»Hab so eine Sehnsucht, mich aufzuspüren« (Teil 1)
Der Begriff »Leib« ist heutzutage weitgehend in Vergessenheit geraten, längst wurde er vom Begriff »Körper« ersetzt. Doch das hat weitreichende Folgen: Während Körper lediglich die physische Schicht unseres Daseins beschreibt, schließt der Leib unser Fühlen und Spüren mit ein und stellt einen Bezug zur Seele her. Wie es zur Leibesvergessenheit und seiner Wiederentdeckung kam, verrät uns Dr. Annette Blühdorn.
1) Widersprüche und Defizite
Bereits 1986 diagnostizierte der Psychologe Petzold einen »Kult der Körperlichkeit«. Er sah darin »eine Sehnsucht des Menschen nach Leiblichkeit, eine Ahnung von dem Leib, der wir sind und der unsere letztendliche Wirklichkeit und Heimat ist.« Diese Sehnsucht wird hier im Titel deutlich ausgesprochen. Doch das Bewusstsein des Menschen sei, so Petzold, »auf den Körper als Objekt gerichtet«, es erfasse nicht »das Zentrum, in dem sich Innen und Außen verbinden« (1986: 9f). Knapp 40 Jahre später hat die Philosophie des Leibes diese Sichtweise bestätigt. Laut Rieger (2019: 9f) ist die Aufwertung des eigenen Körpers das zentrale Anliegen des Menschen in der (spät-)modernen Gesellschaft. Selbstverwirklichung und die Verwirklichung langfristiger Lebensziele seien an einen intakten Körper geknüpft, Gesundheit gelte als höchster Wert und zunehmend als machbar. Der Körper, den wir haben, fungiert dabei, wie auch Böhme formuliert, »als Instrument, das den eigentlich menschlichen Zwecken und Absichten dient, das gut funktionieren und als Werkzeug möglichst unauffällig sein soll, als Plakat gesellschaftlichen Erscheinens dagegen möglichst auffällig« (2021: 351). Für die Optimierung des Körpers stehen Individual- und Mannschaftssport zur Verfügung, Wellness- und Fitnessprogramme, Body-Monitoring, Nahrungsergänzungsmittel sowie spezielle Ernährungsstile, und neben der etablierten Reparatur- und Reproduktionsmedizin nun auch eine ästhetische Chirurgie, die auf eine fragwürdige Verbesserung des körperlichen Erscheinungsbilds zielt. Als Gegentrend wäre schließlich Body Positivity zu nennen, eine Initiative, die Körperakzeptanz jenseits der gängigen Normmaße propagiert.
Doch die körperzentrierte »Gesundheitsgesellschaft« des 21. Jahrhunderts hat auch eine Kehrseite. Für Rieger zeigt sie sich paradoxerweise in einer Vernachlässigung des Leibes, der wir sind. Damit ist jenes ganzheitliche Kontinuum gemeint, dascKörper, Geist und Seele zu einer unauflöslichen Einheit zusammenbindet. Insofern könne »ein Körperkult eine Variante der Leibvergessenheit« oder gar der »Leibesverachtung« sein (2019: 10, 66). Gemäß Böhme findet unsere leibliche Existenz »Beachtung nur als Voraussetzung für anderes« (2021: 355). Speziell die in der Zivilisation des späten 20. und des 21. Jahrhunderts habitualisierte Lebensweise habe dazu geführt, dass »leibliche Kompetenzen gar nicht erst ausgebildet werden« (ebd.: 31). Wir erleben derzeit also große Widersprüche im Umgang mit dem eigenen, dem menschlichen Körper .
»Wir haben die innere Verbindung zu unserem Leib weitgehend verloren.«
Der Grund für diese Widersprüchlichkeit liegt darin, dass wir tief in der abendländisch-christlichen Kultur verwurzelt sind, die geprägt ist von der platonisch-cartesianischen Dualität: Der materielle Körper und die abstrakten Bereiche des Geistes beziehungsweise der Seele stehen einander gegenüben, ohne dass eine Verbindung zwischen diesen Bereichen erkennbar wäre. Wir haben die innere Verbindung zu unserem Leib weitgehend verloren, er ist »wie verschwunden in der Spalte zwischen beiden vermeintlichen Hälften des Menschseins« (Schmitz 1996: 13). In genau dieser Spalte scheint Wecker festzustecken, wenn er schreibt: »Hab so eine Sehnsucht, mich aufzuspüren« (2015: 165). Seine Sehnsucht offenbart den Wunsch nach leiblicher Ganzheit, sie deutet an, dass Teile der eigenen Persönlichkeit verschüttet sind, jedoch das Bedürfnis besteht, das Verschüttete an die Oberfläche zu holen. Diese Wahrnehmung bezeugt die Annahme, dass der Mensch aus voneinander gesonderten Teilen besteht. Zwar nehmen wir diese Aufspaltung als ein Faktum an, sie bestand aber nicht immer. Es war Platon, der den abstrakten Raum der Seele konstruierte, alle Gefühle und Empfindungen dorthin verschob und den Körper zu einem Bereich erklärte, der von der ebenfalls im Seelenraum angesiedelten Vernunft zu kontrollieren sei. Das Leiden am Verlust der verlorenen Einheit ist hier gewissermaßen vorgezeichnet. Denn die Sehnsucht, sich aufzuspüren, sich als unversehrtes Ganzes zu erleben, ist ein Phänomen, das nicht nur Wecker betrifft. Dies legen das wachsende Interesse an Homöopathie nahe, an ganzheitlicher und Komplementärmedizin sowie an christlich basierten oder östlichen Meditations- und Körperpraktiken, die eine spirituelle Dimension beinhalten und Zugang zu unseren verschütteten Persönlichkeitsanteilen versprechen. Ein weiteres Indiz sind die stetige Zunahme psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Burn-Out oder Angstzustände, die, so der Psychotherapeut Müller, häufig aus der Defiziterfahrung fehlender Ganzheit resultieren, also aus der Vernachlässigung der Einheit von Körper und Seele im Leib (2011: 11).
Der Begriff »Leibvergessenheit« impliziert, dass es vor dem Zustand des Vergessens einen Zustand der Kenntnis des Leibes gegeben haben muss. In seiner umfangreichen Auseinandersetzung mit dem Leib weist Schmitz ein solches Leibbewusstsein für die prähistorisch-mythische Zeit nach. Er verortet den Prozess, der zum Verlust eines ganzheitlichen Leibempfindens führte, im Übergang von Homers Ilias zu der Epoche, die durch die Philosophie Platons geprägt ist. Dessen Konstruktion einer abstrakten Seele markiere das Ende der leiblichen Einheit und den Beginn der »Verschüttung dieses unbefangenen menschlichen Selbstverständnisses« (1998: 365).
Dieser zweiteilige Aufsatz verfolgt den Weg von der ursprünglichen leiblichen Einheit des Menschen zur Verdeckung und schließlich der schrittweisen Wiederentdeckung des Leibes, in Gang gesetzt durch ein offenbar tiefliegendes Bedürfnis nach leiblicher Ganzheit. Da diese Entwicklungen sich über sehr lange Zeiträume erstrecken, können jedoch nur einzelne Stationen dargestellt werden. Eine verbesserte Kenntnis der Entwicklungsgeschichte des Leibes und damit des ganzheitlichen Wesens unserer eigenen menschlichen Natur kann ein neues Leibbewusstsein fördern, das hilft, mit bestimmten Defiziten und Bedürfnissen, die wir verspüren, selbstbewusster umzugehen. Denn wenn der Leib, betont Schmitz, »aus der jahrtausendelangen Versenkung zwischen Körper und Seele wieder an das Licht systematischer und kontrollierter Besinnung hervorgeholt wird, ergibt sich die Aussicht auf Möglichkeiten des Empfangens und der Gestaltung, die den Menschen erlauben würden, den Boden der sie ergreifenden Wirklichkeit zu betreten, statt als Passanten im Schienennetz technisch vorbereiteter Möglichkeiten darüber zu schweben« (2019: 4).
2) Leibphilosophie bei Hermann Schmitz und Gernot Böhme
Um die Wiederaufdeckung dieses ganzheitlichen Selbstverständnisses und um ein neues Leibbewusstsein bemüht sich die Leibphilosophie. Während Naturwissenschaft und Schulmedizin sich mit dem menschlichen Körper beschäftigen, insofern er objektiv messbar und kontrollierbar ist, untersucht die Leibphilosophie »was man den menschlichen Körper nennt, in subjektiver Gegebenheit, im Medium des Sich-Spürens.
»Die Erfahrung, die in der Leiblichkeit gegeben ist, ist also Selbsterfahrung.«
Die Erfahrung, die in der Leiblichkeit gegeben ist, ist also Selbsterfahrung« (Böhme 2021: 46). Die Leibphilosophie fällt in den Bereich der Phänomenologie, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Husserl entwickelt wurde. Sie wird gewöhnlich mit den Namen Merleau-Ponty, Scheler, Plessner und auch Nietzsche verbunden. In der folgenden Darstellung dessen, was unter dem Leib zu verstehen und wie er zu ergründen ist, liegt der Schwerpunkt auf der Leibphilosophie von Schmitz (1928-2021) und Böhme (1937-2022). Beide waren Lehrstuhlinhaber im Bereich Philosophie. Dabei galt Böhmes Interesse einer anthropologisch orientierten und pragmatischen Philosophie, während Schmitz, »dessen Leibphänomenologie wohl im weltweiten Vergleich ausgeführt ist wie keine andere« (Böhme 2020: 12), »so dass man in gewisser Hinsicht seine Philosophie überhaupt als Leibphilosophie begreifen kann« (Böhme 2021: 24), strenger Theoretiker ist. Schmitz und Böhme bieten daher sehr verschiedene Perspektiven auf den Leib. Gerade wegen dieser Komplementarität werden sie hier gemeinsam für die Erklärung des Leibbegriffes herangezogen.
Hermann Schmitz
Das Wort Leib (zu mhd. leben; vgl. engl. to live und life) ist laut Schmitz »ein Sondergut der deutschen Sprache« (2019: 1) und erleichtert eine klare Abgrenzung von dem Konzept Körper. Den meisten Sprachbenutzer:innen sind die unterschiedlichen Bedeutungen der Begriffe Körper und Leib allerdings nicht bewusst. Der entscheidende Aspekt in Bezug auf die Definition des Leibes ist bei Schmitz das unmittelbare Erleben, das »affektive Betroffensein«: »Ich verstehe unter dem Leib den Bereich der leiblichen Regungen, die jemand von sich in der Gegend (nicht nur in den Grenzen) des eigenen Körpers spüren kann, ohne sich auf das Zeugnis der fünf Sinne, besonders des Sehens und Tastens, zu verlassen. (…) Dazu gehört der ganze Bereich des affektiven Betroffenseins« (ebd.: 3). Gemeint sind Affekte wie Angst, Bestürzung, Ekel, Scham oder Zorn, die in den Zwischenraum von Körper und Seele fallen, spürbare Zustände, die weder getastet noch gesehen werden können und die als leibliche Empfindungen erfahren werden. Den eigenen Körper nimmt man laut Schmitz dagegen im konkreten Sehen und Tasten wahr.
Während der Körper ein »relativer Ort« ist, definiert Schmitz den Leib als einen »absoluten« Ort und verdeutlicht damit, dass der eigene Leib immer gebunden ist an das Sein und Selbst seines/r Träger/in. Er ist der Ort, von dem alles Handeln, Fühlen und Denken ausgeht. Alloa et al. sprechen von einem »Nullpunkt der Orientierung« (2019: 2). Als absoluter Ort ist der Leib gänzlich durch das innere Erleben des Menschen definiert, nicht gekoppelt an äußere Faktoren wie Raum und Zeit. Der Körper dagegen bewegt sich im Raum und um Kollisionen zu vermeiden, muss er immer in Relation zu anderen Körpern gesehen werden. Das macht ihn zu einem relativen Ort, dessen Definition sich an der Außenwelt orientiert, während die Beschreibung des Leibes als eines absoluten Ortes am Inneren des Menschen ausgerichtet ist. Die Verschiedenheit der beiden Sphären Körper und Leib beleuchtet ein Satz, der dem Philosophen Marcel zugeschrieben wird: »Ich habe einen Körper, aber ich bin mein Leib« (Schmitz 2019: 1).
»An die Stelle der platonischen Illusion einer Seele setzt Schmitz das ganzheitliche Konzept des Leibes.«
Die Seele schließlich sieht Schmitz als ortlos an. Im Grunde bestreitet er die Existenz der Seele, da seiner Meinung nach alle Empfindungen, die im philosophischen Denken seit Platon in den abstrakten Seelenraum projiziert werden, als leibliche Regungen zu interpretieren seien (Schmitz 2011: 77). An die Stelle der platonischen Illusion einer Seele setzt Schmitz das ganzheitliche Konzept des Leibes (ebd.: 89).
Um die Wirkungsweisen des Leibes exakt erklären zu können, entwickelte Schmitz genaue Beschreibungskategorien, auf deren Basis er den Leib analysieren kann. Als wesentlichen Faktor identifiziert er dabei das Prinzip der Dynamik, das für alles leibliche Geschehen bestimmend ist. Die Grundphänomene dieser Dynamik sind die Momente der Enge und Weite, die sich als bewegte, jeweils aufeinander bezogene Tendenzen der Engung und Weitung beziehungsweise Spannung und Schwellung ausleben. Engung zeigt sich in einem beklemmenden Gefühl bei Angst oder im Augenblick des Zusammenfahrens beim Erschrecken. Weitung tritt als Gefühl der Erleichterung auf oder als erhebendes Gefühl, wenn einem beim Anblick einer schönen Landschaft oder eines Kunstgegenstands »weit ums Herz« wird (Schmitz 2011: 19). Ein weiteres Charakteristikum des Leibes ist für Schmitz dessen Inselstruktur. Oft sind einzelne, nicht klar einzugrenzende Leibeszonen stärker spürbar als andere, etwa der Brustraum mit der Herzregion, die Magengegend, wo man mitunter ein flaues Gefühl verspürt, oder der Mund, der zu einer extrem aktiven Leibesinsel werden kann (ebd.: 55f). Je nach Gefühlslage blühen diese Regionen auf, entschwinden der Wahrnehmung wieder und verschwimmen mit anderen Bereichen; Schmitz bezeichnet sie als Leibesinseln. Im Gegensatz zum sicht- und tastbaren Körper hat der spürbare Leib also keine klaren Grenzen, sondern ist »ein Gewoge verschwommener Inseln« (Schmitz 1986: 78), ein energetischer Zusammenschluss frei agierender Kräfte. Sie machen den Leib zu einem Regungsherd und Impulsgeber. Das für die Leibesinseln typische Gefühl der Unschärfe erlebt man, wenn man Schmerzen wie etwa Kopf-, Zahn- oder Bauchschmerzen nicht genau lokalisieren kann.
Gernot Böhme
Böhmes Sicht auf den Leib ist weniger durch exakte Kriterien bestimmt. Seine Definition beruht auf einem Aspekt, den Schmitz weitgehend vernachlässigt, nämlich der Tatsache, dass unser Leib Teil der Natur ist: »Der Leib ist die Natur, die wir selbst sind« (2021: 61). Dieser zunächst schlichte Satz birgt eine komplizierte Rückbezüglichkeit in sich, denn »als was sich der Leib zeigt, ist abhängig von der jeweiligen Weise, Leib zu sein« (ebd.: 9), das heißt unser subjektives Eingebundensein in den Leib erschwert eine objektive Definition des Leibes. Für Böhme ist das zentrale Kriterium zur Unterscheidung zwischen Körper und Leib das der Fremd- und Selbsterfahrung. Unseren Körper nehmen wir primär von außen, in der Fremderfahrung wahr, im kritischen ärztlichen Blick, in der Beschreibung der Naturwissenschaften und in den vielen Angeboten, die zur Manipulation und Optimierung des Körpers bereitstehen (ebd.: 12). Dagegen erfassen wir unseren Leib ausschließlich in der Selbsterfahrung.
Das Bewusstsein der Naturhaftigkeit unseres Leibes hat, so Böhme, im Laufe der Zivilisation stetig abgenommen, doch die jüngere Technisierung des Leibes bedeutet eine spezielle Gefährdung, »indem sie die Grenze zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen beliebig verschiebbar macht. Da der Leib aber die Natur ist, die wir selbst sind, steht Leibsein als Existenzform überhaupt in Frage« (ebd.: 34f). Wir akzeptieren die Defizite unseres Körpers mit einer gewissen Distanziertheit und übertragen seine Betreuung medizinisch und therapeutisch geschultem Personal. Dass aber unser im Leib verkörpertes Selbst den Regeln der Natur unterworfen ist, ertragen wir weniger gelassen. Die Beherrschung der eigenen Natur beginnt mit dem arglosen Färben der grau werdenden Haare, doch Böhme listet deutlich drastischere Maßnahmen: »Prothesen, Transplantate, Implantate, plastische Chirurgie, genetische Therapie, Eugenik, am Anfang in vitro-Fertilisation, am Ende Euthanasie – da wird fraglich, was am Menschen überhaupt noch als Natur angesehen werden kann« (ebd.: 351).
Unser Körper wird zu einem kontrollier- und manipulierbaren Ding, dessen Naturhaftigkeit wir weitgehend von unserer Selbstwahrnehmung abspalten. Wir haben uns von der Natur unseres eigenen Leibes weit entfernt und empfinden unseren Leib teilweise »als etwas Fremdes, manchmal durchaus Befremdliches. Dabei ist, dass dieses Fremde mein Fremdes ist, nie zu leugnen« (ebd.: 64).
Hier zeigen sich die eingangs erwähnten Widersprüche und Defizite: Leibvergessenheit erwächst aus Körperkult. Böhme reagiert daher kritisch auf die in Sport, Wellness- und Fitnessangeboten vermittelten Erfahrungsmöglichkeiten. Sport begünstige ein Körperbewusstsein, das sich an Leistung und Perfektion sowie an von außen gesetzten Maßen und Zielen orientiere. Ähnliches gilt für die Idealvorstellungen, die im Wellness- und Fitnessbereich kursieren. Die Kenntnis, die man hier von sich und vom eigenen Körper hat, »ist medien- oder blickvermittelt, sie basiert nicht auf leiblichem Spüren« (2021: 116). Insofern liegt hier »geradezu eine Verlängerung und Verstärkung der Leibvergessenheit« (ebd.) vor, denn ausschließlich im leiblichen Spüren erleben wir unseren Leib. Daher gilt es, »Existenzweisen einzuüben, in denen der Leib als die Natur, die wir selbst sind, gelebt wird« (ebd.: 14). Böhme nennt mehrere Praktiken, die dafür bereitstehen – unter anderem Yoga , autogenes Training, Alexandertechnik – und erklärt, das große Angebot solcher Übungsformen sei die Konsequenz unserer modernen, technisierten – heute auch digitalisierten – Lebensart, die kaum direkten Körpereinsatz erfordert oder ermöglicht. In den genannten Praktiken wird der Leib wiederentdeckt, »teils weil er sich auf dem Gipfel seiner Verdrängung von selbst meldet – wie in den gerade für moderne Lebensweisen charakteristischen vegetativen Dystonien –, teils weil er auf dem Gipfel der Entfremdung und des Außersichseins explizit gesucht wird« (ebd.: 117). Böhme formuliert hier mit anderen Worten, was Wecker als eine persönliche Empfindung beschreibt: Hab so eine Sehnsucht, mich aufzuspüren.
3) Die leibliche Einheit des Menschen in der Ilias
In der aktuellen Diskussion zum Thema Leiblichkeit ist für Alloa der Bezug zur griechischen Archaik unerlässlich als Gegenentwurf zum neuzeitlichen Körper-Geist-Dualismus. In Homers epischer Dichtung sei es in der Tat schwierig, »zwischen geistigen und körperlichen Zuständen zu unterscheiden, sosehr greifen beide fortwährend ineinander« (2019: 150). Besonders in der Ilias herrsche eine Erfahrungswelt vor, die leiblich-ganzheitlich und damit jenseits einer Spaltung in physische und psychische Erlebnisbereiche zu verstehen sei. Diesen Sachverhalt hat besonders Schmitz nachgewiesen. Mit keinem anderen Stoff befasst er sich in seiner Untersuchung des Leibes so ausführlich wie mit der Ilias (1998: 373-445). Eingehend untersucht er die Begriffe, die die Altphilologie seiner Zeit entweder als primär körperliche Organe beziehungsweise Zustände oder als vermeintliche Seelenbezeichnungen aufgefasst hat – eine Interpretation, mit der sie allerdings dem platonisch-cartesianischen Dualismus verhaftet geblieben sei.
Als die wichtigsten Körperregionen arbeitet Schmitz Thymos und Fren heraus. Beide sind in der Leibesmitte, im Bauch- beziehungsweise Brustraum lokalisiert, beide stehen für geistige Kapazitäten, zugleich für Entschlusskraft, Leidenschaft sowie emotionales Empfindungsvermögen. Fren bezeichnet auch das Zwerchfell, gilt als Sitz der Seelentätigkeit, und auch des Verstandes sowie Bewusstseins; Thymos steht für das Herz, bedeutet Leben, Vitalität und Erregung, ist also eher der Sitz der Affekte. Aus seinen exakten Analysen zieht Schmitz den Schluss, dass die Bereiche beziehungsweise Organe des Körpers, die vordergründig entweder einer körperlichen oder einer geistig-seelisch Bestimmung zugeordnet werden, nicht gemäß dieser strikten Aufteilung zu sehen sind, sondern weiterreichende Funktionen haben. Er interpretiert diese Regionen als Leibesinseln. Besonders Thymos und Fren erweisen sich als eigenmächtige Erregungsherde, in denen Gefühle und Emotionen gespürt werden. Zusammenfassend hält Schmitz die wichtige Einsicht fest, dass in der Ilias »alle Weisen des Erlebens auf die am eigenen (körperlichen) Leibe gespürten Inseln und Regungen bezogen werden. Es scheint also eine Zeit gegeben zu haben, in der nichts erlebt wurde, ohne dass dieses Erleben am eigenen Leibe gespürt worden wäre« (ebd.: 440). Wie ist das zu verstehen?
Zunächst muss man sich von der Vorstellung befreien, dass Emotionen und Gefühle im Innenraum einer abstrakten Seele verortet sind, denn diese »Introjektion der Gefühle« (ebd.: 365) wird erst durch Platon initiiert. Gefühle und Empfindungen äußern sich stattdessen unmittelbar im Leib, indem die dafür empfänglichen oder verantwortlichen Leibregionen, die Leibesinseln, »als selbstständige Impulsgeber auftreten, nicht als bloße Werkzeuge oder Begleiter zentraler Ichvollzüge« (Schmitz 1998: 444). Das bedeutet für den Menschen ein gewisses Ausgeliefertsein, nämlich an atmosphärische, göttlich-dämonische Mächte, die an die Stelle einer eigenständigen Ich-Steuerung treten und von denen der Mensch jederzeit getroffen werden kann. Schmitz spricht von einer »Durchlässigkeit für das Göttliche« (ebd.).
Auch Alloa bestätigt, dass einzelne Organe zusätzlich zu ihrer Organfunktion Ventile für Emotionen waren, und er hebt ebenfalls die Phren und den Thymos hervor (2019: 153f). Aspekte des Menschen, die nach heutiger Auffassung ihren Sitz im abstrakten Innenraum des Menschen hätten, seien konkret im Körper des Menschen lokalisiert worden, der eben gerade dadurch zum Leib werde: »Der Denkraum der homerischen Figuren ist ein durch und durch leiblicher, und muss weniger als abgeschlossener Hort denn als durchlässiger Resonanzboden für das Konzert fremder Kräfte aufgefasst werden« (ebd.: 153). Mit der Feststellung, die Organe beziehungsweise Körperteile behielten eine gewisse Eigenmächtigkeit, sie seien unberechenbare, weder vom Individuum noch von den höheren göttlichen Mächten vollständig zu dirigierende Instanzen, bestätigt Alloa Schmitz‘ Interpretation der Leibesinseln als »selbständige Impulsgeber«.
Brenner, der im Rahmen der Philosophie der Lebenskunst über Leiblichkeit schreibt, betont indessen, in der Ilias werde der Körper als aus mehreren Teilen zusammengesetzt erfasst. Dabei seien alle einzelnen Teile gleichwertig, eine Sichtweise, die daraus resultiere, dass die Glieder des griechisch-archaischen Menschen »gefüllt« (2018: 23) seien, das heißt mit eigener Kraft ausgestattet. In vorplatonischer Zeit herrsche eine additive Vorstellung vom belebten Körper: Die vielen Glieder summieren sich zu einem Ganzen und formen in ihrer Summe doch so etwas wie ein ›Selbst‹ oder ›Ich‹. Damit ist, so Brenner, »der maximale Abstand zu der sokratisch-platonischen Position, die den Körper als Seelenkerker betrachtet, markiert« (ebd.: 24).
Fazit
Das eigenleibliche Spüren von Empfindungen kann somit beschrieben werden als ein Erleben, das durch selbsttätige Einzelregungen verschiedener Leibesinseln wachgerufen wird und dabei den Menschen in seinem ganzen Leib erfasst. Alle Empfindungen, alles Erleben werden, so Schmitz (1998: 365f), »mit naiver Sicherheit und genau treffender Beobachtung zugleich, als primär leibliches Betroffensein verstanden«. Verbunden damit sei »die Fähigkeit, Gefühle nicht in subjektive Seelenzustände umzudeuten, sondern als abgründig-erregende, den Menschen in seiner leiblichen Natur packende und erschütternde Mächte unverstellt zu erfahren«. Dies bedeutet zugleich ein gewisses Maß an Fremdbestimmung und Ausgeliefertsein. Der Mensch muss damit rechnen, dass die göttlich-atmosphärischen Mächte jederzeit in das Geschehen eingreifen, sie ihn durch ein Hineinfahren in bestimmte Leibesinseln zum »Schauplatz ihrer Auseinandersetzungen« machen (Böhme 1985: 253). Aufgrund der Eigenmächtigkeit der Regungsherde sowie seiner additiven Konstitution kann man den archaischen Menschen daher nicht als untrennbare Einheit auffassen, also nicht im heutigen Sinn als Individuum. Die Ganzheit des archaischen Menschen basiert vielmehr darauf, dass er Gefühle leiblich spürt und erlebt. Das moderne Verfahren, »alles Leibliche zu verseelen« (1998: 441), also Gefühle aus dem Körper auszulagern und in den abstrakten Raum der Seele zu verschieben, hat zwar neue Möglichkeiten der menschlichen Souveränität geschaffen, aber auch Fähigkeiten verschüttet, nämlich den Zugang zum eigenen Erleben. Der heutige Mensch ist ein Individuum, insofern er selbstbestimmt agiert, aber die Ganzheit des Leibes, die Einheit von Körper und Seele, hat er verloren.
4) Die Verdeckung des Leibes
Odyssee
Im Hinblick auf das menschliche Leibbewusstsein differenziert Schmitz präzise zwischen Ilias und Odyssee mit der Begründung, in der Odyssee sei eine klare Abkehr des Menschen von den leiblichen Regungen erkennbar. Zunächst zeige sich diese Verhaltensänderung am Phänomen des Hungers. Dem als unkontrollierbar wahrgenommenen Hungerempfinden begännen die Betroffenen sich zu widersetzen, »mit heftigem Aufbegehren gegen den animalischen Trieb«. In der Folge greife dieser Widerstand dann über auf Regungen von »minder trivialen Impulsgebern, den sogenannten Seelenorganen« (ebd.: 446), also von Thymos, Phren und anderer Leibesinseln, die weniger mit rein körperlichen Phänomenen wie Hunger befasst sind, sondern eher mit Affekten und Gefühlen. Als Odysseus nach seiner Heimkehr die Mägde nachts zu den Freiern Penelopes schleichen sieht, ermahnt er sein pochendes Herz, und tatsächlich gelingt es ihm, seinen Herzschlag zu beruhigen (ebd.). Schmitz identifiziert zwei Konsequenzen, die in der Odyssee aus der Abstandnahme des Menschen von seinen leiblichen Regungen folgen. Erstens verlieren die Leibesinseln als Impulsgeber an Bedeutung. Verbunden damit ist eine schärfere Abgrenzung der Leibesinseln voneinander – Ursprung des seelischen Zwiespalts, der ja voraussetzt, dass der Mensch keiner einzelnen Regung ganz erliegt (ebd.: 447). Zweitens vollzieht sich eine Emanzipation vom Göttlichen, da die Eigeninitiative des Menschen dessen Einfluss hemmt; Schmitz spricht von einer »Rationalisierung der Theologie in der Odyssee« (ebd.: 449). Die anthropologisch wichtigste Folge der personellen Emanzipation ist »die Introjektion der Gefühle, die Erzeugung einer privaten, seelischen Intimsphäre durch Metaphorisierung der Rede vom Inneren« (ebd.: 450). In diesen intimen Raum kann sich ab jetzt das Erleben zurückziehen beziehungsweise zunehmend von vornherein darin abspielen. »Damit ist für den platonischen und christlichen Seelenbegriff, der auf dem Niveau der Ilias absurd wäre, die entscheidende Voraussetzung geschaffen« (ebd.: 451).
Platon
Den stärksten Gegensatz zu Homers Ilias bildet innerhalb der antiken Anthropologie das Werk Platons. Nach Vorarbeiten durch mehrere antike Philosophen (ebd.: §81) kommen bei Platon »die Verdeckung des Leibes, die Konstruktion der Seele und die Introjektion der Gefühle (…) zu klassischer Vollendung« (ebd.: 370). Hier geht es nun um die Frage, in welchem Verhältnis die Etablierung des Dualismus von Körper und Seele zur Verdeckung des Leibes steht. Der Schlüssel liegt in Schmitz‘ These der Introjektion. Die schwindende Macht der Leibesinseln und der infolgedessen abnehmende Einfluss der göttlichen Kräfte erfordern einen neuen Umgang mit Empfindungen, einen neuen Ort für deren Verarbeitung. So bildet sich in der Vorstellungswelt ein jenseits des Körpers, dennoch irgendwie im Innern des Menschen imaginierter Raum heraus, der allen Gefühlen, Wahrnehmungen und Einwirkungen einen Platz bietet. In diesem Innenraum geht schließlich das von Platon entwickelte Konzept der Seele auf; sie wird »zum Bereich und Organ des vermöge der Introjektion als unleiblich gedeuteten Erlebens eines vom Diktat der Regungen emanzipierten Ichs. (…) Der Mensch wird in Körper und Seele zerlegt« (ebd.: 462).
Platon baut diese Polarität zu einem systematischen Modell aus. Er macht sie Seele zum Zentrum des Menschen und teilt sie in drei hierarchisch geordnete Bestandteile auf, die als ranghöher über den Körper stehen. Der niedrigste Seelenanteil, das Epithymetikon, ist die Begierde, angesiedelt unterhalb des Zwerchfells. Der mittlere Seelenanteil mit Sitz im Herzen ist das Mutartig-Tatkräftige, das Thymoeides. An oberster Stelle steht das Logistikon, die Vernunft- oder Denkseele, die im Kopf residiert und die beiden anderen Seelenaspekte lenken soll. Die Vernunftseele nimmt eine Sonderstellung auch deshalb ein, weil sie vor und nach ihrem Eingehen in einen irdischen Körper ewiges Leben jenseits der dinglichen Welt hat. Die Mutseele, das Herz, hält in Platons Denkmodell eine Mittlerposition. Sie kann sowohl von dem niederen Epithymetikon als auch vom Logistikon beeinflusst werden, wobei sie bevorzugt der leitenden Vernunft zuarbeiten und die Begierden unterdrücken soll. Dass jedoch die beiden unteren Seelenteile einander nahestehen, verraten schon ihre Namen, in denen der Thymos als Repräsentant der autonomen leiblichen Regungen lebendig ist. Die dreifach aufgespannte Seele belebt den Körper, zugleich werden leiblich gespürte Empfindungen und Impulse jetzt abgewertet, verdrängt und in den seelischen Innenraum verschoben. Sie werden zu abstrakten Angelegenheiten. Der körperlich-leibliche Aspekt äußert sich jedoch in der metaphorischen Umschreibung der impulsgebenden Antriebskräfte, wie wir sie noch heute in verschiedenen Wendungen vom gebrochenen oder überquellenden Herzen gebrauchen. Schmitz erklärt die metaphorische Rede der Menschen damit, dass sie »eigentlich von dem, was sie an dem anders beschaffenen eigenen Leib spüren, sprechen wollen und dabei im Rahmen des gesellschaftlich als normal vorgeschriebenen menschlichen Selbstverständnisses so tun müssen, als ob sie bloß eine Metapher für einen Seelenzustand brauchten, und wohl gar selbst davon überzeugt sind.« (1996: 14).
Ursachen
Im metaphorischen Sprechen zeigt sich erneut die im Titel hervorgehobene Sehnsucht, sich aufzuspüren. Wie und warum konnte sich ungeachtet dieser Sehnsucht die Annahme einer seelischen Innenwelt und schließlich die Aufspaltung des Menschen in Körper und Seele so nachhaltig durchsetzen? Schmitz identifiziert drei Faktoren, die seiner Überzeugung nach hier eine maßgebende Rolle spielten.
Als leitendes Motiv nennt er den emanzipatorischen Willen des Menschen zur Selbstermächtigung, also den Wunsch, von den unwillkürlichen und überwältigenden Regungen der Leibesinseln, vom Einfluss der numinos-atmosphärischen Mächte frei zu werden (1978: 224ff). An die Stelle dieser Einflüsse tritt die Eigeninitiative, die Kraft des Wunsches, sich die Dinge gefügig zu machen. Dieser Prozess, der schon in der Odyssee praktisch einsetzt, vollendet sich mit der Einführung des Seelenbegriffs bei Platon auch theoretisch. Der Mensch ist nicht länger den eigenen leiblichen Regungen ausgeliefert, sondern erhebt sich jetzt über die Impulse seiner Leibesinseln, indem er sich schrittweise mit dem Innenraum seiner Seele identifiziert. Dieser Raum dient dem Menschen nun als Rückzugsort sowie als Instrument, mit dessen Hilfe er sich Affekte und Regungen aneignen und unterwerfen kann, so dass sie vollkommen zu seinen eigenen werden.
Ein weiterer Grund ist die heute gängige Annahme, unsere Wahrnehmung basiere allein auf der Vermittlung bestimmter Körperteile, also der Sinnesorgane, die als »Werkzeuge oder Schleusen« (ebd.: 226.) für die Übertragung aller Wahrnehmungen fungieren; wir sprechen daher auch von Sinneseindrücken. Schmitz nennt dies den »Physiologismus der Wahrnehmungslehre« (ebd: 229) und sieht darin eine klare Verkürzung des Wahrnehmungsspektrums. Denn was die Sinnesorgane nicht passiert, gilt nicht als plausible Wahrnehmung. Das Erfassen von Situationen und Atmosphären wie etwa die eines trüben Novembertags, des feierlichen Ernstes bei einem sozialen Anlass oder die bedrückende Atmosphäre an einem Krankenbett fallen aus dem gültigen Wahrnehmungsmuster heraus (Schmitz 2011: 89-96). Laut Schmitz hat sich der Physiologismus nach einer längeren Entwicklungsphase mit Platon und Aristoteles endgültig durchgesetzt. In der Folge seien Gefühle und Empfindungen nicht mehr als Wahrnehmungen anerkannt worden, was wiederum das Prinzip der Introjektion zementiert habe: »Das Gefühl kann nicht mehr mit der Wahrnehmung einströmen, sondern wird in der Seele angesiedelt, als privater Bestandteil einer persönlichen Innenwelt« (ebd.: 230). Demgegenüber besitzt der homerische Mensch der Ilias mit den Leibesinseln als Wahrnehmungsquellen und Impulszentren einen wesentlich breiteren Rezeptionsapparat.
Der dritte Beweggrund, den Schmitz für die nachhaltige Einrichtung einer seelischen Innenwelt nennt, ist mit dem vorigen verbunden. Denn der Wahrnehmungsphysiologismus setzt voraus, dass die Gegenstände der Wahrnehmung, um von den Sinnesorganen erfasst werden zu können, materielle Objekte sein müssen. Diesen Sachverhalt nennt Schmitz die »Objektivierung der Außenwelt« (ebd.: 231). Situationen und atmosphärische Stimmungen wie die oben genannten fallen aus dem Rahmen dieses rationalen, rein gegenständlich operierenden Modells, da sie dem Anspruch der Objektgebundenheit nicht genügen. Folglich wandern sie in den abstrakten Bereich der Seele, »die damit zum Sammelbecken des Scheinhaften« verkommt (ebd.: 232).
Fazit
Zweifellos ist die Befreiung des Menschen aus Abhängigkeiten und damit die Entwicklung hin zu persönlicher Autonomie positiv zu bewerten. Die Kehrseite dieser Entdeckung des Geistes (Snell 1946, Buchtitel) ist jedoch, wie Schmitz nachweist, die Verdeckung des Leibes. Denn der Mensch verliert letztlich den Kontakt zu bestimmten Anteilen seiner selbst, es kommt zu einer psycho-somatischen Aufspaltung, in deren Folge der Körper nichts oder wenig von der Seele weiß und umgekehrt.
»Es kommt zu einer psycho-somatischen Aufspaltung, in deren Folge der Körper nichts oder wenig von der Seele weiß und umgekehrt.«
Dessen ungeachtet, so Schmitz, sei jedoch das Ringen um Selbstermächtigung innerhalb der Philosophie zu einem starken Impuls geworden, der »weit und mächtig auszustrahlen vermochte, bis der Augenblick kam, in dem der gebildete Mensch endlich formal vernünftig und emanzipiert, eben deshalb – welch grausame Ironie! – aber inhaltlich ratlos geworden war; das ist etwa der Standpunkt unserer Zeit« (1978: 228). Was geblieben ist und auch heute noch bleibt, ist die Sehnsucht, sich aufzuspüren, um durch dieses Aufspüren der Ganzheit des Leibes die innere Ratlosigkeit und Leere zu überwinden.
Dies ist der erste Teil des Artikels. Der zweite folgt in Ausgabe 101.
Dr. Annette Blühdorn Studium der Klassischen Philologie, Slawistik, Germanistik; Promotion über zeitgenössische deutsche Lyrik; langjährige Lehrtätigkeit als Universitätsdozentin in England; Yoga-Praktizierende seit fast 40 Jahren; zertifizierte Iyengar-Yoga-Lehrerin, seit 2014 mit eigenem Studio in Millstatt am See, Kärnten; Mitarbeiterin im Redaktionsteam der Verbandszeitschrift von »Iyengar-Yoga Deutschland e.V.«; verschiedene Veröffentlichungen.
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