Dr. Gerhard Mayer

Dr. Gerhard Mayer – Was ist Magick und wie erfolgreich ist die Praxis?

Magie unter der Lupe der Parapsychologie

Die Schnittstellen zwischen Magie und Parapsychologie sind beträchtlich, obwohl beide Lager dies anders betrachten. Jedoch befassen sich beide Gebiete mit nicht-alltäglichen Bewusstseinszuständen sowie ihrer Auswirkung auf die Realität. Anhand von Fallbeispielen und Aussagen von magisch Praktizierenden soll die zeitgenössische magische Praxis sowie ihre Überprüfbarkeit beleuchtet und Parallelen zur Parapsychologie reflektiert werden.

Wenn wir an Magie denken, kommen uns außergewöhnliche Phänomene, bemerkenswerte Personen, Wunderbares, aber auch Okkultes, Finsteres und Täuschungen in den Sinn. Aus Märchen und Filmen sind wir vertraut mit unglaublichen Geschichten von magischer Macht über Gegenstände, Personen oder andere Lebewesen, über die Umwelt, das persönliche Schicksal oder gar das Wetter. Die Faszination für Magie und Zauber ist selbst in modernen Gesellschaften ungebrochen.

Die wissenschaftlichen Zugangsweisen zur Erforschung magischer Praktiken und Rituale sind überwiegend historisch oder anthropologisch oder stammen aus der Perspektive der Religionswissenschaften. Gemäß einem physikalistisch-reduktionistischen Weltbild können Psi-Phänomene nicht existieren. Demnach kann es keine »echte« Magie geben, und vermeintlich »magische« Effekte beruhen auf Sinnestäuschungen oder Betrug.

Die Parapsychologie steht den phantastischen Erzählungen über magische Effekte ebenfalls kritisch gegenüber, wobei die Möglichkeit von Psi-Phänomenen als eine wissenschaftlich nachgewiesene Realität akzeptiert wird. Forscher haben überzeugende Beweise für Telepathie, Psychokinese und Präkognition in Laborexperimenten (Cardeña, 2018) und gut untersuchten Fallstudien außerhalb des Labors gefunden (Mayer, 2019).

»Die Faszination für Magie und Zauber ist selbst in modernen Gesellschaften ungebrochen.«

Was ist Magic(k) – Was sind seine Ziele?

Der britische Okkultist Aleister Crowley (1875–1947) lieferte eine Definition von Magie, die er in Abgrenzung zur Bühnenmagie »Magick« nannte:

Magie ist die Wissenschaft und Kunst, Veränderungen in Übereinstimmung mit dem Willen herbeizuführen (Crowley, 1970, S. XII).

Diese Definition wurde von Nachfolgern um den Aspekt der veränderten Bewusstseinszustände (ASC – altered states of consciousness) ergänzt, die wesentlich für die magische Praxis seien. Auf dieser Grundlage schuf der Okkultist Frater V. D.  eine »erste Grundformel der Magie«, die lautet:

magischer Akt = Wille + Imagination + Gnosis (= magische Trance) (Frater V. D., 2001, S. 28)

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Aleister Crowley als Osiris

Diese Definition der Magie aus der Perspektive der Praktizierenden lässt offen, was das Ziel einer magischen Handlung ist, welche Techniken verwendet werden und ob eine Veränderung der inneren oder äußeren Welt angestrebt wird.

Es gibt vielfältige Techniken und Elemente der magischen Praxis wie etwa Invokationen (zur Beschwörung von spirituellen Wesenheiten oder Energien), Bewusstseinstechniken (zum Beispiel Visualisierung, Imagination, magische Trance und Astralprojektion), Bezüge zu astrologischen und kabbalistischen Elementen und Konzepten, oder die Arbeit mit sogenannten Sigillen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Sigillenmagie in der heute gebräuchlichen Form wurde von dem Okkultisten Austin Osman Spare (1886–1956) entwickelt. In Anlehnung an psychoanalytische Ideen kehrte er das therapeutische Ziel »Wo Es war, soll Ich werden« um, indem mittels eines magischen Rituals ein künstlicher psychischer Komplex erzeugt werden soll: »Wo Ich war, soll Es werden«. Mithilfe einer Sigil soll ein Willenssatz in das Unterbewusstsein verpflanzt und damit der »innere Zensor« umgangen werden. 

Über mögliche Ziele der magischen Praxis gibt die Unterscheidung zwischen »Hoher Magie« und »Niederer Magie« Hinweise. Letztere ist auf magische Operationen ausgerichtet, die pragmatische Ziele wie das Bestehen einer Prüfung oder die Suche nach einer schönen Mietwohnung verfolgen. Als Ziele der Hohen Magie können beispielsweise das Fördern künstlerischer Prozesse, das Vordringen in neue Bewusstseinsdimensionen oder Fortschritte auf dem persönlichen spirituellen Weg genannt werden.

»Gemäß einem physikalistisch-reduktionistischen Weltbild können Psi-Phänomene nicht existieren.«

Eine Interviewstudie

Um Informationen über die Biografien, Glaubensvorstellungen, Motive, Praktiken und Erfahrungen von magisch praktizierenden Personen zu gewinnen, habe ich Interviews mit erfahrenen Magierinnen und Magiern im deutschsprachigen Raum geführt (Mayer, 2008). Einige für den Bereich der Parapsychologie wichtige Ergebnisse sollen im Folgenden dargestellt werden.

Magische Operationen und ihre Wirkungen

Die berichteten außergewöhnlichen und paranormalen Phänomene sind vielfältig. Einige traten in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit magischen Handlungen auf; bei anderen, auf die Zukunft hin gerichteten Zielen kam es zu einer erwartungsgemäßen zeitlichen Verzögerung. Manchmal waren paranormale Phänomene oder Erfahrungen beabsichtigt, in anderen Fällen wurden sie als Nebenprodukt oder Begleitphänomen der Operation verstanden. Man kann die berichteten paranormalen Phänomene beziehungsweise Erfahrungen fünf Kategorien zuordnen: (1) Situationsbeeinflussung, (2) Wetterphänomene, (3) Psychokinese und Spukphänomene (RSPK), (4) außersinnliche Wahrnehmung (ASW) und (5) synchronistische Ereignisse.

Situationsbeeinflussung

Beispiele für Ziele magischer Situationsbeeinflussung aus meinem Interviewmaterial sind:

  •       Das Wiedererlangen verlorener Gegenstände
  •       Die Suche nach einer Wunschwohnung
  •       Die Verhinderung der Ausstrahlung einer bestimmten Fernsehsendung
  •       Das Stoppen von Mobbing durch einen Vorgesetzten

Das letztgenannte Beispiel soll kurz beschrieben werden. Baltus (Pseudonym) führte eine magische Intervention gegen die Schikanen eines Vorgesetzten durch, da dieser seine Entlassung mit allen Mitteln durchsetzen wollte. Der von Baltus angewendete Willenssatz lautete: »Wenn er irgendwie versucht, mir irgendetwas anzutun, was ich für mich als schädlich empfinde, dann soll er es doppelt zurückbekommen auf die Weise, dass er gebremst wird.« Dieser Vorgesetzte erlitt an dem darauffolgenden Wochenende einen Sportunfall, der ihn für lange Zeit außer Gefecht setzte und die akute Situation für Baltus entschärfte. Zwar schloss Baltus Zufall nicht aus, aber das subjektive Evidenzempfinden herrschte vor, dass seine magische Operation wirksam gewesen sei. Sein Willenssatz war relativ unpräzise formuliert. Wir werden später sehen, warum dies wichtig sein kann.

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Wetterphänomene

Bei Berichten über magische Wettermanipulationen und synchronistische Wetterphänomene fällt es schwer, sie in einem kausalen Zusammenhang mit magischen Praktiken zu sehen. Ein Beispiel: Am 11. August 1999 fand eine Sonnenfinsternis statt. Die Wettervorhersagen versprachen keinen ungetrübten Genuss dieses seltenen Himmelsschauspiels in Süddeutschland. Meinrad (Pseudonym) vollzog deshalb vor dem Ereignis ein magisches Ritual mit einem sehr bescheiden formulierten Willenssatz: »Ich will nur ne Minute während der Sonnenfinsternis, und da muss auch nur ein ganz kleiner Bereich des Himmels betroffen sein.« Dort, wo er sich befand, öffnete sich eine halbe Minute vor der Eklipse ein Wolkenfenster und schloss sich wieder, bevor das Ereignis ganz vorbei war.

Zwei weitere Berichte könnten als synchronistische Wetterereignisse gedeutet werden. (1) Während der Einweihungszeremonie eines Saturnmeisters wurde im Rahmen des Rituals der Satz »Es werde Licht!« ausgesprochen. Genau in diesem Moment kam plötzlich und unerwartet ein Blitz, wie aus heiterem Himmel. (2) Während der Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm Hexen heute in einem Steinbruch, in dem am Abend zuvor ein Wicca-Ritual stattgefunden hatte, zogen innerhalb von zehn Minuten plötzlich schwarze Wolken auf, und am Himmel waren Blitze hinter dem gefilmten Magier zu sehen – ein nicht geplanter eindrucksvoller Filmeffekt.

»Magie ist die Wissenschaft und Kunst, Veränderungen in Übereinstimmung mit dem Willen herbeizuführen.«

Psychokinese und spukhafte Phänomene

Man muss zwischen bewusst herbeigeführten psychokinetischen Effekten und solchen unterscheiden, die unbeabsichtigt als spukhafte Phänomene im Zusammenhang mit magischen Ritualen auftreten. Ein Magier berichtete von regelmäßig durchgeführten Versuchen, mit Gedankenkraft ein sich leicht drehendes Objekt auf einer Nadelspitze (Pin Wheel oder Psi-Wheel) in Bewegung zu versetzen. Damit sollte die Konzentrationsfähigkeit und »Geisteskraft« trainiert werden.

Die Phänomene in folgender Schilderung eines magischen Rituals während der Initiation eines Novizen in den magischen Orden Ordo Templi Orientis (O.T.O) sind anderer Natur. Der »Kalif« des kalifornischen O.T.O., Grady McMurtry (1918­–1985), war zu jenem Zeitpunkt schon sehr gebrechlich. Der Novize beschreibt das Geschehen während des Rituals. McMurtry »hat schwer gehinkt und hat auf’m letzten Loch gepfiffen (…) Und er hatte im Korea-Krieg eine Schussverletzung, die nie entfernt wurde (…) Also war schon eigentlich ein Halb-Invalide. Und er hat dieses Ritual gemacht. Und in dem Ritual ist was Heftiges passiert: Nämlich ich sah auf einmal, ohne dass irgendjemand (…) gesagt hat, das müsste man sehen oder irgendwas – sah ich auf einmal im Raum in der Luft, einfach so Peng! (…) einen aus der Tiefe heraus leuchtenden roten Rubin. Riesig, fett und groß. Ganz spontan. Also vollkommen wie aus dem Nichts geschossen. Ohne so’nen Phantasie-Vorlauf oder irgend so etwas, und blieb auch da und stand da, und ich hab so ne heftige Energie verspürt und als er anfing, den Pan zu invozieren, fing er an zu tanzen. Und er hat wie ein Derwisch getanzt und er hatte nicht die geringste Gebrechlichkeit im Tanz. Also: Absolut ausladend. Das war wie weg – die Behinderung (…) unglaublich beeindruckend! (…) Ich glaube, das erste, was ich in mein Tagebuch geschrieben habe, nachdem ich damals gegangen war: Ich habe hier jetzt zum ersten Mal wirklich erlebt, dass es Magie wirklich gibt.«

Im Gegensatz zu diesen absichtlich herbeigeführten PK-Effekten berichteten Interviewpartner auch von Phänomenen, die spontan im Rahmen magischer Rituale auftraten:

  •       Berstende Glühbirnen auf dem Höhepunkt eines Rituals
  •       Ausfall von Elektrogeräten, Stromausfall in der angrenzenden Straße
  •       Spontane Entzündung eines magischen Gewandes
  •       Gefaltete Papiere, die plötzlich aus einer Opferschale in die Luft fliegen

Außersinnliche Wahrnehmung (ASW)

Die Befragten berichteten mehrfach von Erlebnissen während der magischen Trance, die in den Bereich der ASW fallen. Ein Interviewpartner schilderte von Sinneserweiterungen bei einigen Teilnehmenden nach einem nächtlichen magischen Ritual, das bewirkte, dass sie wahrnehmen konnten, was andere Mitglieder der Gruppe, die sich außerhalb des normalen Wahrnehmungsbereichs befanden, taten und worüber sie sprachen. Der Interviewte selbst bemerkte dies beim Gang auf die Toilette: »Und dann habe ich auch Gespräche mitbekommen, die (…) mit zunehmender Distanz vom Feuer (…) nicht leiser wurden, sondern im Gegenteil schärfer wahrnehmbar waren.«

Auch bei dem magischen Versuch des Wiedererlangens verlorener Gegenstände können ASW eingesetzt werden. Harry Eilenstein, Magier, Interviewpartner und Buchautor, praktiziert dies für Klienten, indem er versucht, seinen »Beobachtungspunkt« nach außen in den verlorenen Gegenstand zu legen. Zum Beispiel stellt er sich im Fall eines verlorenen Hausschlüssels vor, sein Bewusstsein befinde sich in diesem Schlüssel, und er beschreibt die Umgebung, die er von diesem Ort aus wahrnimmt. Diese Beschreibungen würden oft bereits zum Wiederfinden ausreichen.

Synchronistische Ereignisse

Es ist weitgehend von der subjektiven Erfahrung und Interpretation der wahrnehmenden Person bestimmt, ob eine Korrelation zwischen zwei Ereignissen als rein zufälliges Ereignis angesehen, ob der Zufall mit dem Prädikat »bedeutsam« versehen oder gar ob ein kausaler Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen angenommen wird. Ein und dasselbe Ereignis kann je nach Perspektive unterschiedlich kategorisiert werden. Fast alles, was im Abschnitt »Situationsbeeinflussung« aufgeführt wurde, könnte auch als synchronistisches Ereignis interpretiert werden. Allerdings ist eine magische Operation zur Situationsbeeinflussung immer mit einem Willenssatz verbunden, der auf die »Realität« einwirken soll. Ein Beispiel: Ein Befragter führte ein Jupiter-Ritual für mehr Wohlstand in seinem Leben durch, um seine seit längerem wirtschaftlich angespannte Situation zu ändern. Kurz nach Durchführung des Rituals verließ er das Haus und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Qualitätsstereoanlage am Straßenrand »zum Mitnehmen« stehen. Er hatte sich schon lange eine gute Stereoanlage gewünscht, konnte sie sich aber nicht leisten, und nun stand sie direkt vor seiner Tür. Dies ist nur ein Beispiel, dem viele weitere hinzugefügt werden könnten. Ist das nun eine Situationsbeeinflussung oder ein bedeutungsvoller Zufall, also eine Synchronizität im Sinne Carl Gustav Jungs?

Die Evaluation der magischen Operationen

Das Problem

Die Bewertung des Erfolgs magischer Operationen stellt ein besonderes Problem dar. Konventionelle Erklärungen, die auf Wahrnehmungstäuschungen, Fehlurteile oder ähnliche psychologische Mechanismen (zum Beispiel Übergeneralisierung, Autosuggestion, Fehler bei der Einschätzung der Zufallswahrscheinlichkeit und so weiter) zurückgreifen, wurden von den interviewten Praktizierenden als unzulänglich angesehen. Die meisten von ihnen sind aufgrund ihrer eigenen akademischen Ausbildung zumindest teilweise mit den wissenschaftlichen Diskursen über Magie vertraut.

Wie man die Erfolge der Magie bewertet, hängt stark von den gesetzten Zielen ab. Es macht einen großen Unterschied, ob magische Operationen als Teil eines langfristigen Schulungsweges (zum Beispiel »Ich will innerhalb des nächsten Jahres mein Selbstbewusstsein und meine Durchsetzungsfähigkeit stärken«) oder als ungewöhnliche Methode zur pragmatischen Lösung von Alltagsproblemen (zum Beispiel »Ich will innerhalb der nächsten Woche meine verlorene Jacke wiederfinden«) in ihrem Erfolg evaluiert werden sollen. Bei letzterer Variante ist es einfacher. Hingegen kann eine streng analytische Erfolgsbewertung von magischen Ritualen für einen spirituellen Weg hinderlich sein, weil die Gefahr groß ist, dass die »Quellen« versiegen und sich die »Tore« schließen, wie es einer der Befragten ausdrückte.

Das Führen eines magischen Tagebuchs stellt eine Möglichkeit zur Evaluierung der eigenen magischen Praxis dar. Wenn die zugehörigen Willenssätze hinreichend konkret und präzise formuliert sind, lässt sich damit der Erfolg magischer Operationen einigermaßen zuverlässig überprüfen und die Gefahr der Selbsttäuschung abschwächen. Allerdings bietet auch dies keine Garantie einer validen Erfolgsbewertung, da in der Magie oft, wie in der Parapsychologie, Verschiebungs- und Trickster-Effekte auftreten (Hansen, 2001). Ein Interviewpartner drückte es so aus: »Der ›Gott der Magie‹ muss offensichtlich ein Schelm sein«.

»Das Führen eines magischen Tagebuchs stellt eine Möglichkeit zur Evaluierung der eigenen magischen Praxis dar.«

Verschiebungs- oder Trickster-Effekte

Verschiebungs- oder Trickster-Effekte sind dadurch gekennzeichnet, dass die beabsichtigte Wirkung nicht am gewünschten Ort oder in der gewünschten Form eintritt, obwohl ein sinnvoller Zusammenhang zwischen der Absicht und dem Ergebnis erkennbar ist. Ein Interviewpartner berichtete von einer magischen Operation mit dem Ziel, ein neues Fernsehgerät zu erhalten. Der alte Fernseher ging noch am selben Tag kaputt, und er musste sich am nächsten Tag ein neues Gerät kaufen. Damit wurde der Willenssatz erfüllt, jedoch nicht in der Form, wie der Magier es sich vorgestellt hatte. Ein anderer Interviewpartner führte zu Übungszwecken ein magisches Ritual durch, dessen Ziel es war, zu einem bestimmten Zeitpunkt 50 Euro zu erhalten: »Das Ende der Geschichte war, ich hatte meinen Geldbeutel in der Zwischenzeit verloren und genau um die beabsichtigte Uhrzeit (…) kam er wieder zurück und da waren noch 50 Euro drin«.

»Man sei fast versucht«, so ein anderer Interviewpartner, »zu glauben, dass es irgendwo eine kleine magische Kontrollinstanz gibt«, weil viele Dinge nicht so funktionieren würden wie geplant, jedoch in einer Art, als ob eine Absicht dahinterstecken würde. Die »kleine magische Kontrollinstanz« könnte etwa der bereits erwähnte »innere Zensor« oder ein aus der Parapsychologie bekannter innerer Widerstand sein, die Verantwortung für das paranormale Geschehen übernehmen zu müssen (Batcheldor, 1984). Dazu bemerkte Frater V. D.: »Wenn das ›Gesetz der unerwünschten Folgewirkungen‹ erst einmal seine hässliche Fratze zeigt, man es also auf dramatische Weise mit magischen Kollateralschäden zu tun bekommt, so kann das moralische oder ethische Dilemma des Magiers bisweilen immens sein« (Frater V. D. et. al., 2019, S. 45). Sein Beispiel: »Man zaubert etwa, um die eigene finanzielle Not zu lindern, kurz darauf verstirbt die geliebte Großmutter und hinterlässt einem eine entsprechende Erbschaft« (ebd.).

Um unangenehme Überraschungen bei magischen Operationen zu vermeiden, die Ziele wie zum Beispiel »eine schöne Wohnung bekommen« betreffen, empfahl Harry E., keine Willenssätze aufzustellen, die das Ziel sehr genau beschreiben. Oft würde man dabei etwas Entscheidendes vergessen. Sinnvoller sei es, sich darauf zu konzentrieren, wie sich das Ergebnis anfühlen soll: »Wenn man sich eine Wohnung wünscht, in der man sich auf eine bestimmte Art und Weise fühlt, dann lässt das mehr Freiheitsgrade zu. Es könnte eine Version geben, in der man sich so fühlt, an die man gar nicht gedacht hat.«

Entwicklung des Sinns für subjektive Evidenz

Da es in der Magie oft keinen objektivierbaren Kausalzusammenhang zwischen der magischen Operation und dem Resultat gibt, ist das Erkennen von Synchronizitäten von besonderer Bedeutung. Dafür sollte eine Sensibilität entwickelt werden. Dazu Frater V. D.: »Allein die konsequente Wahrnehmung von Synchronizitäten, ja die Suche nach Omen und ihre darauffolgende Integration sind bereits die entscheidendsten Schritte in die Richtung erfolgreicher Erfolgskontrolle. Klarifikation (anstatt Verifikation) heißt, Sinnzusammenhänge zu erkennen, zu begreifen und mit ihnen zu arbeiten« (Frater V. D., 1983, S. 229).

Die Bewertung magischer Praxis basiert häufig auf dem Gefühl, dass das Ergebnis kein Zufall sein kann und es auf das magische Verfahren zurückzuführen ist, also auf einem subjektiven Evidenzempfinden. Im Unterschied dazu ergibt sich wissenschaftliche Evidenz aus der Akkumulation von Erkenntnissen und durch logische Schlussfolgerungen und ist deshalb leicht kommunizierbar. Das Gefühl der subjektiven Evidenz kann auf unterschiedliche Weise zustande kommen, etwa durch das Erleben von Psi-Phänomenen im Kontext magischer Praktiken, aber auch durch Persönlichkeits- und Wahrnehmungsveränderungen, mit der Freisetzung tiefgehender Einsichten oder mit besonderen Körperempfindungen.

Die oben erwähnte Strategie der »Klarifikation«, das heißt des Erkennens von sinnvollen Zufällen, birgt ein hohes Fehlerrisiko. Viele PraktikerInnen wissen um die kognitiven Fehlleistungen, welche die realistische Einschätzung des Erfolgs ihrer Operationen und Rituale verzerren können. Im Gegensatz zu ParapsychologInnen müssen MagierInnen jedoch nicht andere, sondern nur sich selbst überzeugen.

Voraussetzungen für den Erfolg der Magie

Führt eine magische Operation nicht zum gewünschten Ergebnis, so bieten sich den Praktizierenden verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Die naheliegendste: Magie funktioniert nicht, weil sie nicht funktionieren kann, wie es aus einer reduktionistisch-wissenschaftlichen Position behauptet wird. Magischer Erfolg würde auf Zufall oder fehlerhaften Urteilen beruhen. Solche Überlegungen bilden auch den Kern von aufkommenden Zweifeln bei Magiern und Magierinnen, doch halten sie in der Regel nicht lange an, da deren akkumulierte eigene Erfahrungen dagegensprechen. Selbst bei andauernder Skepsis an der Wirksamkeit der Magie und am eigenen Tun können die Erfahrungen während des Praktizierens selbst Gegenteiliges, also Zweifel an der Skepsis erzeugen, wie aus den Äußerungen eines Interviewpartners hervorgeht: »In dem Moment, wo ich das Ritual mache, glaube ich daran. Genau so war es bei diesem Freund [bezieht sich auf ein von ihm durchgeführtes Ritual]. Ich habe daran geglaubt, ganz fest. Ich wusste, dass es funktionieren wird. Wenn ich dann aus dem Kreis raus bin, sage ich zu mir: Das ist doch alles Blödsinn, was machst du da?«

Eine weitere Erklärung für das Scheitern, nämlich dass Magie wirkt, aber die Ergebnisse anders ausfallen als erwartet, kann neben den bereits beschriebenen Verschiebungseffekten und der zeitlichen Verzögerung des Eintretens einer Wirkung auch in einem mangelnden Verständnis der Vielschichtigkeit der Situation liegen. Man kann oft nicht ermessen, wozu ein Ergebnis gut ist, beziehungsweise wohin es führen wird.

Auch die Möglichkeit von Verfahrensfehlern wird im Fall eines Scheiterns in Betracht gezogen: Aufgrund der Komplexität magischer Rituale und der Vielfalt der zu berücksichtigenden Elemente ist es immer möglich, dass Wichtiges übersehen oder nicht angemessen berücksichtigt wurde.

Frater V. D. (1983, S. 228) beschreibt in seiner Abhandlung über magische Erfolgskontrolle fünf mögliche Fehlerquellen, die zum Scheitern magischer Operationen führen können:

  • Das Ritual / die magische Operation wurde fehlerhaft durchgeführt
  • Mangelnde Konzentration
  • Zu starke Bindung an den Erfolg der magischen Operation
  • Angst blockiert den magischen Willen
  • Das Ziel der magischen Operation verstößt gegen die Gesetze der eigenen Natur (»Wahrer Wille«, Schicksal)

Der letzte Punkt bedarf einer Erklärung. Der »Wahre Wille« bezeichnet ein Konzept von Aleister Crowley, das dem berühmt-berüchtigten Axiom »Tu, was du willst, das ist das ganze Gesetz« zugrunde liegt. Dabei geht es nicht darum, sich mit allen Mitteln jegliche Wünsche zu erfüllen, sondern dem eigenen wahren Weg zu folgen und die eigene, einzigartige und authentische Bestimmung zu finden. Dieses persönliche »Gesetz der eigenen Natur« ist nicht von Anfang an offensichtlich und bewusst, sondern wirkt unbewusst und muss erst erkannt werden. Frater V. D. (ebd.) schreibt: »Wiewohl die Magie durchaus und nachweisbar dazu imstande ist, gegen den bisher allgemein geltenden Kanon sogenannter ›Naturgesetze‹ zu verstoßen, wird es in der Regel kaum gelingen, magisch etwas zu erreichen, was dem Wahren Willen, dem eigenen Telos oder der ›Bestimmung‹ des Magiers nachhaltig zuwiderläuft.«

»Dabei geht es nicht darum, sich mit allen Mitteln jegliche Wünsche zu erfüllen, sondern dem eigenen wahren Weg zu folgen und die eigene, einzigartige und authentische Bestimmung zu finden.«

Als Voraussetzungen für den Erfolg der Magie können aus Magierperspektive vier Punkte hervorgehoben werden:

  • Es muss eine starke Motivation vorhanden sein, das heißt eine emotionale Bindung an das Ziel der magischen Operation;
  • eine empathische Beziehung zum Ziel sollte vorhanden sein;
  • während der magischen Prozedur sollte es keine Fragen oder Zweifel an ihrer Wirksamkeit geben;
  • zu viel zu wollen oder zu sehr zu leiden, verhindert den Erfolg.

Die beiden letzten Punkte sollen kurz kommentiert werden. Harry E., den seit früher Kindheit nie Zweifel über die Wirksamkeit der Magie überkamen, führte ein Beispiel aus der Bibel an: Jesus ging auf dem Meer und wies Petrus an, er solle ebenfalls auf dem Wasser schreitend zu ihm kommen. Nach wenigen gelingenden Schritten überkam Petrus jedoch die Angst und er begann, unterzugehen. Jesus ergriff ihn und sagte zu ihm: »O du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?« (Matthäus 14, 22–33). Die Notwendigkeit des Fehlens jeglichen Zweifels an der Wirksamkeit der magischen Operation macht verständlich, warum zum Beispiel das willentliche Erzeugen kleiner PK-Effekte wie etwa das Bewegen eines Psi-Wheels nach Aussagen von MagierInnen relativ zuverlässig bewerkstelligt werden kann. Ein unbedingter Glaube an das Gelingen lässt sich leichter herstellen, wenn man ein Psi-Wheel mit »Geisteskraft« zum Rotieren bringen will, als wenn man sich vornimmt, einen Eisenbahnwaggon psychokinetisch zu bewegen.

Mit Magie zu viel zu wollen oder unter einem starken Leidensdruck zu stehen, erschwert, in einen für magische Operationen notwendigen Geisteszustand (Gnosis) zu kommen. Noch schwieriger ist es, den Willenssatz zu vergessen und dann das Unterbewusstsein ungestört arbeiten zu lassen, wie es in der Sigillenmagie gefordert ist.

Rituale werden von zeitgenössischen MagierInnen oft als Mittel verstanden, um die Vorstellungskraft und die Konzentration zu befördern oder um sich in eine magische Trance zu versetzen. Sie sind hilfreiche Werkzeuge, aber nicht unerlässlich für die erfolgreiche Durchführung einer magischen Operation. Aus diesem Grund kann ein Erlebnis, das Harry E. von seiner Urgroßmutter berichtete, auch als unbewusste magische Operation bezeichnet werden:

Sie hatte diese Fähigkeit, wenn sie mit uns auf der Kirmes war (…), und eines von uns vielen Kindern (…) hat eine Niete gezogen, die anderen hatten was [einen Gewinn]; da hat sie gesagt, so geht das nicht, ich ziehe dir noch ein Los und dann kriegst du was. Und dann haben sie immer zu ihr gesagt: Oma, so geht das nicht. Aber das hat sie nicht interessiert. Sie hat gezogen und den Hauptpreis bekommen. (…) Also ich weiß von drei Gelegenheiten. Sie hatte einfach ein Händchen dafür.

Man könnte dies als eine Form der »Magie mit leeren Händen« bezeichnen, die kein Ritual, magisches Zubehör oder andere Hilfsmittel erfordert. Die oben erwähnte Grundformel der Magie besagt, dass Gnosis als Bewusstseinszustand ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Sie bedeutet nicht nur, dass man sich vollkommen auf ein Ziel konzentriert, sondern auch, dass man sich in einer Geisteshaltung befindet, die »müheloses Handeln« oder »nicht handelndes Handeln« ermöglicht. Im chinesischen Daoismus wird dieses Konzept Wu Wei genannt. Man sollte einerseits weder an der Handlung noch am Ergebnis hängen, es aber andererseits auch nicht aus den Augen verlieren. Westlich geschulte Geister mögen es geradezu als paradox empfinden, einen unbedingten Willenssatz aufzustellen und dessen Ziel aber zu vergessen oder »loszulassen«, um die Wirksamkeit der magischen Operation nicht zu gefährden.

Parapsychologie und Magie

»Ich befasse mich seit etwa vierzig Jahren mit der Magie aus wissenschaftlicher Sicht. In den ersten neununddreißig Jahren dieser Zeit hätte ich diese Aussage energisch bestritten« (Radin, 2018, S. 11) S. 11). Dies schrieb der bekannte Parapsychologe Dean Radin in seinem Buch Real Magic. Er fand Parallelen zwischen dem, womit sich MagierInnen und ParapsychologInnen beschäftigen. Dies ist nur auf den ersten Blick überraschend. Versteht man Psi-Phänomene als Ausdruck von etwas, das ein erweitertes Verständnis der Grundlagen der Realität erfordert und das Bewusstsein als wichtiges Element mit einschließt, dann wird eine solche Sichtweise sinnvoll. Die Bedeutung besonderer (nicht-alltäglicher) Bewusstseinszustände, aber auch des Willens und des Glaubens an die Wirksamkeit der Handlungen (sheep-goat-Einstellung) spielen sowohl in der Parapsychologie als auch in der Magie eine zentrale Rolle. Ähnlichkeiten zwischen Parapsychologie und Magie sind also gar nicht so weit hergeholt, auch wenn dies von vielen in beiden Lagern anders gesehen werden mag.

Dr. Gerhard Mayer

Zum Autor

Dr. Gerhard Mayer, Studium der Psychologie, Soziologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Freiburg. Seit 1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene/Freiburg. Geschäftsführer der Gesellschaft für Anomalistik. Forschungsinteressen: Medienpsychologie, Neoschamanismus, Magie, biografische Bedeutung und Integration außergewöhnlicher Erfahrungen und Schlafparalyse.

Literaturangaben:

Batcheldor, K. J. (1984). Contributions to the Theory of PK Induction from Sitter-Group Work. Journal of the American Society for Psychical Research, 78(2), 105–122.

Cardeña, E. (2018). The experimental evidence for parapsychological phenomena: A review. The American Psychologist, 73(5), 663–677. https://doi.org/10.1037/amp0000236

Crowley, A. (1970). Magick in Theory and Practice / by the Master Therion. Castle Books.

Frater U. D., Eilenstein, H., Knecht, J., & Büdenbender, A. (2019). Magie heute—Berichte aus der Praxis. Books on Demand.

Frater V. D. (1983). »Zufall, natürlich!« Das Problem der magischen Erfolgskontrolle. UNICORN – Vierteljahreshefte für Magie und Mythos, 7, 225–229.

Frater V. D. (2001). Schule der hohen Magie. Ansata.

Hansen, G. P. (2001). The trickster and the paranormal. Xlibris. http://www.tricksterbook.com/

Mayer, G. (2008). Arkane Welten: Biografien, Erfahrungen und Praktiken zeitgenössischer Magier. Ergon.

Mayer, G. (Hrsg.). (2019). N equals 1: Single case studies in anomalistics. LIT.

Radin, D. (2018). Real magic: Ancient wisdom, modern science, and a guide to the secret power of the universe. Harmony Books.

Bildnachweis: © Adobe Stock, Wikimedia Commons

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