gescherzt. Doch dann kippt das Geschehen plötzlich. Menschen lassen sich zu Taten hinreißen, die manchmal so monströs sind, dass man sie nicht in Worten beschreiben kann. 

Was hat es mit uns auf sich? Schnell können wir einander unheimlich werden. Wir gehen freundlich miteinander um, und plötzlich geschieht etwas, und wir haben Angst voreinander.

Vom Ort des Bösen

Eine Philosophin im 20. Jahrhundert, Hannah Arendt, hat sich – im Anschluss an den Nationalsozialismus – intensiv mit der Frage beschäftigt, was das Böse eigentlich sei. Sie kommt zu einem erstaunlichen und wichtigen Ergebnis: »Das größte Böse«, so schreibt sie, »ist nicht radikal, es hat keine Wurzeln, und weil es keine Wurzeln hat, hat es keine Grenzen, kann sich ins unvorstellbar Extreme entwickeln und über die ganze Welt ausbreiten.«1Hannah Arendt, Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik, 12. Auflage, München 2017, S. 77.

Nicht radikal, ohne Wurzeln, das bedeutet: Das Böse reicht nicht bis ins tiefste Innere des Menschen. Es bleibt trotz seiner Schrecken in einem Außenbereich, zu dem auch unsere Gedanken und Gefühle gehören. Dort kann es monströse Gestalten annehmen. Es kann fastalle Menschen ergreifen und hat doch keinen Bezug zum tiefsten Innern des Menschen, zu dem, was ihn eigentlich ausmacht. 

»Sie duldet das Böse, rechnet es aber niemals dem Innersten eines Menschen zu, denn dort gibt es nichts Böses.«

Im ersten Korintherbrief in der Bibel steht ein Satz, den wir in diesen Zusammenhang stellen wollen: Die Liebe »rechnet das Böse nicht zu« (1. Kor. 13, 5). Die Liebe, die hier gemeint ist, ist die göttliche Liebe, die Kraft der zentralen Mitte des Menschen. Von ihr heißt es weiter: »Sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hofft alles, sie duldet alles.« (1. Kor. 13, 7) Das bedeutet: Sie duldet das Böse, rechnet es aber niemals dem Innersten eines Menschen zu, denn dort gibt es nichts Böses. 

In unserer Lebenswirklichkeit ist es allerdings anders. Hier rechnen wir das Böse zu, ja, wir müssen das tun. Denn hier findet es statt. Jeder muss Verantwortung übernehmen für das, was er getan hat. 

Woher kommen die Impulse des Bösen?

Hierzu ein wichtiger Aspekt: Das Weltgeschehen und das Leben eines jeden Einzelnen wird von der Vergangenheit geprägt. Wir leben nach bestimmten Mustern. Dazu gehört auch die Fülle der Erfahrungen, die in uns gespeichert sind. Alles, was einmal geschehen ist, wirkt weiter. Nichts ist vollständig vorbei. Unsichtbar, schemenhaft ist die Vergangenheit als ein unaufgelöster Schatten gegenwärtig. Die Selbstbehauptung, der Kampf und die Entwicklung des Egos bilden sich darin ab. Das gilt im Individuellen wie im Kollektiven. Mitunter verdichten sich die Kräfte der Vergangenheit so stark, dass sie sich wie ein Regenguss über Einzelne, über Gruppen und Völker ergießen. Das geschieht heute auch in globalem Ausmaß.

Paulus sieht darin reale, unsichtbare Mächte und nennt sie die »bösen Geister unter dem Himmel«. Er sagt: »Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit dem Herrn der Welt.« (Eph. 6, 12)

Warum ist das nun böse? Viel Gutes ist ja ebenfalls getan worden in der Vergangenheit. Das aus alten Zeiten Fortwirkende bindet an die Erde, wenn es sich in uns stets wiederholt. Es hält uns davon ab, unser Verhalten aus dem aktuellen Moment und der in ihm möglichen Inspiration zu gestalten. Die Vergangenheit allerdings muss aufgearbeitet, verwandelt, ja erlöst werden. Insofern ist die Erde ein riesiger Arbeitsplatz, und alle Menschen haben hier eine Aufgabe, meist ohne es zu wissen. 

Die Manichäer, eine weltweite spirituelle Strömung aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, bekannten sich zu dieser Aufgabe und verbanden sich mit der Liebe, die aus dem Göttlichen stammt. Von ihr ergriffen, sagten sie: »Liebe das Böse gut.« Ihr Weg führte über diese Welt hinaus. Nicht ohne Grund wurden sie von den herrschenden Instanzen mit Schwert und Feuer bekämpft.

Dr. Gunter Friedrich
Ephraim Moses Lilien, Hiob, 1922

Vom Relativen und vom Absoluten

Was ist nun aber gut? Und was ist böse? Die Begriffe hängen zusammen, sind aufeinander bezogen, definieren sich aneinander. Man weiß nur, was böse ist, wenn man weiß, was gut ist. 

Gut und Böse, wie wir sie kennen, sind etwas Relatives. Was für den einen gut ist, kann für den anderen schlecht oder böse sein. Wir können aus unserer Perspektive nicht verlässlich wissen, was gut und was böse ist.

Hierzu ein Beispiel aus dem Koran: Dort wird in der 18. Sure geschildert, wie ein von Gott begnadeter Mensch Taten begeht, die man aus unserer Perspektive als böse bezeichnen muss. Er schlägt ein Loch in den Boden eines Schiffes, sodass es sinkt, und er tötet einen Menschen (Sure 18: 65 ff.). Moses begleitet ihn und protestiert dagegen. Doch ihm werden die Augen geöffnet, und er erkennt, dass durch diese Taten eine positive Entwicklung für die Zukunft ermöglicht wurde.

Es gibt neben dem Relativen aber auch das Absolute. Und das bedeutet, dass es eine übergeordnete Perspektive gibt. Auch zum Absoluten haben wir eine Beziehung. Die geheimnisvolle zentrale Mitte des Menschen gehört zum Absoluten. Es ist das göttliche Element im Menschen. Es ist, wie die Weisheit der Völker sagt, das absolut Gute, das allein Gute, von dem Jesus spricht. Ein Abglanz davon in der relativen Welt ist unser Gewissen, jedenfalls dann, wenn der Zugang zum Absoluten in uns noch ein wenig offen ist.

Aus unserer Perspektive können wir keinen tiefer gehenden Sinn im Bösen erkennen. Anders ist es jedoch aus der Perspektive des Absoluten.

Von der Funktion des Bösen

Hierzu als Beispiel das Buch Hiob im Alten Testament. Dort wird beschrieben, dass der Widersacher sich in der Gesellschaft Gottes befindet. Der Widersacher verkörpert die Tendenz, sich vom Absoluten zu befreien und in der relativen Welt eine Eigenständigkeit, eine Unabhängigkeit von Gott zu suchen. So fragt er also Gott sinngemäß: Darf ich dir den Hiob abspenstig machen, deinen frömmsten Diener? Gott erlaubt ihm, die Lebensumstände Hiobs zu zerstören und ihn den schlimmsten Heimsuchungen auszusetzen. Ihm wird alles genommen, sein Geld und Gut, seine Familie, seine Gesundheit. Doch er hält an seinem Glauben an Gott fest. Er wendet sich nicht ab vom Absoluten, sondern hält die Beziehung aufrecht und unterwirft sich ihm, er nimmt sein Schicksal an. Und was geschieht? Er wächst über sich hinaus. Er wächst über die relative Lebenswirklichkeit hinaus. Seine zentrale göttliche Identität erwacht in ihm; sein wahres Selbst, das im Absoluten wurzelt, gibt ihm die erforderliche Kraft.

»Seine zentrale göttliche Identität erwacht in ihm; sein wahres Selbst, das im Absoluten wurzelt, gibt ihm die erforderliche Kraft.«

Auch die Lehre von Karma und Reinkarnation orientiert sich am Maßstab des Absoluten. Karma ist nur erklärbar aus der Beziehung des Menschen zum Absoluten. Danach ist es vorbestimmt, dass ein Mensch in seinem Leben in bestimmte Situationen gelangt, dass er zum Beispiel bestimmte Begegnungen hat. Vieles an Gutem und Bösem tritt in unser Leben ein. Jeder Mensch muss die Resultate von Verhaltensweisen aus der Vergangenheit erleben, von Verhaltensweisen, die von der Eigenwilligkeit bestimmt waren, bei denen also das Göttliche nicht mitgewirkt hat. Die Ergebnisse davon bleiben in der Welt und müssen aufgearbeitet werden. Ob dies stattfindet und wie es geschieht, steht in der freien Entscheidung des Einzelnen. Wenn sich ein Mensch dazu entscheidet, all sein Tun und Lassen dem Göttlichen zu weihen, dann befreit ihn dieses von den Fesseln des Karma (Bhagavad-Gita 5, 10; 12, 6 f.).

Das Böse in höherem Licht gesehen

Aus der Sicht unserer Lebenswirklichkeit kann man nicht genau sagen, was das Böse sei. Aus der Sicht des Absoluten indes lässt es sich klar formulieren. Das Corpus Hermeticum, eine Schriftensammlung vom Beginn unserer Zeitrechnung, die ägyptische, griechische und jüdische Weisheitslehren enthält, erklärt: »Die Bosheit der Seele ist ihre Unwissenheit, ihr Mangel an Kenntnis, die aus Gott ist.« (CH 12. Buch, Vers 24) Und an anderer Stelle: »Die große Krankheit der Seele ist ihre Verleugnung Gottes.« (CH 13. Buch, Vers 7) Und wir finden die Aufforderung: »Kehre in dich selbst ein und es wird kommen.« (CH 14. Buch, Vers 25), »es«, das Allein-Gute.2Die Zitate sind entnommen aus: Jan van Rijckenborgh, Die Ägyptische Ur-Gnosis und ihr Ruf im Ewigen Jetzt, 3. Teil, 3. Auflage, Haarlem 1997. Das Absolute nicht zu kennen, bedeutet zugleich, sich selbst nicht zu kennen, sein tiefstes Selbst zu verleugnen, das im Absoluten ruht. Solange das der Fall ist, findet alles Lebensverhalten außerhalb des göttlichen Wirkens statt und hinterlässt Folgen, die irgendwann aufgehoben werden müssen. Die chinesische Weisheit sagt im Tao-Te-King: »Wer nicht das Ewige kennt, schafft sinnlos Unheil.« (Kapitel 16)3Tao-Te-King, übersetzt von Günther Debon, Stuttgart 1979 (Reclam).

Warum der Mensch dem Relativen überlassen wird

Unsere heutige Zeit ist davon gekennzeichnet, dass sich die meisten Menschen vom Göttlichen abgewandt haben. Wir haben ein Ich errungen und erproben unsere Eigenständigkeit. Indem wir den Energiefluss zum Absoluten unterbrochen haben, das in unserer eigenen Mitte ist, stehen wir im Einflussbereich eines anderen Stroms, des Stroms der Lebensmuster unserer Welt. Aus ihm stammen die Inhalte unseres Ich. So bilden sich Schleier um Schleier zwischen uns und unserem Ursprung. Doch auch diesem abgetrennten Dasein ist eine große Aufgabe zugewiesen. 

Werfen wir einen Blick auf die Veden, die älteste Religion, die es heute noch gibt und die in unserer Zeit eine Art Renaissance erlebt. Wir lesen dort, dass unsere Welt geschaffen wurde, um den Geistern, die sich von Gott abgewandt haben, eine Möglichkeit zu einem erneuten Aufstieg zum Göttlichen zu geben.4Armin Risi, Gott und die Götter, Neuhausen, Altenburg, 5. Auflage 2002, S. 90.
Dem dient unser Körper und dem dienen die Naturreiche, aus denen er entstanden ist. Die Veden sprechen davon, dass es unterhalb von unserer Welt noch weitere Welten gibt, Welten dämonischer Art.5Armin Risi, a. a. O., S. 91 ff.
Die Geister aus ihnen drängen in die Gedanken und Empfindungen der Menschen. Entweder sie beherrschen den Menschen, wie es meist der Fall ist, oder sie können von ihm erlöst werden, indem er sie erneut mit dem Absoluten verbindet. Hieraus ergibt sich für den Menschen eine noch umfassendere Aufgabe, als wir es bislang angedeutet haben.

Die Lehre der Veden spricht von verschiedenen Weltzeitaltern. Wir befinden uns danach im Kali Yuga, dem dunklen Zeitalter, das vor circa 5000 Jahren begonnen hat. Es führt dazu, dass die Abwendung vom göttlichen Licht vollkommen wird. Sie führt so weit, dass die Materie an die Stelle des Göttlich-Geistigen tritt. Der Mensch gelangt zu der Auffassung, dass er aus einem Spiel von Materieteilchen entstanden ist. Damit ist dem Dasein jeglicher Sinn abhandengekommen. Diese Situation muss er durchleben, in ihr muss er sein Scheitern erfahren, um schließlich zu sich selbst zu finden.

»Gott respektiert die Freiheit seiner Geschöpfe.«

In der Mystik des Judentums, der Kabbala, wird betont, dass die Gottheit eine solche Entwicklung zulässt. Wir finden hier die Aussage, dass Gott immer wieder Raum schafft und sich zurückzieht, damit die Geschöpfe zu sich selbst gelangen können, zu ihrem wahren Selbst.6Näheres bei: Gershom Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt am Main 1980, S. 285 ff. (die Lehre vom Zimzum, der Selbsteinschränkung Gottes).
Gott respektiert die Freiheit seiner Geschöpfe. Er liefert sie in gewissem Maße sich selbst aus. Alles, was sie tun, wirkt auf sie zurück. Bis die Schleier, die ihnen den Blick auf das Absolute verwehren, zerreißen.

»Nur nach der Erfahrung eines fundamentalen Scheiterns wird die rechte Beziehung zum Absoluten gefunden.«

Auch das Neue Testament bestätigt diese Sichtweise. Jesus ist durch die Taufe im Jordan zum Christus geworden, und unmittelbar danach tritt der Herr dieser Welt ihm entgegen. Die beiden sprechen miteinander. Der Widersacher regt an, dass Jesus, der Christus, die Steine dieser Welt zu Brot verwandelt. Die Welt würde dadurch, gleichsam von unten her, in einen besseren Zustand gelangen. Das Leid würde von den Menschen genommen werden. Jesus folgt dieser Aufforderung aber nicht. Denn der Mensch würde dann nicht zu sich selbst finden. Nur nach der Erfahrung eines fundamentalen Scheiterns wird die rechte Beziehung zum Absoluten gefunden. Deshalb verweist Jesus auf die Notwendigkeit einer Neugeburt, indem er den Widersacher auf das schöpferische göttliche Wort hinweist.7Matth. 4, 3 f

Goethes Faust stellt den Menschen der Neuzeit dar. Nach wie vor wie bei Hiob befindet sich der Widersacher in der Gesellschaft Gottes. »Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern«, sagt Mephisto. Er ist der Widersacher, aber er ist von anderer Art, als es bei Hiob der Fall war. Der Mensch hat sich in der Relativität weiterentwickelt, ist zu einem denkenden Wesen mit einem eigenständigen Ich geworden. Mephisto spricht mit Gott über Faust, und sie schließen einen Pakt. »Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab«, lautet die Aufforderung an Mephisto, und es wird ihm vorausgesagt: »Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange / ist sich des rechten Weges wohl bewusst.«8Goethe, Faust, Prolog im Himmel.

Der Urquell, das Innerste des Menschen, die Beziehung zum Absoluten, das göttliche Element, erwacht letztlich auch in Faust. Zunächst will er aus eigener Kraft herausbekommen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. Zwangsläufig scheitert er dabei trotz aller Magie des Ego und der Menschheitsvergangenheit und trotz der Hilfe Mephistos. Faust gelangt wie alle suchenden Menschen an einen Nullpunkt, an dem er nicht mehr weiterkann, an dem die alten Lebensmuster und die gesamte Eigenständigkeit zusammenbrechen. 

Jetzt kann er vom Absoluten berührt und geleitet werden. In den Abschlussversen des Faust steht eine bedeutsame und befreiende Erkenntnis: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.« Die ganze relative Welt mit all ihren Bewusstseinszuständen ist Symbol einer höheren Wirklichkeit, in der sich die Wesen bewusst mit dem Absoluten vereinen.

Diese Verbindung herbeizuführen, ist uns aufgegeben. Sie führt zur Verwandlung, zur Transfiguration, wie die Rosenkreuzer sagen. An der Hand des Absoluten, des Göttlichen in uns, ist es möglich, über Gut und Böse hinauszuwachsen, über diese Welt hinauszuwachsen … und dadurch erst segensreich in ihr zu wirken.

Gunter Friedrich war von Beruf Verwaltungsrichter. Er gehört seit 1976 dem Lectorium Rosicrucianum an und engagiert sich für die Stiftung Rosenkreuz, die ein Forum für den Dialog von Wissenschaft und Spiritualität und spiritueller Richtungen untereinander ist. Veröffentlichungen in der Reihe der Stiftung Rosenkreuz über ihre Symposien.

FOOTNOTES

Hannah Arendt, Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik, 12. Auflage, München 2017, S. 77.

Die Zitate sind entnommen aus: Jan van Rijckenborgh, Die Ägyptische Ur-Gnosis und ihr Ruf im Ewigen Jetzt, 3. Teil, 3. Auflage, Haarlem 1997.

Tao-Te-King, übersetzt von Günther Debon, Stuttgart 1979 (Reclam).

Armin Risi, Gott und die Götter, Neuhausen, Altenburg, 5. Auflage 2002, S. 90.

Armin Risi, a. a. O., S. 91 ff.

 Näheres bei: Gershom Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt am Main 1980, S. 285 ff. (die Lehre vom Zimzum, der Selbsteinschränkung Gottes).

Matth. 4, 3 ff.

 Goethe, Faust, Prolog im Himmel.

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